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schon gesehen !

Liebe Leser,
die große Kunstausstellung im Haus der Kunst ist bald vorbei (am 12. September). Der Eindruck, so verschwommen er mittlerweile sein mag, bleibt: Ein Potpourri an Déjà-vues, ein Eintopf, gekocht aus circa 100 Jahren Kunstgeschichte. Für jeden etwas dabei, für jung und alt, bös' gesagt. Da gab es die gegenständliche Malerei, die Objekte, Skulpturen (denen wurde es allerdings ganz schön eng), Grafik und zum Schluß noch ein bißchen Fotografie. Und komisch... irgendwie erinnerte alles (fast alles) an schon gesehenes - die Erben der Etablierten waren am Werke, oftmals ziemlich ostentativ. Da bleibt uns nur eine Hoffnung...: daß die Open Art, auf die es am Wochenende des 11./12. Septembers mit großen Schritten zugeht, wieder auswetzt, und Entdeckungen bereithält, über die wir uns an dieser Stelle freuen können...
eure redaktion

 

die richtige chemie?

Biologie und Kunstgeschichte? - Um die anatomiegerechte Zeichnung des Hasen im Bild geht es hier nicht. Viel komplizierter erscheint das, was sich auf den naturwissenschaftlich unbeleckten Kulturhistoriker zubewegt.
Auf das angestammte Parkett der philosophischen Wissenschaften drängen zu Hauf Biologen, Neurophysiologen und Hirnforscher. Ihre Fortschritte in der Erforschung unseres Menschseins, genauer der Strukturen unseres Bewußtseins, treibt diese Kaste nun deutlich in die Nähe von alten philosophischen Fragestellungen: nach dem Verhältnis von Körper und Geist, von Natur und Kultur, von Außen und Innen. In der Geschichte der Philosophie mit unterschiedlichen Bewertungen immer wieder getrennt gesehen, erscheint die alte Differenz nun unter biologischen Aspekten endgültig als unzertrennbar.

Da ist vor allem die philosophische Grundfrage, ob die Realität, in der wir uns wähnen, eine objektive Welt da draußen ist, oder ob sie etwas rein Subjektives ist. Im Grunde scheint sie heute weder im Menschen allein begründet, noch außerhalb des Menschen existent. Sie entsteht primär aus der Wechselwirkung von Subjekt und Objekt.
Das was wir wahrnehmen: sehen, hören, schmecken, tasten, riechen prägt unser Verständnis von der Welt. Klar! Doch nicht so, als ob sich diese Welt 1 zu 1 in unserem Gehirn ablichten ließe. Was wir wahrnehmen ist geprägt von dem, was wir bereits wahrgenommen haben. Und auch nicht so, als ob sich diese Erfahrungen als Erinnerungen im Gehirn fest abspeichern und abrufen ließen oder eben auch mal verloren gingen. Nein, diese Erinnerungen verändern sich durch fortlaufende Erfahrungen, die wir machen. Man spricht von einem dynamischen Bewußtsein. Das Gehirn vergleicht ständig.
Man stelle sich vor, man habe eine alten Freund seit 10 Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen. Diesen dürfte man tatsächlich so in Erinnerung behalten, wie er gewesen ist. Unsere Erinnerungen hingegen an Personen, mit denen wir regelmäßig zu tun haben, aktualisieren sich ständig. Wie sie uns vor 10 Jahren erschienen sind, könnten wir lediglich anhand einer Photographie erinnern.

   

Der Hirnforscher, so lesen wir erst kürzlich, unterscheidet zwischen 3 Mechanismen, über welche Wissen in das Gehirn kommt: die Evolution, die Wissen über die Welt in den Genen speichert und dieses Wissen im neu ausreifenden Gehirn festhält; dann die Ontogenese, während der erworbenes Erfahrungswissen in irreversible Verschaltungsänderungen umgesetzt wird (die wohl kaum von den genetisch bedingten zu unterscheiden sind); schließlich die normalen Lernvorgänge, die erworbenes Wissen durch Änderungen der Effizienz bereits konsolidierter Verbindungen speichern.

Da die von den Kulturwissenschaften bearbeiteten Phänomene nichts anderes sind als die Erzeugnisse jener kollektiven Hirnleistungen, die der kulturellen Evolution zugrunde liegen, sollte es möglich sein, so der Hirnforscher, die Beschreibungssysteme, die Hirnfunktionen auf Wechselwirkungen materieller Komponenten zurückführen, Beschreibungssystemen anzunähern, die sich mit den Produkten individueller und kollektiver Hirnfunktionen befassen.

Soweit, so gut! Doch dann die Frage: Ist die Hirnforschung dabei ihren reduktionistischen Ansatz auf alle relevanten Ebenen lückenlos auszudehnen? Wird sie die Phänomene neuronaler Kommunikation auf ihre molekularen und zellulären Grundlagen zurückführen und ist sie dabei, Verhaltensphänomene, einschließlich psychischer und mentaler Funktionen, durch neuronale Kommunikationsprozesse zu erklären.

Schließlich die noch wichtigere Frage: Wie verhält es sich aber dann mit unserer Erfahrung, daß wir frei entscheiden können? Wie verhält es sich mit Schuldzuschreibungen und unserem Kulturgut der Verantwortlichkeit? Wo sollen wir das selbstbestimmte Ich verorten, das wir wahrnehmen, als sei es von Hirnfunktionen losgelöst?

Hat der Hirnforscher hier nicht eines vergessen? Hat er nicht selbst gesagt, daß jede Beobachtung die Realität erzeugt, die sie beobachten will. Befindet nicht jeder Beobachter sich in der unbefriedigenden Situation, daß er nur beobachtet, was die Beobachtung ihn beobachten läßt? Hat er nicht selbst der Vorstellung widersprochen, daß in der Außenwelt Tatbestände vorliegen, welche unabhängig vom Beobachtungsprozeß ein objektives Dasein besitzen?

Es läge also ein naturalistischer Fehlschluß vor, würden die philosophischen Wissenschaften nur auf naturwissenschaftlich-materialistischer Basis erklärt werden. Andererseits ist tatsächlich zu überlegen, ob nicht philosophische Fragen heutzutage unter Berücksichtigung der neurophysiologischen Basis noch interessanter würden, realistischer?. Von jeher will die Biologie, das erfassen, was ist, und geht es in der Philosophie um das, was es sein soll. Im Grunde ist dies die alte Differenz zwischen Körper und Geist.
Und vielleicht ist es so, wir müssen so tun als ob, es eine Realität gibt, aber gleichzeitig uns bewußt sein, daß wir diese nur konstruieren.

imke bösch

 
foto spezial

 




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diese augen...

Dieser Blick geht mitten ins Herz, nimmt den Betrachter gefangen: die Augen des jungen Mädchens, die vom Ausstellungsplakat herabstarren. Damit wirbt das Literaturhaus, das bis zum 5. September Photographien des renomierten US-Magazins "National Geographic" zeigt. Das Literaturhaus mausert sich so langsam und unauffällig - dies nur nebenbei bemerkt - zu einem Ausstellungszentrum für Photographie. Das zeugt von Konsequenz, stehen doch im Buchwesen Wort und Bild bzw. photographische Reproduktion gleichberechtigt Seit an Seit. Unter dem Motto "Große Legenden, große Momente, große Bilder" steht die Ausstellung. Seit 1888 erforscht die National Geographic Society den Planeten. Ihre Photographen scheuen weder Kosten noch Mühen, noch immer neuartig wirkende, extreme, hautnahe Aufnahmen zu liefern. Ab 27. September dürfen auch jene davon profitieren, die bisher zu faul waren, die unverzichtbaren Texte dazu zu lesen. Dann erscheint das Magazin nämlich erstmalig auf deutsch. Wem das egal ist, der kann nach wie vor die Bilder lesen. Und wenn es ein Bild derart in sich hat, wie das Ausstellungsplakat, dann liegt das vielleicht auch daran, daß hier an einen uralten Mythos der Kunst angeknüpft wurde: Es ist das Gorgonenhaupt, das, sah man ihm zu lange in die Augen, versteinert wirkte.
   

dieser typ...

Bei ihm sind es nicht nur die Augen, es ist der ganze Typ, der umwirft, betört, gleichermaßen Mutterinstinkte weckt und Mitleid aufgrund selbstverschuldeter Unschärfe. Weil er gleich so nahe kommen mußte! Sein Blick, einschmeichlerisch unterwürfig und doch trotzig-ernst, weicht nicht aus, fixiert Dich. Aber, wer ist er, und wo kann man ihn kennenlernen... Ist er überhaupt er, oder ist es Douglas Gordon, oder Kurt Cobain, oder Andy Wahrhol..., existiert er überhaupt, oder ist er nur so ein Produkt aus der schönen Welt der Bilder, ein Idol, das wir schon im Kindergarten heiraten wollten, von dem wir sicher waren, daß er nur auf uns warten würde? Ist das Photo nur eine Lüge, Ausgeburt unserer Vorstellungskraft? Gerade diese Polaroids sind so tückisch, weil sie so wie unmittelbar aus dem Leben gegriffen aussehen. Und, warum bitte ist dieser Typ eigentlich blond! Haben uns davor unsere Mütter nicht schon immer gewarnt? Und wir haben selbstbewußt-reflexiv geantwortet, ach was, das sei nur ein Klischee! Und am Ende hat er uns doch sitzengelassen!
   

die atombombe

Als "Atombombe im Misthaufen" wurde - zeitgenössisch - die Formation 'fotoform' im Nachkriegsdeutschland passend-unpassenderweise bezeichnet. Am 13.7.99 erhielten drei der Mitglieder, Toni Schneiders, Wolfgang Reisewitz und Siegfried Lauterwasser, den Kulturpreis der Deutschen Gesellschaft für Photographie. Die "zornigen jungen Männer" hatten sich 1949 zusammengeschlossen, aus ihrer Mitte erwuchs die Bewegung der 'subjektiven fotografie'. Auch Peter Keetmann (Preisträger schon seit 1961), sowie Hans Hajek-Halke und Karl Steinorth gehörten zu den stilbildenden Fotografen, die die Strömungen von vor dem Krieg wieder aufgriffen (Lásló Moholy-Nagy), weiterentwickelten und vollendeten. Toni Schneiders erhielt eine Einzelausstellung im Fotomuseum, die stellvertretend vorführt, worauf es der Gruppe ankam. Erscheinungsformen in Natur und Technik zu fokussieren, gegebenfalls in Nahaufnahmen aus der Umgebung herauszuschälen - dies stets parallel zu einer ausgiebigen journalistischen Tätigkeit in aller Welt.

    christine walter und milena greif
   


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