10.09.2020
77. Filmfestspiele von Venedig 2020

Venedig On Speed 07: WIFE OF A SPY

Wife of a Spy
WIFE OF A SPY von Kiyoshi Kurosawa
(Foto: BIENNALE CINEMA 2020 Press Service)

Simultanistische Filmkritik: WIFE OF A SPY von Kiyoshi Kurosawa

Von Rüdiger Suchsland

Ein Film Noir aus Japan. Kiyoshi Kurosawa erzählt eine Geschichte aus dem frühen 1940er Jahren. Japans Diktatur radi­ka­li­siert sich zunehmend.
Im Zentrum des Films steht ein Ehepaar, das glücklich verhei­ratet ist. Er leitet eine Firma, seine Ehefrau lebt zuhause. Man lebt im Wohlstand und vor allem liebt man das westliche Leben: Westliche Kleidung, Whiskey aus Amerika, und nicht zuletzt das Kino. Man dreht hübsche kleine private Filme.
Das ist nicht alles angesagt: Das japa­ni­sche Kaiser­reich hatte 1940 bereits einen natio­nalen Kleider-Erlass verkündet, nach dem alle Japaner ange­halten werden – noch nicht gezwungen – sich japanisch zu kleiden und nicht westlich.

Auf diesem Fundament öffnet Kurosawa ein faszi­nie­rendes, span­nendes Tableau der Verwir­rung. Immer wieder wechseln die Perspek­tiven auf die Figuren und das Geschehen. Ein Vexier­spiel, bei dem man sich fragt, wer hier wen betrügt und warum? Wer der Verräter ist, und was Verrat überhaupt heißt unter den Umständen einer faschis­ti­schen Diktatur? Das alles ist die Frage.
Wie es sich für einen guten Film Noir gehört, sind die mora­li­schen Gewich­tungen nicht klar verteilt. Wer hier gut ist, wer böse, das ist genauso unklar wie vieles andere.

Fest steht, dass der Gatte auf einer Mand­schurai-Reise Beweise für Kriegs­ver­bre­chen und Menschen­ver­suche sichern konnte. Unter anderem auf Film. Offenbar will er sie außer Landes bringen. Seine Frau ahnt zuerst nichts, dann kommt sie ihm auf die Schliche, verrät ihn – doch dieser Verrat entpuppt sich als Trick, um die Infor­ma­tionen um so sicherer zur Seite zu bringen. Aber ist das wirklich alles?

Kostbare Seide dient hier zum Einwi­ckeln wert­voller Dinge, falsch aufge­stellte Schach­fi­guren signa­li­sieren Gefahr, Vorhänge, Möbel, Anzüge sind von erlesener Qualität, gefahren wird im Rolls-Royce – auch in Japan ist die klas­si­sche Moderne der Sehn­suchtsort schlechthin.
Kurosawa wickelt diese reiße­ri­sche Geschichte in leise Töne und roman­ti­sche Musik – in Japan ist die Verpa­ckung wichtiger als der Inhalt, und diese Verpa­ckung ist bezau­bernd.