Kämpfe um Ehre und Wahrheit |
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Atemberaubender Kampf in Slow Motion – Wong Kar-wai führt die Martial Arts zu ästhetischen Höhenflügen: The Grandmaster |
Von Dunja Bialas
Ein anspruchsvoller Gegenentwurf zum durchkommerzialisierten Asia-Filmfest, das im Herbst im Mathäser Multiplex abgehalten wird, sind die neu ins Leben gerufenen China Filmtage, die noch bis zum 16.06. im Kino Monopol Premiere haben. Das Team aus Studenten und Dozenten des Instituts für Sinologie der LMU München zeigen sieben Meisterwerke zum umfassenden Genre der chinesischen »Martial Arts«. Dabei stellen sie grundsätzliche Fragen: Welche Traditionen haben die Martial-Arts-Filme? Sind sie Trash oder Kult (was sich keineswegs ausschließt) oder gehören sie zu einer tief in der Kulturgeschichte verankerten Tradition, die sich ihren Weg auf die Kinoleinwand gebannt hat?
Um die historische Perspektive zu verfolgen, wurden Filme aus den 1970er Jahren und zeitgenössische Filme ausgewählt, darunter auch The Grandmaster, das neueste Werk von Großmeister Wong Kar-wai, das als Vorpremiere gezeigt wird (So., 16.06., 20:45 Uhr). Alle Filme wenden sich selbst der Historie zu, oftmals in epischem Ausmaß. So eröffnete am gestrigen Mittwoch King Hus A Touch of Zen von 1971, ein dreistündiger Kampf um Ehre und Wahrheit zur Zeit der Ming-Dynastie, die fast dreihundert Jahre bis tief in das 17. Jahrhundert andauerte und einem rebellischen Aufstand gegen die Mongolenherrschaft folgte.
Weiter geht es mit der Qing-Dynastie, die wiederum fast dreihundert Jahre, bis Anfang des 20. Jahrhunderts hielt. In The 36th Chamber of Shaolin, 1978 auf dem Höhepunkt der ersten Martial-Arts-Welle entstanden, rebelliert ein begnadeter Kung-Fu-Kämpfer gegen die als kolonial empfundene Herrschaft der Mandschus, die die Ming-Dynastie beerbt hatte. Die durch 35 Kloster-Kammern durchdeklinierte Kampfkunst des Kung Fu trug gleichermaßen für die Popularität des Genres als auch des Kampfsports bei (Do., 13.06., 20:45 Uhr).
Weiter in die Vergangenheit zurück geht die bei der Filmkritik umstrittene Hochglanzbilderorgie Hero von Zhang Yimou aus dem Jahr 2002. Inszeniert wird die Zeit der Streitenden Reiche im 5. bis 3. Jahrhundert vor Christus. Die atemberaubende Maggie Cheung ist eine von drei Attentätern, die durch unfairen Kampf bezwungen wurden. Es beginnt ein virtuos choreographierter und in Farben und Bildeinstellungen auf ästhetischen Höhenflug gebrachter Kampf, was vor allem der Feier der östlichen Konzentration dient. Die heldenhafte Vorgeschichte Chinas erscheint in Hero als ehrenhafter Sehnsuchtshorizont, mit einer ihm inhärenten Schönheit des Erhabenen. (Sa., 15.06., 20:45 Uhr)
Das Martial-Arts-Genre, das macht die Auswahl der China Filmtage deutlich, siedelt sich zwischen zwei gleichermaßen populären Polen an: Da ist die schwelgende Überbietungsästhetik von Hero oder The Grandmaster, mit der das Genre im Arthouse-Mainstream ankam und nicht nur starke weibliche Heldenfiguren auf die Leinwand schickte, sondern zum ersten Mal auch eine starke weibliche Anhängerschaft finden konnte. Auf der anderen Seite begegnet man der mit Sportlichkeit ausgeführten Hau-drauf-Mentalität von Bruce Lee & Co., die sich mit dem teils pseudo-philosophischem Anspruch der Kampfkunst verbindet und für das oftmals trashige Image, aber auch für den Kult um das Genre gesorgt hat (Fist of Fury, Fr., 14.06., 20:45 Uhr, The Way of the Dragon, Fr., 14.06., 22:45 Uhr, beide mit Bruce Lee, und Kung Fu Hustle, Sa., 15.06., 22:45 Uhr). Wer sich dem Genre nicht nur über die Filme nähern möchte, dem sei zusätzlich ein Vortrag in der LMU empfohlen, der die Bewegungschoreographien unter Raum-Zeit-Perspektive betrachtet (Fr., 14.06., 16:00 Uhr, Vortrag »Ästhetische RaumZeiten oder die Symbiose von Kino und Martial Arts« von Stefan Kramer, Geschwister-Scholl-Platz, Raum D 209).
China Filmtage – 12. bis 16. Juni 2013, Monopol, Schleißheimer Str. 127., München.