17.07.2014

Sexy-Griesgram-Besse­rungs-Cultur-Clash-Komödien

Cultural Clash Komödien
Typisch raue Schale in: Chinese zum Mitnehmen

Von Michael Haberlander

Weil die Kritik im Film­dienst gar so eupho­risch war, habe ich mir auf arte den Spielfilm Chinese zum Mitnehmen ange­schaut, er hat mir verhält­nis­mäßig gut gefallen. Dass ich ihn mir überhaupt ange­schaut habe und dass er mir auch noch weit­ge­hend gefiel, ist doppelt erstaun­lich, da der Film drei Aspekte vereint, die ich im Kino wenig bis gar nicht mag, es sind dies:
a) Culture-Clash-Komödien
b) die angeb­liche Anzie­hungs­kraft alter Gries­grame
c) die „Besserung“ von Menschen durch eine „naive“ Person
Alle drei Aspekte haben neben ihrer negativen Wirkung auf mich gemeinsam, dass sie inter­na­tional durch­gängig zu finden sind und ich ihren Ursprung nicht fest­ma­chen kann.

Culture-Clash-Komödien bauen auf der (mir zu) einfachen Prämisse auf, einen Menschen in eine fremde Kultur zu verpflanzen und zu beob­achten, welche inter­kul­tu­rellen Miss­ver­s­tänd­nisse und Pein­lich­keiten daraus entstehen. Übli­cher­weise sind solche Filme mit Klischees der aufein­an­der­tref­fenden Kulturen beladen, ich finde das nur sehr selten witzig. Wikipedia klärt mich darüber auf, dass der Begriff Culture-Clash-Komödie ein Schein­an­gli­zismus ist, im Engli­schen würde für diese Art von Film der Begriff der „fish out of water comedy“ verwendet, das scheint mir nach kurzer Recherche im Internet nur teilweise richtig, da die englische Bezeich­nung wohl viel weit­rei­chender ist und alle Komödien umfasst, in denen sich Menschen plötzlich in unge­wohnten Umständen (z.B. als das andere Geschlecht, in der Zeit gereist, den Körper getauscht) wieder­finden. So weit geht meine Abneigung nun nicht, mich lang­weilen tatsäch­lich nur die Filme, in denen ein Mensch mit ihm fremden Ländern, Regionen, (Sub)Kulturen oder Gesell­schafts­schichten konfron­tiert wird.

Wann und wo dieses Genre erfunden wurde, kann ich beim besten Willen nicht ergründen, ich vermute aber dass die Engländer damit zu tun haben, denn dort trifft man besonders häufig darauf. Viel­leicht hat es was mit der Zeit des British Empires zu tun, als elegant steife Engländer über die ganze Welt verteilt wurden und dabei einen (lustigen?) Kontrast zu den kolo­nia­li­sierten Kulturen abgaben.
Mögli­cher­weise hat die Culture-Clash-Komödie auch viel tief­lie­gen­dere Wurzeln, denn das Amüsieren und Mokieren über andere Völker und Kulturen ist so alt wie die Mensch­heit, die „Lächer­lich­keit“ einer anderen Kultur lässt sich besonders leicht am Beispiel eines unbe­darften Besuchers darstellen. Ich will nicht ausschließen, dass es (ohne mein Wissen) schon humo­ris­ti­sche Schil­de­rungen römischer Dichter gibt, die von den haar­sträu­benden Erfah­rungen eines römischen Bürgers bei den Germanen handeln, ob ich das lustiger finden würde als die einschlägigen Filme (Muster­bei­spiel: My Big Fat Greek Wedding) sei einmal dahin­ge­stellt.

Ähnlich inter­na­tional, ähnlich unklar in seinem Ursprung und für mich ähnlich nervend ist das Motiv des alten, mäßig ansehn­li­chen Gries­grams, dem sich eine junge bzw. jüngere, charmante, meist attrak­tive Frau aufdrängt. Dieses Motiv ist nicht nur der Komödie vorbe­halten, findet dort aber bevorzugt Anwendung, worin sein Reiz liegt verstehe ich nicht, vor allem deshalb, weil es hier nicht um das Klischee der jungen Frau, die sich einen alten, wohl­ha­benden, souver­änen Mann sucht, geht.
Die Männer, die hier begehrt werden, sind tenden­ziell übel­launig, verschlossen, finan­ziell wenig erfolg­reich, sozial schwach entwi­ckelt und trotzdem fühlen sich einzelne freund­liche, selbst­be­wusste und gutaus­se­hende Frauen geradezu magisch von ihnen angezogen und lassen sich in ihrer Zuneigung auch von mehr­fa­cher ruppiger Ablehnung und sonder­barem Verhalten nicht abbringen.

Dass gries­grä­mige Stoffel insgeheim von solchen Konstel­la­tionen träumen ist mir klar (denn es ist nichts anderes wie die weniger primitive und explizite Form einer Porno­hand­lung), warum sie aber vor allem in anspruchs­vollen Filmen immer wieder Anwendung finden und praktisch nie als blanker Unsinn kriti­siert werden, erschließt sich mir nicht. Wann und wo dieses Motiv erfunden wurde weiß ich nicht, ich vermute aber, dass es ein alter, gries­grä­miger Autor war.

Das mit Abstand weit­rei­chendste Sub-Genre, welches in Chinese zum Mitnehmen bemüht wurde, ist aber die „Besserung“ von Menschen durch eine „naive“ Person. Dieses Sujet kennt diverse Unter­arten, wobei es zwei (glei­cher­maßen berech­tigte) Syste­ma­tiken zur Unter­tei­lung gibt; entweder unter­scheidet man danach, wer die zu bessernde Person ist oder danach, wer die Besserung auslöst. Besserung auslösen können allen voran Kinder und Behin­derte, aber auch Hilflose, (mehr oder minder patho­lo­gisch) Verrückte und sonstige unkon­ven­tio­nelle, „einfache“, „naive“ Menschen. Gebessert werden u.a. verspannte Frauen (siehe hierzu meine Kritik zu Mein liebster Alptraum, in der es insgesamt um das hier verhan­delte Thema geht), Workaho­lics, moderne Großs­tädter, Verbre­cher und natürlich Gries­grame, Zyniker und Misan­thropen jeder Couleur.

Dieses ewig gleiche Schema, vom unzu­frie­denen, unfreund­li­chen, unfähigen Menschen, der sich unver­hofft mit einer naiven, „unschul­digen“ Person beschäf­tigen muss und dadurch wieder die Schönheit und die Freude des Lebens erkennt, übt eine nie versie­gende Faszi­na­tion auf die meisten Zuschauer aus, warum dem so ist, weiß ich nicht. Steckt dahinter der latente Wunsch der Zuschauer glei­cher­maßen aus belas­tenden Lebens­um­s­tänden heraus­ge­holt zu werden? Also geht es um den Traum eines „einfachen“, alter­na­tiven Lebens? Oder geht es um den ebenfalls latenten Wunsch, alle „bösen“ und störenden Menschen in freund­liche Mitbürger verwan­deln zu können?

So oder so erschließt sich mir diese Faszi­na­tion nicht, ich spüre nicht den Reiz, der in diesen Geschichten zu liegen scheint, mich nervt es vielmehr, vor allem wohl deshalb, weil ich der Grund­an­nahme eines besseren weil „einfachen“ Lebens zutiefst misstraue. Oft verstehe ich schon gar nicht, was es an den Lebens­ent­würfen der angeblich Besse­rungs­be­dürf­tigen auszu­setzen gibt und warum alle Menschen ihr Glück in einer gleich­ma­che­ri­schen Friede-Freude-Eier­ku­chen-Welt finden sollen. Gerne würde ich einmal einen Film mit umge­kehrter Prämisse sehen, in der ein alter Griesgram einen freund­lich naiven Menschen von den Vorzügen einer pessi­mis­tisch-miss­trau­isch-komplexen Lebens­füh­rung überzeugt.

Was mich an allen drei aufge­führten Aspekten glei­cher­maßen stört, ist die drama­tur­gi­sche Bruta­lität, mit der die abwegigen Szenarien in der Regel herbei­ge­führt werden. Mir ist schon klar, dass im Kino nicht immer alles logisch ist, aber mit welch absurden Begrün­dungen hier die unaus­weich­liche Konfron­ta­tion inkom­pa­ti­bler Menschen betrieben wird, über­steigt übli­cher­weise das von mir tole­rierte Maß.
Viel­leicht liegt gerade hier die Erklärung für die allge­meine Faszi­na­tion und meine persön­liche Ablehnung dieser Szenarien. Während es mich stört, dass mir eine absolut unwahr­schein­liche Konstel­la­tion als wahr und möglich hinge­stellt wird, erfüllt es bei vielen anderen Menschen das Bedürfnis nach solchen Geschichten, die im Alltag eben so gut wie nie zu erleben sind.
Mögli­cher­weise würde mir die Konfron­ta­tion mit einem Kind oder mit einem Behin­derten oder einem unan­ge­passten Spinner helfen, meine sonder­baren Ansichten zu über­winden.