06.09.2020
77. Filmfestspiele von Venedig 2020

Venedig On Speed 05: THE WASTELAND

THE WASTELAND
THE WASTELAND von Achmad Bahrami
(Foto: BIENNALE CINEMA 2020 Press Service)

Simultanistische Filmkritik: THE WASTELAND von Achmad Bahrami

Von Rüdiger Suchsland

Dies ist keine Verfil­mung des berühmten T.S. Eliot-Gedichts, sondern eine jener typischen irani­schen Film­pa­ra­beln, in denen es erstaun­lich konzen­triert und zwingend um alles geht – dieses aber jederzeit so symbo­lis­tisch verklau­su­liert wird, dass die Zensur den Film nicht zu fassen kriegt.

Regisseur Achmad Bahrami hat in Schwarz­weiß gedreht und seinen Film mit einer inten­siven Geräusch­spur versehen, die einen Dauerwind erzeugt und ständige Unruhe sugge­riert. Das steigert die ohnehin schon depri­mierte Grund­stim­mung ins Apoka­lyp­ti­sche. Auch anderes in diesem heraus­ra­genden Film erinnert an Bela Tarrs Das Turiner Pferd: Die Wieder­ho­lung bestimmter Szenen: Vor allem die Rede, die der Boss der Ziegel­bren­nerei, in der der ganze Film spielt und die er bis zum Schluss nicht verlässt, an seine etwa 20 Arbeiter und deren Familien hält. Alle 15 Minuten wird sie wieder­holt und jeweils um ein paar Sätze weiter­ge­führt. Dazwi­schen begleitet die Kamera jeweils eine Figur bei ihrer harten Arbeit mit den Händen und auf persön­li­chen Wegen durch das Fabrik-Gelände, die unwei­ger­lich beim Chef im Büro enden. Dort wird nach Lohn gefragt, über Kollegen gelästert, oder eine sexuelle Dienst­leis­tung vollzogen – so entsteht peu a peu das Bild des Mikro­kosmos dieser Fabrik, und damit der irani­schen Gesell­schaft als einer Gesell­schaft univer­saler Korrup­tion, gegen­sei­tiger Ausbeu­tung und Amoral. Es gibt auch klare Verweise auf das Jahr 1979 – das Jahr der irani­schen Revo­lu­tion.

Der Chef sitzt – wie vermut­lich die Teheraner Führung – wie eine Spinne im Netz. Eine sardo­ni­sche Figur, die mit bösem Charme agiert, alle gegen­ein­ander ausspielt und Sprüche parat hat wie »Winners mind their own business.« »Winners are patient.«, »Ever­y­thing needs its time«. So ist dieser Film ein Lehrstück über Kapi­ta­lismus und Macht, über Ausbeuten und Ausnutzen.

Eine gute kleine Dystopie, die erwartbar im Untergang enden muss.