Künstlerkino |
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KINO DER KUNST zeigt auch eine Installation von Julian Rosefeldt, im Maximiliansforum, tgl. 11-19 Uhr |
Von Dunja Bialas
»Wer als Kunsthistoriker ernst genommen werden will, kann kaum darauf verzichten, einen Text mit einem einleitenden Zitat eines Künstlers zu beginnen.« – Philipp Ursprung
Es gibt ein neues Event in München: KINO DER KUNST. Weniger ein Film-Festival ist es mehr eine Kunstbiennale, die sich der Kölner Kunsthistoriker Heinz Peter Schwerfel im Schulterschluss mit der hiesigen Kunstsammlerin Ingvild Goetz ausgedacht hat. Das Zielpublikum sind Kunstinteressierte, Museums- und Galerienbesucher, Documenta-Fahrer. Für sie zeigt KINO DER KUNST auf der Kinoleinwand Filme, die von bildenden Künstlern gemacht wurden. »Weltweit einmalig« sei diese Veranstaltung, so Schwerfel. Ausgewählt wurden für die erste Edition Filme – früher sagte man vielleicht eher Videokunst (ein Begriff, der, fixiert auf das verschwundene Trägermedium »Video«, schon länger umstritten ist) – unter zwei Gesichtspunkten, wie Schwerfel erläutert. Zum einen sei man interessiert gewesen, Filme von bildenden Künstlern zu finden, die »neue Formen der Narration erkunden« und die »das Kino weiterdenken«. Zum anderen sei es wichtig gewesen, Filme zu finden, die einer mehrere Quadratmeter füllenden Projektion mit entsprechendem Sound-System standhalten.
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»Nach den Schriftstellern, Theaterautoren und Filmregisseuren sind auch die bildenden Künstler unter die Story-Teller gegangen.« – Heinz Peter Schwerfel
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Ausgewählt wurden von einem Kuratorium unter dem Vorstand der zur Zeit in München recht präsenten Sammlerin Goetz (im Haus der Kunst bespielt sie seit zwei Jahren den ehemaligen Luftschutzbunker), 57 Filme, die im internationalen Wettbewerb um hochdotierte Preise konkurrieren. Da gibt es den mit 10.000 Euro ausgelobten »Hauptpreis Kino der Kunst«, gestiftet von der Sammlung Goetz, und den Nachwuchspreis für Künstler unter 35 Jahren, ebenfalls hochpreisig mit 10.000 Euro ausgestattet, gestiftet von BMW, die sich erst im März als Sponsor von der Berlinale verabschiedet haben.
Wer das Preisgeld mit nach Hause nehmen darf, bestimmt die prominent besetzte vierköpfige Jury. Die Kunstszene-Stars Cindy Sherman (Office Killer, 1997) und Isaac Julien (Young Soul Rebels, 1991, Derek, 2008, alle Filme zu sehen bei KINO DER KUNST) besetzen die Jury, dazu kommt Defne Ayas, die als Leiterin des »Witte de With«-Museums in Rotterdam vom Kuratieren Ahnung hat; die französische Film-Schauspielerin Amira Casar (u.a. Anatomie de l’enfer, 2003, Malen oder Lieben, 2005) sitzt der Jury vor. Dann gibt es neben einem Publikumspreis (5000 Euro) noch den Preis für das filmische Gesamtwerk über 10.000 Euro, gestiftet von Louis Vuitton (der, Zufall oder nicht, zu Beginn von KINO DER KUNST eine Laden-Dépendence in München eröffnet).
Schwerfel konnte große Namen versammeln, die ihm sicherlich als Türöffner gedient haben, um ein Budget für die erste Edition seiner Biennale zu erhalten, für das altgediente Filmfestivals in München sich erst jahrelang beweisen mussten. Ministerialdirektor Toni Schmid und FDP-Wissenschaftsminister Heubisch haben sich KINO DER KUNST von erster Stunde an als »nachhaltiges Projekt« zur Chefsache gemacht, Frau Goetz die nötigen Kontakte hergestellt, um KINO DER KUNST in München anzusiedeln. Alles in allem ergab sich bei der Kollekte im Gang durch die Institutionen ein Budget von sagenhaften 300.000 Euro, verwaltet von der Filmproduktionsfirma Eikon Süd.
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»Der Niedergang des Kinos kann streng genommen ästhetisch gar nicht begriffen werden, sondern nur ökonomisch und gesellschaftlich.« – Lars Henrik Gass
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Dass KINO DER KUNST bereits im ersten Jahr so gut aufgestellt ist, ist mit zweierlei Grundwahrheiten zu erklären. Erstens: Geld und Geld gesellt sich gern. Erfolgreiche bildende Künstler erzielen auf dem Kunstmarkt Höchstpreise, ihre Käufer haben das notwendige Kleingeld, um sie zu Ihresgleichen zu machen. Das mag vielleicht nur bedingt für die Künstler von KINO DER KUNST zutreffen, die Zuschauer-Klientel, die angesprochen wird, aber wird aus demselben Pool generiert. Zweitens: Künstlernamen beinhalten mehr Glamour als Crowdfunding-Filmregisseure oder gar Dokumentarfilmer, das Prekariat unter den visuellen Gestaltern, mit oftmals betroffen machenden Themen. So kommt ein Sponsor nach dem anderen ins Boot: Die Sammlung Goetz adelt Heinz Peter Schwerfel, die Bundeskulturstiftung den Bayerischen Staatshaushalt, BMW adelt ARRI, und obendrauf, auf den im Bayerischen Hof gepackten Koffern, sitzt Louis Vuitton.
Dass neuerdings auch mit Filmen mehr als nur Ruhm und Ehre zu verdienen ist, zeigt das Beispiel des britischen Künstler Steve McQueen, der sich sich mit Shame und Hunger einen Namen als Filmregisseur gemacht hat, gleichermaßen anerkannt von Kunst- wie Filmkritikern. Auch KINO DER KUNST wagt den Weg vom Museum ins Kino. Zu diesem Weg »Vom Kino ins Museum – und zurück« gab es diesen Januar eine von KINO DER KUNST veranstaltete Podiumsdiskussion mit Regisseur Dominik Graf, Andreas Horwath, dem Leiter des Österreichischen Filmmuseums und Lars Henrik Gass, Leiter der Kurzfilmtage Oberhausen, der ein kluges Buch zum Verhältnis von Kino und Kunst geschrieben hat (die Diskussion ist jetzt nachzulesen in der Publikation, die begleitend zu KINO DER KUNST erscheint). Hier ging es u.a. darum, weshalb namhafte Regisseure vom Dark Room des Kinos in den White Cube der Kunst abwandern, wie z.B. Harun Farocki. Unausgesprochen blieb dabei, dass ihnen im Kino das Publikum schlichtweg weggebrochen ist, und sie nun der Weg nach einer neuen Existenzgrundlage in den installativen Kontext der Museen führt.
Die Spielorte von KINO DER KUNST für die Filme der Künstler sind dagegen bewusst der Kinosaal. In der HFF München, die seit letztem Jahr durch die unmittelbare Nachbarschaft zu den Pinakotheken eine Aufwertung als Kulturstätte in »Isar-Athen« (Heubisch) erfuhr, und im ARRI-Kino, dessen GmbH einen zusätzlichen Pitching-Award von Sachpreisen in Höhe von 10.000 Euro stiftet, werden die Wettbewerbsfilme gescreent. Dabei bleibt offen, ob die Grenzüberwanderung vom Museum ins Kino gelingt, ob auch die freiheitsliebenden Museumsbesucher, die sich ungern an Anfangszeiten und Sitzplatzpflicht halten, dem Ortswechsel folgen werden.
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»Nicht was, sondern wie erzählt wird, ist Thema der Kunst.« – Heinz Peter Schwerfel
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Das Programm von KINO DER KUNST zumindest muss man sich erst erarbeiten – oder auch nicht. Auf dem Flyer genügen der Biennale der auf einen Buchstaben abgekürzte Vorname plus Nachname des Künstlers, dazu Werkstitel, Produktionsland und –jahr, und die sekundengenaue Längenangabe des jeweiligen Films, was typisch ist für den Kunstkontext. Dazu kommt eine thematische Überschreibung der Programme (»Hollywood im Kunstmuseum«, »Im nassen Element« oder »Dokumentarisch?«). »Von vorneherein ausgeschlossen« würde sie sich bei einer so spärlichen Informationsvergabe fühlen, sagte mir eine Bekannte. Also, ein elitäres und exklusiv-exkludierendes Unternehmen? Nicht ungebeding. Man sollte verstehen, dass KINO DER KUNST nicht auf Inhalte setzt, an denen sich Kinobesucher meist orientieren, sondern auf das Ereignis an sich, über dreißig internationale Künstler nach München zu holen. Nicht was erzählt wird, sondern wer erzählt, nämlich bildende Künstler, ist das wichtige bei KINO DER KUNST, so könnte man das Zitat von Schwerfel weiterführen. Anwesend zu den jeweiligen Vorstellungen werden u.a. Christoph Girardet und Matthias Müller sein (in der Filmszene als experimentelle Filmemacher bekannt), Matze Görig, den man schon von der ehemaligen Münchner Galerie La Traversée kennt, oder Jochen Kuhn, der einen animierten Kurzfilm über ein fantasiertes Date mit Angela Merkel gedreht hat (Sonntag 3, Gewinner der Kurzfilmfestivals Tampere).
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»Kunst ist eigentlich eine Ausrede, um einen Dialog anzufangen.« – Hans Ulrich Obrist
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Somit stehen neben den Filmen der dialogische Austausch mit den Künstlern und Künstlergespräche im Zentrum des Programms. Sie finden zu den Vorstellungen und zusätzlich täglich um 18:00 Uhr in der Schaustelle statt, der Ausweichslokalität für die Pinakothek der Moderne (Gespräche finden hier u.a. statt mit Isaac Julien, der eine Retrospektive seiner filmischen Arbeiten zeigt, mit Documenta-Künstler Omer Fast und Louis-Vuitton-Preisträger Wael Shawky, der über seine Marionettentheaterfilme sprechen wird). Dabei soll durchaus mitgedacht sein, dass das Künstlergespräch nicht erst seit Andy Warhol und Marcel Duchamp eine spezielle Form der künstlerischen Praxis darstellt.
Begleitend zum Besuch von KINO DER KUNST empfiehlt sich die Lektüre folgender Publikationen, denen auch die Zitate entnommen sind:
Vom KINO DER KUNST-Kurator Hans Ulrich Obrist (Hg.): Das Interview. Formen und Foren des Künstlergesprächs. Fundus Bd. 206, 20 Euro
Vom Podiumsteilnehmer Lars Henrik Gass: Film und Kunst nach dem Kino. FUNDUS Bd. 216, 10 Euro
Vom künstlerischen Leiter Heinz Peter Schwerfel (Hg.), Kino der Kunst, Verlag der Buchhandlung Walther König, 15 Euro