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editorial

eine ausstellung?!

Eine Ausstellung findet derzeit in München statt, die abseits vom Kunstgeschehen und ohne Kunst zu zeigen, doch Fetische der Vergangenheit aufwendig inszeniert: Die Titanic-Ausstellung in einer Halle des alten Messegeländes präsentiert Relikte, die seit 1993 vom Meeresgrund mit aufwendigen Robotern hochgetaucht wurden. So spektakulär die Inszenierung, so enttäuschend die Exponate: Teller, Flaschen, kleinteiliger Schmuck, ein Waschbecken, ein Krug, eine Brille... Kein Schatz konnte gehoben werden.
Macht nichts, vielleicht entpuppt sich ja die Ausstellung als Goldgrube. Denn obwohl zahlreiche Sponsoren herangezogen wurden, u.a. Philips "es besser macht", könnte der stattliche Eintrittspreis von DM 25,- reich machen.
Von diesen Wermutstropfen abgesehen: Dort kann man einmal in München sehen, wie Ausstellungen aussehen, wenn ein reichliches Budget vorhanden ist.
eure redaktion

   

konstruktionen der identät

Über ein Jüdisches Museum in München – Gedanken aus Anlaß des Symposions

Alle wollen eines, aber keiner weiß genau, wofür - so ließe sich das Ergebnis des Symposions zusammenfassen, auf dem jetzt zwei Tage lang über das für München geplante Jüdische Museum diskutiert wurde, um dessen Aufgaben und Gestaltungsmöglichkeiten auszuloten.

Natürlich ist dieses Urteil ungerecht. Der städtische Kulturreferent Julian Nida-Rümelin zum Beispiel, weiß zumindest eines genau: "Ein jüdisches Museum wird eine aufklärerische Position beziehen müssen." Keine Sammlungstätigkeit will er, sondern Wechselausstellungen, aber trotzdem "ein eigenständiges Profil."
Und auch Michael Brenner, Professor für Jüdische Geschichte und Kultur in München will viel, nämlich alles Mögliche: "Nicht nur Stadtgeschichte ... neue Medien ... Identitätsstiftung für die Gemeinde ... Aufklärung für Nichtjuden über vergessene Kapitel jüdischer Geschichte, natürlich auch von außerhalb Münchens ... Anregungen ausländischer Museen mitberücksichtigen ... Informationen für jüdische und nichtjüdische Besucher" und so fort - Profillosigkeit und Verzicht auf Prioritäten kennzeichnete vieles, was an Plänen und Konzepten so zu hören war.

Dabei ist es durchaus verständlich, daß man bei dem sensiblen Thema zuallererst daran interessiert ist, wenigstens ein paar der vielen potentiellen Fettnäpfchen auszulassen. Und es spricht eher für die Stadt und den Kulturreferenten, daß hier eine Form von Demokratie inszeniert wird, die - im Gegensatz zu anderen Themenfeldern - einsame Entscheidungen scheut, und auf den "öffentlichen Diskurs" der Bürgergesellschaft sitzt.
Ein wenig mehr eigenständiges Profil hätte man sich trotzdem gewünscht. Denn auch Nida-Rümelin weiß, daß er sich als Mandatsträger nicht auf Dauer darauf beschränken kann, wie noch diesmal geschehen, die Debatte zu moderieren. Er sollte sie möglichst rasch selbst mitgestalten.

Zuallerst zu beantworten wäre die Frage, ob und warum man denn wirklich überhaupt ein Jüdisches Museum braucht. Hierbei geht es nicht um das von allen Seiten gewünschte neue jüdische Gemeindezentrum, das ebenfalls am brachliegenden Jakobsplatz geplant ist, und das in der Diskussion oft mit dem Museum vermischt wird. "Das Zentrum ist eine absolute Notwendigkeit", meinte etwa Michael Brenner, "ein Museum ist weniger essentiell." Fürwahr. Unbefriedigend beantwortet ist nach wie vor die Kernfrage des Themas: Wie verhindert man eine neue Ghettoisierung des Jüdischen? Denn formal geschieht genau das, indem jüdische Vergangenheit und Gegenwart mittels einem eigenständigen Museum aus der allgemeinen Gesellschafts- und Stadtgeschichte herausgelöst und an einen exklusiven Ort transferiert werden. Vielleicht wäre es besser, das Stadtmuseum mit entsprechend mehr Platz und Geld auszustatten, Planstellen mit entsprechender Arbeitsplatzbeschreibung einzurichten, und so einen Themenbereich angemessen zu repräsentieren – aber als integrierten Teil der Stadt München, nicht als ausgeklammerten Bereich.

Doch für München scheint die seit längerem geplante Einrichtung mittlerweile beschlossene Sache. Und vielleicht ist es tatsächlich der ehemaligen „Hauptstadt der Bewegung“ angemessenen, in herausragender Weise seiner jahrhundertelangen jüdischen Geschichte zu gedenken, der Verfolgung, Vertreibung und Ermordung von über 11.000 jüdischen Münchnern. "In naher Zukunft", so Julian Nida-Rümelin, soll es Wirklichkeit werden.
Trotz der zentralen Bedeutung, die die Nazi-Verbrechen naturgemäß für das künftige Museum haben werden, sollte man sich davor hüten, den Ort zum "Holocaust-Museum" umzufunktionieren. "Es ist sehr einfach, Vernichtetes in Form von Museen restituieren zu wollen" warnte auch Buchhändlerin Rachel Salamander vor dem „Entlastungsmoment“, das derartigen Orten wahrscheinlich unvermeidbar innewohnt.

So streifte die Debatte unversehens auch deutsche "Gedächtniskultur" im Allgemeinen. Daniel Krochmalnik, Professor für jüdische Philosophie in Heidelberg, begrüßte ausdrücklich Ort und Gestaltung des geplanten Berliner Holocaust-Mahnmals, "als Antithese zum Brandenburger Tor, dem Symbol des preußischen Machtstaates." Und er schloß: "Ein Staat, der sich das erlaubt, ist ein sicherer Staat auch für Juden."
Widerspruch erntete Krochmalnik als er jüdische Museen dann kurzerhand zur „Sache der Nichtjuden“ erklärte. Er schien sie vor allem als Konkurrenz der Synagoge wahrzunehmen. "Wir können nicht die Rolle der Aufklärer der Mehrheitsgesellschaft übernehmen." Schloß er. Wohl wahr. Doch so wenig sich das „Nichtjüdische“ auf eine Position reduzieren läßt, so wenig konnte auch Krochmalnik ein wie immer verstandenes jüdisches „wir“ für sich beanspruchen.

"Jede Form kollektiver Identität ist eine Konstruktion" schlüpfte Nida-Rümelin kurz in die Rolle des Philosophieprofessors und betonte die problematische "Tradition der Nationalgeschichten". Und auch Brenner oder Michael A. Meyer, Präsident des Leo- Baeck-Instituts, widersprachen allzu schnellen Antworten und leichtfertigen Vereinfachungen. Meyer wünschte sich hingegen das bewußte "Brechen von Stereotypen" und betonte die Doppelfunktion des Museums: "Für Christen Verständnishilfe, für Juden Identitätsstärkung." Für "Kultur, nicht Kultus" plädierte auch Brenner, und kritisierte zugleich Beispiele wie das Augsburger, die sich einseitig auf Darstellung des Religiösen beschränken.

So erreichte das Symposion bei aller Vielfalt ein Hauptziel: Es bot viel Stoff zum Nachdenken für den Kulturreferenten. Bereits am ersten Abend formulierte Michel Friedman, was ebensogut Fazit der Diskussion hätte werden können. Auf die Frage, ob man denn nun überhaupt Jüdische Museen brauche formulierte er nonchalant: "Schaden tun sie in der Regel nicht". Es liegt nun gerade an der Stadt, dafür zu sorgen, daß er Recht behält.

rüdiger suchsland



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