1 0 2      0 1 0 9 1 9 9 9

magazin



 

reihe: netz.kunst
kunst im netz - netz.kunst

teil 1 - von neuen und alten medien
teil 2 - netz.kunst, kunst im netz, web art und ein bisschen netzkunst
teil 3 - digging the net
teil 4 - internet-performance als netz.kunst
teil 5 - neues und altes. vom frühstückstisch auf die datenmüllkippe

artechock und netz.kunst

Das Artechock-Internetmagazin hat sich auf die Kunst in München spezialisiert. ‘Netz.kunst’ ist hingegen ortlos. Kunst im Netz ist virtuell und die Frage nach dem Ort der Bilder nicht primär von Interesse. Artechock setzt sich in den kommenden Wochen erstmals intensiver mit dem zeitgenössischen Phänomen ‘Netz.kunst’ auseinander. Mit der hier beginnenden Reihe wird sich den künstlerischen Auseinandersetzungen innerhalb eines Mediums genähert, dessen Charakter durch Globalität, Interaktivität und Geschwindigkeit geprägt ist. Doch nicht nur durch diese Reihe wird sich um eine Bestandsaufnahme der ‘Netz.kunst’ bemühen, sondern auch im nicht-virtuellen Raum soll dieses Thema diskutiert werden:

Am Sonntag, den 12. September 1999, 11 Uhr (Literaturhaus, Salvatorplatz 1, Saal) werden exemplarisch diverse‘Netz.kunst’-Projekte vorgestellt, um verschiedene Ansätze und Strategien im Rahmen einer offenen Diskussion zu besprechen. Das Podium wird mit den Fachleuten Marlena Corcoran (Netzkünstlerin und Theoretikerin), Oliver Frommel (Medienkünstler, System- und Netzwerkverwalter), Hans Dieter Huber (Künstler, Web-Pionier und Professor für Kunstgeschichte an der HGB Leipzig) und Verena Kuni (Kunstwissenschaftlerin) besetzt sein. Mit Angela Dorrer ([Netz-] Künstlerin) werde ich (Kunsthistoriker) durch das Programm führen.

Es mag eine Gesätzmäßigkeit sein, daß neu aufkommende künstlerische Ausdrucksmittel, die vormals avantgardistischen, durch ihr Auftreten nobilitieren. Erinnern wir uns an die etwa 130 Jahre, in denen die Fotografie, obwohl allgegenwärtig, in der Kunstszene bzw. -wissenschaft ein Schattendasein fristete.Erst der mediale Paukenschlag, der die Kunstwelt mit dem Video seit den 70er Jahren erschütterte, ermöglichte offenbar eine breite Akzeptanz der Fotografie. Ähnlich scheint es sich heute, vor dem Hintergrund einer neuen interaktiven und virtuellen Kunstproduktion, mit dem Video zu verhalten. Suchte das Künstlervideo einst die Nähe zum Massenmedium Fernsehen und provozierte durch die spröde Zurschaustellung der immateriellen Bilder, so ist das Video heute im Kunstbetrieb akzeptiert. Interessant dabei ist, daß die Ästhetik der Videos und ihre Präsentation ihrer Herkunft aus der Performance-Kunst, den Fluxus-Happenings, untreu geworden ist. Man denke beispielsweise an die Inszenierung der Videos von Bill Viola. Das Video spielt hier mit dem magischen Zauber, der von klassischen Meisterwerken ausgeht. Die großdimensionierte Präsentation evoziert die Aura des Gemäldes, seine Einzigartigkeit. Das Fernsehen, mit dem sich das Video wieder und wieder auseinandersetzte ohne jedoch sich selbst darin etablieren zu können, steht dagegen für die multiplizierbare, flüchtige und massenhaft rezipierbare Erscheinungsform. Die Versuchung liegt nahe, die übermäßige Ästhetisierung des Künstlervideos und seine breite Akzeptanz als Reaktion auf neue künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten zu bewerten. Die Visionen der Cyberwelten, die manipulierbaren digitalisierten Fotografien oder das nicht faßbare Internet verändern den Blick auf die klassischen Bildmedien. Andererseits hat die Geschichte gezeigt, daß neue aufkommende Bildmedien zuerst die älteren nachahmen, bevor sich im Lauf der Zeit eine eigene Erscheinungsform und damit eine spezifische Ästhetik herausbildet. Das WWW scheint sich aus diesem Blickwinkel noch in diesem Stadium zu befinden, in dem Text, Foto, Video, Tonband und Radio imitiert werden. Gleichzeitig läßt sich jedoch überdeutlich der Weg erkennen, den das Internet (bzw. das WWW) einschlägt. Dieser wird durch die kommerziellen Interessen derer geprägt, die sich aufgrund wirtschaftlicher Macht das Informations- und Kommunikationssystem Internet aneignen können. Dahinter stehen als die ‘Macher der Bilder’ keine Künstler oder Kunsttheoretiker, sondern Werbegrafiker und -psychologen. Daß die Kunstwissenschaft auf diese vermeintliche Entmachtung kaum reagiert, hat z.B. die Vortragsreihe am Kunsthistorischen Institut (.../magazin/be/vilane.htm) im vergangenen Jahr gezeigt; doch wie reagiert die Kunst? Diese Perspektive offenbart, daß „Netz.kunst“ vielleicht eine größere Bedeutung zukommen könnte, als auschließlich ein neues Medium des künstlerischen Ausdrucks zu sein. Was also ist „Netz.kunst“? Gibt es in der nächsten Ausgabe von Artechock eine Definition? (Fortsetzung folgt)





galerien und museen
in muenchen

berichte, kommentare,
stellungnahmen

meinungen,
thesen, aktionen

kulturinformation
im internet