Japan 1997 · 103 min. · FSK: ab 16 Regie: Takeshi Kitano Drehbuch: Takeshi Kitano Kamera: Hideo Yamamoto Darsteller: Beat Takeshi, Kayoko Kishimoto, Ren Osugi, Tetsu Watanabe u.a. |
Machen wir’s kurz:
Leute, geht in Hana-Bi!
Da das aber zugegebenermaßen sehr kurz war, kommt jetzt bestimmt die Frage: Warum sollten wir?
»Weil der seinen Goldenen Löwen beim Filmfest von Venedig 1997 als bester Film völlig zurecht bekommen hat,« könnt ich jetzt sagen, oder »Weil das der neue Film von Takeshi Kitano ist«.
Aber ich seh' schon: Das eine interessiert keinen, und beim anderen fragen jetzt alle »Wer, bitteschön, ist Takeshi
Kitano«.
Also, ganz von vorn. Takeshi Kitano kennen bei uns leider nur die Besucher von Festivals und Werkstattkino; die haben bereits seine Filme wie Violent Cop, Boiling point oder Sonatine genossen oder ihn als Schauspieler beispielsweise in Gonin bewundert – weshalb sie jetzt auch aufhören zu lesen und direkt (nicht über LOS, keine 2000,- Mark einziehen) ins Kino gehen dürfen.
In Japan kennt ihn hingegen so gut wie jeder. Dort hat er als Stand-up Comedian klein angefangen (aus dieser Zeit stammt auch sein Spitznamen »Beat« Takeshi, den er immer noch für alle Auftritte vor der Kamera benutzt) und sich inzwischen zu einer wahren Medien-Ikone hochgeschuftet. Er ist praktisch
täglich in allen möglichen Sendungen des japanischen Fernsehens zu sehen, moderiert Radioshows, schreibt Bücher – und dreht Filme (wo er meist nicht nur Buch, Regie und Hauptrolle übernimmt, sondern auch gleich noch für den Schnitt verantwortlich ist).
Zugegeben, das klingt beeindruckend, wäre aber immer noch kein Grund, sich Hana-Bi anzuschauen, wenn Takeshi Kitano nicht bei aller kreativer Aktivität auch noch verdammt GUTE Filme machen würde –
und Hana-Bi ist darunter einer der besten.
»Hana-Bi« ist – wer hät’s gedacht – Japanisch und heißt »Feuerwerk«, was sich aber im Original aus den Wörtern für »Blume« (Hana) und »Feuer« (erraten: Bi) zusammensetzt. Und die beschreiben programmatisch die beiden Pole des Films.
Die Welt des knallharten Polizisten Yoshitaka Nishi (Beat Takeshi) ist die des Feuers: Gewalt bestimmt den Rhythmus seines Lebens, ist alltäglich und allgegenwärtig; er registriert – und verübt – sie, ohne mit der Wimper
zu zucken.
Aber er muß erfahren, daß seine Frau Miyuki (Kayoko Kishimoto) unheilbar krank ist und nur noch wenige Wochen zu leben hat; und Nishis Kollege und Freund Horibe (Ren Osugi) landet nach einer Schußverletzung gelähmt im Rollstuhl.
Damit beginnt für Nishi die verzweifelte Suche nach der Welt der Blumen: jener idyllischen Welt, die Horibe in einer endlosen Serie von naiv-fantasievollen Zeichnungen und Gemälden beschwört. (Bilder, die Takeshi Kitano eigens für den Film
selbst geschaffen hat.)
Nishi braucht Geld, um Miyuki und Horibe ein paar schöne Tage bescheren zu können. Das Geld findet er nur in der Welt, die ihm vertraut ist: er schmeißt seinen Job hin, läßt sich mit der Yakuza ein, verübt einen Banküberfall. Er bekommt sein Geld. Aber der Preis wird sein, daß ihn das Feuer unentrinnbar verfolgt.
Takeshi Kitanos Inszenierungsstil ist ebenso lakonisch, rein und reduziert wie Beat Takeshis Spiel. Mit der resignierten Gelassenheit eines Verdammten läßt er den wortkargen Nishi unaufhaltsam seinem Schicksal entgegengehen; sein Gesicht gezeichnet von dem unlängst nur knapp überlebten Motorradunfall und einer halbseitigen Nervenlähmung, die Trauer und Zärtlichkeit in dem stahlharten Blick tiefer denn je. Nishi schweigt, Nishi zeigt keine Emotionen – aber nicht,
weil er keine hat, sondern weil was er fühlt nicht sagbar ist, zu groß um ausgesprochen zu werden.
Die extremen, extrem stilisierten Gewaltbilder, Genre-Formeln, plötzlich hereinbrechend, kalt, stehen neben den einfühlsamen Momenten zwischen Nishi und seiner Frau, in denen dieser Mann, der keine Sekunde zögert einen Menschen umzubringen, mit einemmal ganz unbeholfen wird – angesichts des nahenden Todes, angesichts seiner Liebe.
Es ist die Kargheit und Stille, die dem Film seine ungeheure Größe und Kraft gibt. Hana-Bi kennt kein Pathos, Hana-Bi hat keine Antworten. Er glaubt nicht an Menschlichkeit in einer unmenschlichen Welt – aber er hofft auf sie.
Noch einmal:
Leute, geht in Hana-Bi!
Weil Ihr dann endlich wieder wißt, wie gnadenlos schön Kino sein kann.