Ab 2. August 2001 bevölkern nun schon zum dritten Mal die
Dinosaurier aus dem JURASSIC
PARK unsere Leinwände. Ihnen entgegen stellt sich erneut ein
Mann mit Safarihut, der selbst im Angesicht von haushohen
Fleischfressern die Nerven behält und immer noch Zeit für ein
kluges Wort oder ein teuflisches Lächeln hat: Dr. Alan Grant,
gespielt von Sam Neill. Bereits jetzt kann (und sollte) man
sich die australische Komödie THE
DISH ansehen, denn hier begegnet man dem Pfeife rauchenden
Astrologen Cliff Buxton, der mit unerschütterlichem Gleichmut und
stoischer Freundlichkeit die Probleme eines Teleskops in der
australischen Einöde löst; dargestellt ebenfalls von Sam Neill.
Es ist schon erstaunlich, wie relativ unbekannt Sam Neill immer
noch ist und das, obwohl viele seiner Filmauftritte entweder
finanziell und künstlerisch enorm erfolgreich waren. Sicherlich ist
er kein total Unbekannter aber von 20 Mio. Gagen wie Tom Hanks oder
einem Kultstatus wie de Niro ist er weit entfernt. Um so
erstaunlicher ist dies, da er keiner der ewigen Nebendarsteller wie
etwa Ian Holm oder John Hurt ist, sondern fast immer eine der
Hauptrollen einnimmt.
Vielleicht liegt es ja daran, dass er nicht ausschließlich in
Amerika arbeitet, sondern oft an Projekten in seinen verschiedenen
Heimatländern arbeitet. 1947 in Irland geboren, wuchs er in
Neuseeland auf, ging dann nach Australien, schließlich nach England
und lebt zeitweise auch in den USA. Ihm ist damit beinahe die
gesamten englischsprachigen Welt vertraut, was man seinem
vielfältigen Rollenrepertoire positiv anmerkt.
So verschieden seine Rollen zwischen OMEN III und DER PFERDEFLÜSTERER auch
gewesen sind, so zeichnen sich doch zwei Konstanten ab: Sam Neill
ist kein Mann der großen Gefühlsausbrüche. Panik, Hysterie,
Entsetzen, Euphorie, Raserei zeigen sich bei ihm nur sehr
unterschwellig, selten durch starke körperliche Aktivität. Das gibt
ihm in Extremsituationen oft etwas Somnambules, leicht Abwesendes
(sowohl als betrogener Ehemann in DAS PIANO, als auch in der
Alptraumwelt von IN THE MOUTH OF MADNESS oder als verzweifelnd
kämpfender Ehemann in TODESSTILLE), qualifiziert ihn aber auch für
undurchsichtige Figuren wie Agenten (CHILDREN OF THE REVOLUTION,
JAGD AUF EINEN UNSICHTBAREN) oder den exzentrischen Künstler in
VERFÜHRUNG DER SIRENEN.
Zum anderen scheint Sam Neill zu Höherem berufen zu sein. Seine
seriöse und ernsthafte Ausstrahlung beschert ihm immer wieder
Rollen als Wissenschaftler (JURASSIC PARK, THE DISH, EVENT HORIZON), militärischer
Würdenträger (JAGD AUF ROTER OKTOBER, TODESSTILLE) oder Adeligem
vom Lord Hoffman in der 1997er Version von SCHNEEWITTCHEN bis hin
zum König Charles II in RESTORATION. Nicht zu vergessen, dass er in
OMEN III den Leibhaftigen verkörpert hat.
Erstaunlich bleibt auch die kunterbunte Auswahl seiner Rollen.
Anspruchsvolle Kunstfilme wie BIS ANS ENDE DER WELT oder DAS PIANO
stehen neben Hollywood Großproduktionen wie JURASSIC PARK oder der
200-JAHRE MANN, Horrorfilme
wie EVENT HORIZON neben "großem Gefühlskino" wie DER
PFERDEFLÜSTERER, kindergerechte Literaturverfilmungen wie DAS
DSCHUNGELBUCH (1994) neben makaberen Komödien wie GESELLSCHAFT FÜR
MRS. DIMARCO oder RACHE IST SÜSS.
Um vielleicht zu verstehen, was Sam Neill zu einer solchen
Vielfalt antreibt, sollte man sich Peter Jacksons kaum bekannte
Mockumentary FORGOTTEN SILVER ansehen. In dieser aberwitzigen
Neuinterpretation der Filmgeschichte spielt sich Sam Neill selbst
und gibt in gestellten Interviewszenen Auskunft zum Thema Film.
Seine Beteiligung an diesem Film und die sichtliche Freude die er
dabei hat, zeugt von einer großen Leidenschaft für diese Kunst.
Doch wie in seinen Rollen auch, äußert sich das bei Sam Neill als
eine stille Besessenheit.
Jemand der so filmverliebt ist, schreckt natürlich auch vor
Spielbergs Dinosauriern nicht zurück.
Michael
Haberlander
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