77. Filmfestspiele von Venedig 2020
Venedig On Speed 07: WIFE OF A SPY |
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WIFE OF A SPY von Kiyoshi Kurosawa | ||
(Foto: BIENNALE CINEMA 2020 Press Service) |
Ein Film Noir aus Japan. Kiyoshi Kurosawa erzählt eine Geschichte aus dem frühen 1940er Jahren. Japans Diktatur radikalisiert sich zunehmend.
Im Zentrum des Films steht ein Ehepaar, das glücklich verheiratet ist. Er leitet eine Firma, seine Ehefrau lebt zuhause. Man lebt im Wohlstand und vor allem liebt man das westliche Leben: Westliche Kleidung, Whiskey aus Amerika, und nicht zuletzt das Kino. Man dreht hübsche kleine private Filme.
Das ist nicht alles angesagt: Das japanische
Kaiserreich hatte 1940 bereits einen nationalen Kleider-Erlass verkündet, nach dem alle Japaner angehalten werden – noch nicht gezwungen – sich japanisch zu kleiden und nicht westlich.
Auf diesem Fundament öffnet Kurosawa ein faszinierendes, spannendes Tableau der Verwirrung. Immer wieder wechseln die Perspektiven auf die Figuren und das Geschehen. Ein Vexierspiel, bei dem man sich fragt, wer hier wen betrügt und warum? Wer der Verräter ist, und was Verrat überhaupt heißt unter den Umständen einer faschistischen Diktatur? Das alles ist die Frage.
Wie es sich für einen guten Film Noir gehört, sind die moralischen Gewichtungen nicht klar verteilt. Wer hier gut
ist, wer böse, das ist genauso unklar wie vieles andere.
Fest steht, dass der Gatte auf einer Mandschurai-Reise Beweise für Kriegsverbrechen und Menschenversuche sichern konnte. Unter anderem auf Film. Offenbar will er sie außer Landes bringen. Seine Frau ahnt zuerst nichts, dann kommt sie ihm auf die Schliche, verrät ihn – doch dieser Verrat entpuppt sich als Trick, um die Informationen um so sicherer zur Seite zu bringen. Aber ist das wirklich alles?
Kostbare Seide dient hier zum Einwickeln wertvoller Dinge, falsch aufgestellte Schachfiguren signalisieren Gefahr, Vorhänge, Möbel, Anzüge sind von erlesener Qualität, gefahren wird im Rolls-Royce – auch in Japan ist die klassische Moderne der Sehnsuchtsort schlechthin.
Kurosawa wickelt diese reißerische Geschichte in leise Töne und romantische Musik – in Japan ist die Verpackung wichtiger als der Inhalt, und diese Verpackung ist bezaubernd.