Das Festival der Kino-Macher |
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Gibt’s hier ein Eis? Ein Schnäppchen aus Paris Hiltons Kleiderschrank? Oder doch einen Diamanten? The Bling Ring von Sofia Coppola |
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(Foto: Tobis Film GmbH) |
Von Dunja Bialas
Ein Sommermärchen, das sich seit 60 Jahren immer wieder im August wiederholt: Die Arthouse-Kinos der Stadt tun sich zusammen und gestalten ein gemeinsames Sommerfilmfest mit den Perlen des bisherigen Kinojahrs, pünktlich zum Beginn der Sommerferien. Was 1953 als Initiative von Fritz Falter begann (damals Betreiber des Isabella-Kino, außerdem Begründer der »Gilde der Filmkunsttheater«) und wie aus einer Notwendigkeit entstand – im Sommerloch gab es vor 60 Jahren nur wenige Filmstarts – hat sich bis heute als wichtige Institution für München gehalten. Denn obwohl die Deutschen heute – im Gegensatz zu den 50er Jahren – den bezahlten Urlaub oftmals als eigentlichen Zweck ihrer Berufstätigkeit erachten, bleiben viele, gerade im schönen August, wenn die Sonne nicht mehr so heiß ist, die Schwimmbäder nicht mehr so voll und die Stadt angenehm träge wird, gerne daheim.
Sie haben jetzt Zeit, ihrem Lieblingskino einen entspannten Besuch abzustatten (Anregungen dazu gibt auch unsere Reihe »Kinoporträts«) und im Arena, Atelier, Isabella, Rottmann, Rio, Monopol und im Filmeck Gräfelfing ihre Lieblingsfilme noch einmal zu sehen, oder, wie es im Alltag leider so oft der Fall ist, all die Filme endlich zu sehen, die man unbedingt sehen wollte, aber dann keine Zeit dazu hatte. Oder aber sie wappnen sich für den nächsten Alltagsstress, und gucken schon mal als Preview Filme der kommenden Saison.
Thomas Wilhelm vom Rottmann-Kino outet sich dieses Jahr als glühender Verehrer Quentin Tarantinos und zeigt eine Best-of-Auswahl seiner Filme: Reservoir Dogs, Pulp Fiction und Inglourious Basterds können noch mal auf der großen Leinwand erlebt werden (ja, es gibt einen Unterschied zum Flatscreen-TV!), zusammen mit dem aktuellen Django Unchained.
Ryan Gosling (Drive, The Place Beyond the Pines, Only God Forgives) ist der Schauspieler aus den Filmen mit dem meisten Gesprächspotential der letzten Monate, nein Jahre – und deshalb »neuer Held« von Monopol- und Arena-Betreibern Christian Pfeil und Markus Eisele. Zu sehen sind auch zwei wichtige Filme aus der Zeit, bevor er allgemein bekannt wurde: Blue Valentine (2010) und Lars und die Frauen (2007). Außerdem zeigen sie die »Lieblinge der Saison«. Mit dabei sind auch die Artechock-Lieblinge Oh Boy, Der Geschmack von Rost und Knochen des französischen Meisterregisseurs Jacques Audiard (Ein Prophet) und Oscar-Gewinner Haneke mit Liebe. Für alle, die diese Meilensteine des zeitgenössischen Kinos noch nicht kennen: unbedingt anschauen.
Louis Anschütz lädt in sein Isabella-Kino zum weitgefassten Crossmedia-Programm. Er zeigt Filme, die Theater, Malerei, Tanz, Literatur auf die Kinoleinwand bringen. Seine Auswahl ist bestechend. Da ist Faust in der Gründgens-Inszenierung aus dem Jahre 1960 sehen, Gefängnisinsassen proben in Cäsar muss sterben das Theaterstück »Julius Cäsar« im Hochsicherheitstrakt eines römischen Gefängnisses (die Taviani-Brüder erhielten für ihr Doku-Drama 2012 den Goldenen Bären). Über die Qualen und Freuden im Ballett kann man in dem neuen Film First Postion – Tanz ist ihr Leben erfahren, Flamenco, Flamenco (1995) bringt die Bilder von Carlos Sauro noch mal zum Tanzen und Die roten Schuhe (1948) zeigen, wohin einen der Tanzwahn bringen kann – in diabolische Abgründe. Den Klassiker von Michael Powell und Emeric Pressburger sollte man keinesfalls verpassen, wenn man sich mit dem Gedanke trägt, die Tochter im Herbst zum Ballett anzumelden. Die besondere Artechock-Empfehlung gilt dem letzten Film von François Ozon In ihrem Haus, in dem ein Jüngling seinen Deutschlehrer mit einem perfiden Fortsetzungsaufsatz um den Verstand bringt. Schon mal eine Stoffsammlung fürs nächste Schuljahr anlegen…?
Seit es das Atlantis nicht mehr gibt, ist für uns das Atelier ins Zentrum gerückt, wenn wir Filme in OmU sehen wollen. Und dies ist das Großartige der Filmkunstwochen: Auch in den anderen Kinos sind zum Festival der Kinobetreiber die meisten Filme im Original mit Untertiteln, wenn nicht sogar in der Originalfassung zu sehen. Ein deutliches Statement für die Cinephilie und – das unterstellen wir jetzt einfach mal – eine zwischen den Zeilen hervorgebrachte Kritik gegen das Alltagsgeschäft, die gemeinhin als schwerer »verkäufliche« Version zu spielen. Das Atelier bewirbt sich daher für die Jubiläumsausgabe um ein neues Kriterium: das der Previews. Vorab können hier schon mal gesehen werden: Sofia Coppolas in Cannes gefeierter The Bling Ring, der überaus entzückende, dabei schön ekelige Feuchtgebiete, eine Verfilmung von Charlotte Roches Bestseller, der der Vorlage locker den Rang abläuft. Außerdem in Preview: Bottled Life – Nestlés Geschäft mit dem Wasser und Kuma, eine Geschichte über anatolische Migranten in Wien.
Elisabeth Kuonen-Reich ist in ihrem Rio Filmpalast Premieren und Gäste gewohnt. Zu den Filmkunstwochen gönnt sie sich ein persönliches Special und empfängt einen der bewegtesten deutschen Dokumentarfilm-Regisseure: Wolf Gaudlitz ist zu Gast zur Vorführung seiner Doku-Dramen Palermo flüstert und Táxi Lisboa und bringt uns, wo wir schon nicht wegfahren können, Geschichten aus dem Süden mit.
Werner Scholz vom Filmeck Gräfelfing bereist die jüngere Filmgeschichte. Bei ihm kann man noch mal Der Himmel über Berlin poetisch finden, Niki de Saint Phalle bei ihrem Schieß-Bildern bewundern, und in Das weiße Band zusammen mit den Kindern vor der protestantischen Erziehung erzittern. Außerdem kann man hier den neu restaurierten Klassiker Zur Sache, Schätzchen mit Uschi Glas sehen – aber Vorsicht, das Format hat sich gewandelt seit 1967. In der neuen Fassung ergießt sich der Film anstatt im alten 4:3 im neuen 16:9-Format über die Leinwand. Raider heißt jetzt Twix? Blau ist das neue Schwarz? – Doch dies ist eine eigene Diskussion wert, zu einem anderen Zeitpunkt. Jetzt wollen wir einfach nur den Kinosommer genießen und das gute, alte Kino-Eiskonfekt. Wir wünschen allen Artechock-Lesern einen schönen Sommer!
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61. Münchner Filmkunstwochen – 1. bis 21. August 2013. Mehr Informationen zum umfassenden Programm gibt es unter www.filmkunstwochen-muenchen.de