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Der Filmfreund rät

  20.07.2000
 
 
 
 

Bevor sich demnächst diverse Münchner Filmkunsttheater in die Sommerpause verabschieden, sollte man als CineastIn nochmal kräftig zulangen und etwas Vorrat bunkern an schönen Kinoerlebnissen. Was sich diese Woche wirklich anbietet, denn das Angebot ist reichlich.
Da wäre zunächst einmal THE END OF THE AFFAIR in der Lupe 2 (die sich mausert und den Film OmU zeigt!). Bisher mit Abstand der beste Film des Jahres (sagt unser Herr Willmann, und der weiß Bescheid), ein wirklich tiefgehendes, ungeheuer intensives Melodram um die Eifersucht auf einen Unsichtbaren Dritten (nämlich Gott), das an die Substanz geht und sich traut, ganz ohne hippe Ironie oder distanzierende Verbrämung die ganz großen Fragen nach Liebe und Gott zu stellen. Das mag nicht zeitgemäß für unsere Spaßkultur sein, aber es ist ganz, ganz großartig.

Und weil wir gerade bei Filmen sind, die zu gut sind für diese Welt: Endlich, endlich läuft (ein dreifaches "Hurra!" dem Werkstattkino) auch in München außerhalb des Filmfests Abel Ferraras NEW ROSE HOTEL. Gewiss nichts für Leute, die Dickens für die letztgültige Instanz halten in Sachen erzählerische Represäntation von Welt und vom Kino fordern, dass es immer noch funktioniert wie bürgerlicher Roman. Wer "logische" Story-Fortschreitung von Punkt A nach Punkt B sucht und "realistische" (har har!) Motivation und Psychologisierung von Charakteren darf dahim bleiben. NEW ROSE HOTEL (der, damit wir uns nicht falsch verstehen, durchaus eine sogenannte "Handlung" hat) geht andere Wege, um Sinn zu stiften, und die sind enger mit dem Medium selbst verknüpft: Repetition, Rekombination, Reflektion. Aber kommen Sie einfach, schauen Sie, erleben Sie diesen Trip und staunen Sie.

Da ist unser nächster Tip schon etwas Massen-kompatibler: Takeshi Kitano (alias "Beat" Takeshi) kennen wohl mittlerweile die meisten. Die Cineast sowieso schon länger, und denen müssen wir nur sagen: HANA-BI und KIKUJIROS SOMMER, im OmU, im Arena, und schon werden sie losflitzen. Die anderen kennen ihn vom Fernsehen aus "Takeshi's Castle" und dürften sich wundern, nicht nur DASS der Mann auch Filme dreht, sondern WAS für welche. Für diese Zielgruppe sollte der Einstieg über KIKUJIROS SOMMER leichter fallen, weil der viel Leichtigkeit hat, viel von der Verspieltheit und Kindlichkeit, die Takeshi auch in seinen Fernsehshows (von denen es in Japan unzählige gibt) an den Tag legt. In KIKUJIRO ist noch viel von Takeshis Wurzeln als Stand up-Komiker zu spüren - und einige seiner Mitstreiter aus diesem Teil seines Metiers mit im Ensemble. Und trotzdem ist's ein wunderschöner und auch wehmütiger Film - was prima vorbereitet auf die überlebensgroße, hammerharte Tragik von HANA-BI (dem besten Film von 1998, sagt Herr Willmann).

Und schwupp, schon ist wieder eine Überleitung geglückt, denn wir greifen einfach das Stichwort Tragik auf und sind schon bei Josef Schmidt. Der war Tenor und reichlich klein gewachsen, was erstmal dazu führte, dass seine Karriere vorbei schien, bevor sie begann, denn kein Opernhaus wollte ihn engagieren. Dann kam die Rettung per Radio: Da zählten nur stimmliche Qualitäten und nicht der Körperbau, und so wurde Schmidt doch noch zum Star. Es folgten Filmrollen und sogar Opernengagements - was alles ein jähes Ende nahm, als die Nazis mit ihrem Arier-Terror aufmarschierten. Der jüdische Schmidt musste fliehen, begab sich auf den Weg von einem Exil zum nächsten - und starb, verarmt und obdachlos, 1938 in Zürich in einem Internierungslager. Wenn man seine Geschichte kennt, bekommen seine Filme einen bitteren Beigeschmack und eben eine tiefere Dimension der Tragik. So oder so aber sollte man sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, den sympathischen Tenor einmal auf der Leinwand zu erleben, in durchaus schönen Semi-Operetten-Filmen mit wunderbaren Liedern der 30er ("Heut' ist der schönste Tag in meinem Leben", "Es wird im Leben Dir mehr genommen als gegeben") und sogar (in HEUT' IST DER SCHÖNSTE TAG IN MEINEM LEBEN) einer gehörigen Portion Selbstreflexivität in punkto technischer Reproduktion von Körpern und Stimmen. Ein würdiger Abschluss der Reihe deutschsprachiger Emigrantenfilme im Filmmuseum.

Würdiger Abschluss? Da kann es doch für unsere wöchentlichen Empfehlungen nur einen geben. Und der bleibt klassisch - auch wenn unser Herr Herrmann (der da Bescheid weiß) sagt, dass Damenfußball eigentlich ein ganz anderes Spiel wäre als Herrenfußball und so. Aber sind wir ehrlich: Das, was von unseren Männlein zuletzt bei der EM zu sehen war, war ja nun wirklich auch kein Fußball mehr. Da sind die Weiblein bestimmt noch näher dran. Deswegen: Schreiten Sie zur Tat, Herr Oehmann!
"Samstags Fußball, Sonntag Lindenstraße."
Danke.

Viel Spaß dabei wünscht Ihnen

Die Artechock-Redaktion

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