Cinema Moralia – Folge 305
Kampf gegen Rechts im Land der Rechner und Abwickler |
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Aufklärungsarbeit in Kleine Germanen – Eine Kindheit in der rechten Szene... | ||
(Foto: Little Dream Entertainment) |
»Ich hätte noch lauter sein müssen«, sagt sie. Noch lauter? – Gott bewahre, nein! Auch nicht schriller. Sondern einfach besser, informierter, weniger zynisch.
Die sogenannte Kulturstaatsministerin Claudia Roth bekommt offensichtlich gerade das, was man landläufig Muffensausen nennt. Nachdem sie sich zwei Jahre öffentlich gefühlt totgestellt hat, folgt jetzt eine Art Interviewkaskade, in der sie hilflos versucht, das von ihr mitverantwortete Berlinale-Desaster einzufangen und ihre übrigen Versäumnisse und Fehlentscheidungen zu kaschieren. So etwa in der FAS vor 14 Tagen, und am vergangenen Sonntag im Deutschlandfunk. Dort musste sie nun – Strafe Gottes! – nicht nur ihre eigenen Fehler verantworten, sondern auch noch die aktuelle Misere des Goethe-Instituts.
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Beim Auswärtigen Amt und der Behandlung des Goethe-Instituts tritt gerade die Wahrheit des Wertes zu Tage, den man hierzulande noch der Kultur beimisst.
Aus dem Land der Dichter und Denker ist das Land der Rechner und Abwickler geworden, der Controller und Bürokraten. Kultur ist eine verfügbare Masse, ein weicher »Streichfaktor« und allenfalls noch Standortvorteil in einem Land, das unter »Zeitenwende« vor allem einen erhöhten Verteidigungsetat versteht und das in
Sonntagsreden zwar gerne die Wichtigkeit der Kultur im sogenannten »Kampf gegen Rechts« beschwört, tatsächlich aber die Kultur abwickelt und den Kampf gegen Rechts mit der Verschärfung von Einwanderungs- und Ausländergesetzen und einer zunehmend inhumanen Flüchtlingspolitik führt.
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Was ist passiert? Das Auswärtige Amt kürzt die Mittel, und das hat jetzt dazu geführt, dass das Goethe-Institut vor der größten Kürzung seit Jahrzehnten steht.
Letzte Woche wurden die Pläne bekannt, denen dieser Kulturvermittler ausgerechnet in einer immer unübersichtlicher werdenden politischen Lage zum Opfer fällt. Mittelfristig sollen 10 Prozent gekürzt werden.
130 Mitarbeiter werden entlassen, vor allem Ortskräfte, also Nicht-Deutsche, die über Jahre vor Ort etwas aufgebaut haben. Neun Institute werden geschlossen: Im Lande Melonis in Genua, Triest, Turin. In Frankreich in Bordeaux, Lille, Straßburg. In Washington. Dafür ein neues Goethe-Institutsbüro auf den Fidschi-Inseln. Kein Witz!
Das GI spricht werbedeutsch von »Reform« und von »umfassender Transformers«. Von Popup-Kultur jenseits klassischer Institutionen.
Konkret: Das Goethe-Institut soll laut aktuellem Etat 2024 neun Millionen Euro weniger bekommen als 2023, der DAAD 7 Millionen weniger, die Humboldt-Stiftung 1,5 Millionen weniger. Wir reden also zusammengerechnet von weniger als 18 Millionen Euro.
Zum Vergleich: ein neuer Leopard-Kampfpanzer vom Typ 2A8 kostet knapp 30 Millionen Euro. 18 neue davon hat die Bundeswehr im Mai bestellt als Ausgleich für die 18 Leopard 2 Panzer, die sie der Ukraine bislang geliefert hat. Können wir uns
nicht zugunsten der Kultur einen Panzer weniger leisten? Oder auch einfach das Geld für zwei weitere Drittel Panzer der Kultur zugestehen?
Wieviel ist uns Kultur wert?
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Den Kampf um die Rechte der Kultur und gegen die Finanzherrschaft über die Kultur indessen wird diese Kultur und insbesondere das Kino einstweilen nicht führen – dafür hat man viel zu viel Angst vor den Bürokraten und Etat-Reduzieren und Kontrolleuren, die einem selber ja den Etat auch immer weiter zusammenstreichen und von denen man schließlich den nächsten Filmantrag bewilligt haben möchte. Also lehnt man sich besser nicht aus dem Fenster, sondern macht das, was Dominik Graf in seinem sehr lesenswerten Beitrag, den wir in dieser Ausgabe veröffentlichen, die »freudlose gesellschaftliche Problemzonenerzählung« im »Jutesack des Arthauskinos« nennt.
Das wird die Kultur nicht retten.
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Zurück zu Claudia Roth.
Bei der Neuordnung der Berlinale lässt die Staatsministerin auch elementare Sorgfaltspflichten vermissen. Es wäre, gerade wenn man eine gute neue Struktur für die Berlinale will, und eine gute Intendanz, das Mindeste gewesen, transparent zu agieren.
Das bedeutet: Es müsste eine klare offene und öffentliche Ausschreibung der zu besetzenden Intendantenposition geben. Dazu gehört eine Stellenbeschreibung, aus der hervorgeht, welche Kriterien von Bewerbern zu erfüllen
sind, welche Voraussetzungen der Staatsministerin selbst wichtig sind. Schließlich müssten zeitliche Horizonte öffentlich benannt werden: Bis wann soll besetzt werden?
Dies hätte der Besetzung der Findungskommission für die Berlinale-Leitung vorausgehen müssen.
Bei der erfolgten Benennung dieser Findungskommission wiederum wäre es das Mindeste gewesen, eine Begründung für deren Zusammensetzung öffentlich zu machen, und die Expertise der einzelnen Mitglieder zu
benennen.
Das alles hat es hier nicht gegeben. Die zeitlichen Horizonte wurden nur sehr indirekt publik gemacht, in einem der erwähnten Interviews ist von »Ende des Jahres« die Rede.
Die im Hauruckverfahren veröffentlichte Findungskommission besteht (außer aus Roth und dem zuständigen Mitglied der Berliner Senatskanzlei) aus vier Personen: Regisseur Edward Berger; Anne Leppin, die Geschäftsführerin der Deutschen Filmakademie; Sara Fazilat, die Schauspielerin und Produzentin; und der Produzent Roman Paul. Sie sind im Einzelnen sympathische, untadelige Personen. Aber darum geht es nicht.
Alle vier haben gemeinsam, dass sie Mitglieder der Deutschen
Filmakademie sind, eines für den deutschen Film keineswegs repräsentativen Zusammenschlusses der Branche.
Sie haben auch gemeinsam, dass alle vier noch nie für ein Filmfestival gearbeitet haben. Kein Berlinale-Kenner ist unter ihnen, keiner, der Erfahrungen aus vergangenen Berlinalen einbringen könnte. Kein Verleiher. Kein Kinobetreiber. Kein Vertreter des internationalen Films.
Was veranlasst die Kulturstaatsministerin, und was veranlasst nicht zuletzt diese vier
Mitglieder selbst, zu glauben, sie hätten die nötige Expertise, sie könnten eine kompetente Entscheidung treffen?
Das hätte man gerne öffentlich debattiert.
Was soll eine solche Findungskommission finden? Was sucht sie? Von wem lässt sie sich beraten? Dies muss transparent werden. Denn die Berlinale ist öffentlich finanziert, nicht der private Schrebergarten der Staatsministerin.
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Noch etwas zum Kampf gegen Rechts: Zu den größten Gefahren der AfD gehört, dass sich die demokratischen Parteien durch Äußerungen und Forderungen dieser antidemokratischen Partei in eine blinde Abwehrhaltung treiben lassen.
So wie die Feststellung, dass im Osten die Sonne aufgeht, nicht dadurch falsch oder fragwürdig wird, dass die AfD sie in einen Antrag schreibt, wird es auch nicht falsch, Cancel-Culture zu kritisieren, weil das die AfD tut, oder das Gendern der
deutschen Sprache für falsch zu halten, weil die AfD es kritisiert.
Wir müssen vielmehr erkennen, dass die AfD nicht wenige prinzipiell berechtigte oder diskutable Forderungen aufgreift, um diese als Trojanisches Pferd dafür zu verwenden, dass man ihrem Rattenfängertum auf den Leim geht.
Die analytische Arbeit des Auseinanderhaltens und des Trennens zwischen Sachlichem und Unsachlichem, zwischen legitimer politischer Meinung und illegitimer radikaler Ideologie, ist etwas, ohne das wir nicht auskommen. Erst recht nicht, seit es die AfD gibt.
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Die Verteidigung von Cancel-Culture und Gendern gegen die AfD lenkt von den eigentlichen, unangenehmen Fragen nur ab.
Statt sich den eigenen demokratischen Meinungsraum von der AfD immer weiter verengen zu lassen, sollten Demokraten den Raum der demokratischen Öffentlichkeit in seiner ganzen Breite und Größe verteidigen, und sollten sich besser vorsehen, ob man den Feinden der Demokratie diesen Raum überlässt, beziehungsweise wie man die Feinde der Demokratie aus diesem Raum aussperren könnte. Mit Argumenten allein oder gar »Preaching to the Converted« ist es nicht getan. Nach wie vor und
mehr denn je nach den Landtagswahlen vom kommenden Wochenende ist die Frage eines AfD-Verbots akut und zu diskutieren.
Wer es in Ordnung findet, dass man schädliche Lebensmittel verbietet, schädliche Verkehrsmittel und schädliche Arzneimittel, und diverses mehr verbietet, der kann sich nicht dem Gedanken pauschal verweigern, dass man eine schädliche Partei und ihre toxische Politik verbietet.