Arbeit, Mahlzeit, Freizeit |
||
Den Hebel in der Versuchsanordnung mit dem Menschen umlegen: Ein neues Produkt von Harun Farocki |
Von Dunja Bialas
Film-Welt-Wirtschaft. Unter diesem Dreiklang versammelt das Filmmuseum München aktuelle filmische Ansichten zu den modernen deutschen Arbeitswelten, und, da die Gegenwart nicht ohne die Kenntnis der Vergangenheit zu verstehen ist, hat das Filmmuseum auch Filmperlen herausgesucht, die vom Beginn der heutigen Arbeitswelten zeugen. Der Vergleich kann dabei höchst spannend sein, und lässt womöglich eine Ahnung an die Zukunft zu: Wie der Benjaminsche Engel fliegen wir mit dem Rücken und dem Blick auf die Vergangenheit der Zukunft entgegen.
Claus Strigel ist ein Münchner Dokumentarfilmer, der sich in all seinen Filmen immer um das soziale Miteinander interessiert hat. Sein neuester Film Unter Menschen, in dem es um eine Art Affenliebe zwischen Menschen geht, erlebt demnächst auf der Berlinale seine Aufführung. Jetzt ist bei der »Filmweltwirtschaft« sein letzter Dokumentarfilm, FREIgestellt, zu sehen, in dem Strigel der Zynik der modernen Arbeitswelt nachgeht. Alles ist im Überfluss vorhanden, nur die Arbeit scheint unserer Gesellschaft auszugehen – entgegen der Jubelbotschaften aus den entsprechenden Agenturen (Stichwort: bereinigte Statistik). Was tun, wenn die alten Tagebauten stillgelegt werden, wenn die Fabriken in Industriedenkmäler umgewandelt werden, wenn die alte Arbeit musealisiert wird? Man schafft sich einfach einen einzigen großen Freizeitpark, übt das Arbeiten ohne Arbeit und Freeclimbing auf den alten Maschinen. (Do., 24.01., 19:00 Uhr. Zu Gast: Claus Strigel und Vertreter der Initiative Grundeinkommen)
Eine durch und durch analytische Annäherung an die seltsame Spezie »Manager« unternahm Harun Farocki bereits Ende der 1980er Jahre. Vermutlich war dies die Zeit – noch lange vor der New Economy – als die ersten Botschaften an eine neue Sprechweise (Kontrolle von Körpersprache, Mimik und Gestik im Auftrag der Ertragssteigerung) in die BR-Wirtschaften hineinschwappten. Ein Viertel Jahrhundert später wendet sich Farocki erneut der Unternehmeretage zu. In seinem Film Ein neues Produkt dokumentiert er ein Brainstorm-Meeting. Dessen Ziel: die Arbieter sollen scheller, klüger, effektiver agieren. (Double Feature Die Schulung (1987) / Ein neues Produkt (2012) am Fr. 25.1., 18:30 Uhr)
Wenn ein Film im Untertitel heißt: »Zur Senkung der Arbeitsmoral«, dann ist die vergnügliche Satire quasi schon vorprogrammiert. In Frohes Schaffen jongliert Konstantin Faigle munter mit Dokumentar- und Spielszenen, um eine fiktive Arbeitswelt möglich realistisch erscheinen zu lassen: In der »Akademie für Müßiggang« haben die Angestellten dies möglichst gut zu tun. (Fr. 25.1., 21:00 Uhr)
Bettina Timm und Alexander Riedel sind das Dream-Team unter den Münchner Filmemachern. Nicht nur arbeiten sie auf wunderbare Art und Weise zusammen (mal hält der eine die Kamera, mal wirkt die andere beim Drehbuchschreiben mit, und produziert wird sowieso meist gemeinschaftlich), auch sind ihre Filme immer Zeugnisse eines Blickwinkels, den beide wichtig nehmen, mit hintergründigen Recherchen. Riedel, der bekannt wurde durch seine ganz genau hinblickenden Dokumentarfilme Nachtschicht und Draußen bleiben, hat 2010 einen ersten Spielfilm realisiert, Morgen das Leben. Menschen um die 40 wollen sich auf das Glatteis einer neuen Existenz wagen, ihr Leben noch einmal neu beginnen. Auch in seinem Spielfilm, dem lange Recherchen im »richtigen Leben« vorausgingen, sieht Riedel präzise hin, bisweilen seziert er die Lebensanordnungen mit einer Scharfsichtigkeit, die an Ulrich Seidel hinanreicht. (Sa. 26.01., 21:00 Uhr. Zu Gast: Alexander Riedel)
Bettina Timm hat sich dagegen der Jugend angenommen. Sie schaut in Ich Koch Koch-Anwärtern in den Topf und aufs Maul und sammelt die unterschiedlichen Motivationen, den harten Gastro-Job zu erlernen. Immer ist bei Timm auch der Akt des Filmens in den sorgfältigen Bildern und Gesprächen spürbar: in ihrem Film kann man, wenn man genau hinsieht, dem Dokumentarfilmer beim Arbeiten zusehen. (Sa. 26.01., 18:30 Uhr. Zu Gast: Betinna Timm)
Und so hält der Dreiklang, was er verspricht. Klar geht es bei der FilmWeltWirtschaft nie allein um die Filmwirtschaft, aber implizit schwingt auch diese Thematik bei allen Produktionen mit. Claus Strigels Filme sind nur selten zu sehen und gehen im Filmgeschäft leicht unter, Harun Farocki wurde in die Museen verabschiedet, wo er sich eine neue künstlerische Existenz erarbeitet, Bettina Timm und Alexander Riedel sind Ausnahmegestalten unter den Jungregisseuren, die in einer gelungenen Mischung aus Auftragsarbeiten und freien Arbeiten versuchen, ihren ganz eigenen Weg zu gehen. All dies wird bei den Diskussionen zu erfahren sein.
FilmWeltWirtschaft. 24.-27.1.2013 im Filmmuseum München, St.-Jakobs-Platz 1, Karten zu 4/3 Euro, Vorbestellungen unter 089 / 233 96450. Eine Reihe des Filmmuseum München. Mehr Informationen und das vollständige Programm gibt es hier.