Norwegen 2016 · 95 min. · FSK: ab 6 Regie: Rune Denstad Langlo Drehbuch: Rune Denstad Langlo Kamera: Philip Øgaard Darsteller: Anders Baasmo Christiansen, Olivier Mukuta, Slimane Dazi, Henriette Steenstrup, Renate Reinsve u.a. |
![]() |
|
Komödiantische Untertöne mit Distanz |
Nach zahlreichen Dokumentationen und Spielfilmen, die sich inzwischen schon mit der Flüchtlingswelle auseinandersetzen, wählte Rune Denstad Langlo mit Welcome to Norway den Weg einer bissigen Komödie vor realistischem Hintergrund, um mit teils derbem, teils satirischem Humor Rassismus, falsch verstandenes Gutmenschentum, Bürokratie, Kalkül und Ignoranz bloßzulegen. Mag er mitunter zu simplen Lösungen greifen – etwa die rabiate Antwort auf örtliche Rassisten, erweisen sich doch manche der aufgeworfenen Fragestellungen als nicht von der Hand zu weisen. Langlos dritter Spielfilm (nach Nord und Chasing the Wind) greift zahlreiche reale Ereignisse auf, um sie zu einem Culture-Clash-Stoff zu verarbeiten. Nach Dreharbeiten in einem Flüchtlingsheim bereitete der norwegische Filmemacher das Projekt schon seit 2010 vor. Die Aktualität seiner Geschichte belegt, dass sich der Konflikt in letzter Zeit noch weiter zuspitzte.
In der Person des Opportunisten Primus, verkörpert von seinem Stammschauspieler Anders Basamo Christensen (Kon-Tiki), vereint sich sowohl jene dubiosen Unternehmer, die mit der Vermietung von Hotels an Asylanten zu Reichtum kamen, als auch der Fall eines fremdenfeindlichen Chefs, der sich allmählich mit einem eingewanderten Mitarbeiter anfreundete. Loser Primus kommt der Flüchtlingsansturm gerade recht, um sein Pleite gegangenes Hotel in der norwegischen Einöde zu sanieren. Doch wo schon Frau und Tochter auf permanentem Konfrontationskurs zu ihm gehen, kommen nun noch kulturelle, ethnische, religiöse und individuelle Konflikte mit den eigenwilligen Neuankömmlingen hinzu.
Natürlich macht der wenig ernst genommene Außenseiter, der seine schwindende Reputation ignoriert und sich stets in halbherzige Phrasen flüchtet, im Verlauf einen Reifeprozess durch. Da ebenfalls das restliche Personal eher ambivalent angelegt wurde, genügt es jedoch nicht, wenn nur eine Person nachgibt und sich nicht länger der notwendigen Kommunikation verschließt. Dass Langlo dem sorglosen, ausländerfeindlichen Unternehmer im Handlungsverlauf zunehmend Sympathien entgegenbringt, erkennt man schon allein an der Figur der engagierten Tochter Oda (Nini Bakke Kristiansen), die die Seite von der durchweg ablehnenden Mutter zum gestressten Vater wechselt. Kurzentschlossen nimmt sie eines der gleichaltrigen Mädchen bei sich auf. Dabei werden die Flüchtlinge keineswegs als Heilige gezeichnet. Ihr Sprachrohr Slimane ergeht sich in pausenloser Kritik, während die Mehrzahl nicht an kulturellen Angeboten, sondern an westlichen Statussymbolen wie Flachbildschirmen und Playstation-Konsolen interessiert ist. Im Verlauf gewinnt neben Slimane und Odas neuer Freundin Mona lediglich der norwegisch sprechende Abedi an Konturen, da sie mit teils tragischen Biografien ausgestattet wurden.
Langlo setzt das Tauziehen um sozialen Friede, Subventionen und Behördengenehmigungen, bei dem Primus selbst zum Seitensprung mit einer frustrierten Sozialarbeiterin bereit ist, recht flott in Szene. Man vermisst ein wenig seinen lakonischen Inszenierungsstil der ersten beiden Filme. Nur in wenigen Momenten nimmt die Kamera zur Unterstreichung des komödiantischen Untertons einen bewusst distanzierten Blick ein. Im Appell für Freundschaft und Mitmenschlichkeit, bei dem sich die verschiedenen Parteien schließlich zusammen raufen, unterschlägt die skandinavische Tragikomödie aber nicht die Widrigkeiten des Alltags. So erkennt Primus erst allmählich, dass etwa Sunniten und Schiiten räumlich getrennt werden müssen, obwohl sie der gleichen muslimischen Kultur entstammen. Dies erweist sich als weiteres realistisches Detail, da manche Differenzen in Unterkünften erst durch das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Glaubens- und Weltanschauungsrichtungen entfacht werden. Nicht immer finden Konflikte zu solch komödiantischen Lösungen wie in Welcome to Norway.