77. Filmfestspiele von Venedig 2020
Venedig On Speed 04: THE MAN WHO SOLD HIS SKIN |
||
THE MAN WHO SOLD HIS SKIN von Kaouther Ben Hania | ||
(Foto: BIENNALE CINEMA 2020 Press Service) |
Ein Machwerk, stilistisch und dramaturgisch. Vielleicht auch gedanklich, denn vieles bleibt an der Oberfläche. Allerdings stellt dieser Film einige interessante Fragen, hat ein paar interessante Grundprämissen und deswegen ist dies durchaus etwas, über das man nachdenken kann.
Die Prämisse ist die, dass ein Syrer, ein junger Mann, der eher wegen eines Fehlers als wegen politischer Opposition aus seinem Heimatland fliehen musste und jetzt im Libanon dahinvegetiert,
ein Schengen-Visum braucht, weil seine Geliebte inzwischen in Belgien lebt und dort einen syrischen Diplomaten geheiratet hat – auch um aus Syrien überhaupt herauszukommen, aber auch um... Und hier geht es los: Immer wieder hat der Film Schwierigkeiten, zu erklären, was eigentlich genau passiert, und warum. Immer wieder ist alles extrem kompliziert, hergeholt und konstruiert.
Das, was der Film von Kaouther Ben Hania halbwegs gut erklärt, ist einfach nur die Tatsache, dass
dieser junge Mann namens Sama Ali zufällig einen Künstler trifft, und der macht ihm ein unmoralisches, aber sehr gutes Angebot – ein Angebot, wie man so sagt, »das man nicht ablehnen kann.«
Es lautet: Für Geld und ein Schengen-Visum darf ich auf deinen Körper ein Bild tätowieren. Damit sind nicht nur die finanziellen Probleme unseres Helden mit einem Schlag gelöst, er wird auch in ein lebendes, im Wortsinne Fleisch gewordenes, Kunstwerk verwandelt. Als solches muss er
allerdings in Ausstellungshallen für die nächsten Jahre zur Verfügung stehen. Er wird versichert, er wird irgendwann an einen Sammler verkauft.
Die moralischen Abgründe liegen auf der Hand, und für die, die es nicht verstehen, sagt der Künstler auch noch: »Manchmal fühle ich mich wie Mephistopheles.«
Allzu plakativ ist auch, dass das in Fleisch gebrannte Kunstwerk ausgerechnet das Abbild eines Schengen-Visums ist.
Und so geht es hier um allerlei wichtige und sehr zeitgemäße Fragen: Was darf Kunst? Wie weit darf ein Mensch sich selbst verkaufen? Wo beginnt Ausbeutung? Darf ein Mensch in seine Ausbeutung einwilligen?
Inwieweit ist es Kunst, wenn man menschliche Haut, menschliches Fleisch überhaupt im menschlichen Körper zu Material dieser Kunst macht?
Leider beantwortet der Film keine einzige, sondern streift sie alle und vieles mehr. Da reißt dann auch Monica Bellucci in der Rolle einer fiesen Kunstagentin nichts mehr.