Sexy-Griesgram-Besserungs-Cultur-Clash-Komödien |
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Typisch raue Schale in: Chinese zum Mitnehmen |
Weil die Kritik im Filmdienst gar so euphorisch war, habe ich mir auf arte den Spielfilm Chinese zum Mitnehmen angeschaut, er hat mir verhältnismäßig gut gefallen. Dass ich ihn mir überhaupt angeschaut habe und dass er mir auch noch weitgehend gefiel, ist doppelt erstaunlich, da der Film drei Aspekte vereint, die ich im Kino wenig bis gar nicht mag, es sind dies:
a)
Culture-Clash-Komödien
b) die angebliche Anziehungskraft alter Griesgrame
c) die „Besserung“ von Menschen durch eine „naive“ Person
Alle drei Aspekte haben neben ihrer negativen Wirkung auf mich gemeinsam, dass sie international durchgängig zu finden sind und ich ihren Ursprung nicht festmachen kann.
Culture-Clash-Komödien bauen auf der (mir zu) einfachen Prämisse auf, einen Menschen in eine fremde Kultur zu verpflanzen und zu beobachten, welche interkulturellen Missverständnisse und Peinlichkeiten daraus entstehen. Üblicherweise sind solche Filme mit Klischees der aufeinandertreffenden Kulturen beladen, ich finde das nur sehr selten witzig. Wikipedia klärt mich darüber auf, dass der Begriff Culture-Clash-Komödie ein Scheinanglizismus ist, im Englischen würde für diese Art von Film der Begriff der „fish out of water comedy“ verwendet, das scheint mir nach kurzer Recherche im Internet nur teilweise richtig, da die englische Bezeichnung wohl viel weitreichender ist und alle Komödien umfasst, in denen sich Menschen plötzlich in ungewohnten Umständen (z.B. als das andere Geschlecht, in der Zeit gereist, den Körper getauscht) wiederfinden. So weit geht meine Abneigung nun nicht, mich langweilen tatsächlich nur die Filme, in denen ein Mensch mit ihm fremden Ländern, Regionen, (Sub)Kulturen oder Gesellschaftsschichten konfrontiert wird.
Wann und wo dieses Genre erfunden wurde, kann ich beim besten Willen nicht ergründen, ich vermute aber dass die Engländer damit zu tun haben, denn dort trifft man besonders häufig darauf. Vielleicht hat es was mit der Zeit des British Empires zu tun, als elegant steife Engländer über die ganze Welt verteilt wurden und dabei einen (lustigen?) Kontrast zu den kolonialisierten Kulturen abgaben.
Möglicherweise hat die Culture-Clash-Komödie auch viel tiefliegendere Wurzeln, denn das
Amüsieren und Mokieren über andere Völker und Kulturen ist so alt wie die Menschheit, die „Lächerlichkeit“ einer anderen Kultur lässt sich besonders leicht am Beispiel eines unbedarften Besuchers darstellen. Ich will nicht ausschließen, dass es (ohne mein Wissen) schon humoristische Schilderungen römischer Dichter gibt, die von den haarsträubenden Erfahrungen eines römischen Bürgers bei den Germanen handeln, ob ich das lustiger finden würde als die einschlägigen Filme
(Musterbeispiel: My Big Fat Greek Wedding) sei einmal dahingestellt.
Ähnlich international, ähnlich unklar in seinem Ursprung und für mich ähnlich nervend ist das Motiv des alten, mäßig ansehnlichen Griesgrams, dem sich eine junge bzw. jüngere, charmante, meist attraktive Frau aufdrängt. Dieses Motiv ist nicht nur der Komödie vorbehalten, findet dort aber bevorzugt Anwendung, worin sein Reiz liegt verstehe ich nicht, vor allem deshalb, weil es hier nicht um das Klischee der jungen Frau, die sich einen alten, wohlhabenden, souveränen Mann sucht,
geht.
Die Männer, die hier begehrt werden, sind tendenziell übellaunig, verschlossen, finanziell wenig erfolgreich, sozial schwach entwickelt und trotzdem fühlen sich einzelne freundliche, selbstbewusste und gutaussehende Frauen geradezu magisch von ihnen angezogen und lassen sich in ihrer Zuneigung auch von mehrfacher ruppiger Ablehnung und sonderbarem Verhalten nicht abbringen.
Dass griesgrämige Stoffel insgeheim von solchen Konstellationen träumen ist mir klar (denn es ist nichts anderes wie die weniger primitive und explizite Form einer Pornohandlung), warum sie aber vor allem in anspruchsvollen Filmen immer wieder Anwendung finden und praktisch nie als blanker Unsinn kritisiert werden, erschließt sich mir nicht. Wann und wo dieses Motiv erfunden wurde weiß ich nicht, ich vermute aber, dass es ein alter, griesgrämiger Autor war.
Das mit Abstand weitreichendste Sub-Genre, welches in Chinese zum Mitnehmen bemüht wurde, ist aber die „Besserung“ von Menschen durch eine „naive“ Person. Dieses Sujet kennt diverse Unterarten, wobei es zwei (gleichermaßen berechtigte) Systematiken zur Unterteilung gibt; entweder unterscheidet man danach, wer die zu bessernde Person ist oder danach, wer die Besserung auslöst. Besserung auslösen können allen voran Kinder und Behinderte, aber auch Hilflose, (mehr oder minder pathologisch) Verrückte und sonstige unkonventionelle, „einfache“, „naive“ Menschen. Gebessert werden u.a. verspannte Frauen (siehe hierzu meine Kritik zu Mein liebster Alptraum, in der es insgesamt um das hier verhandelte Thema geht), Workaholics, moderne Großstädter, Verbrecher und natürlich Griesgrame, Zyniker und Misanthropen jeder Couleur.
Dieses ewig gleiche Schema, vom unzufriedenen, unfreundlichen, unfähigen Menschen, der sich unverhofft mit einer naiven, „unschuldigen“ Person beschäftigen muss und dadurch wieder die Schönheit und die Freude des Lebens erkennt, übt eine nie versiegende Faszination auf die meisten Zuschauer aus, warum dem so ist, weiß ich nicht. Steckt dahinter der latente Wunsch der Zuschauer gleichermaßen aus belastenden Lebensumständen herausgeholt zu werden? Also geht es um den Traum eines „einfachen“, alternativen Lebens? Oder geht es um den ebenfalls latenten Wunsch, alle „bösen“ und störenden Menschen in freundliche Mitbürger verwandeln zu können?
So oder so erschließt sich mir diese Faszination nicht, ich spüre nicht den Reiz, der in diesen Geschichten zu liegen scheint, mich nervt es vielmehr, vor allem wohl deshalb, weil ich der Grundannahme eines besseren weil „einfachen“ Lebens zutiefst misstraue. Oft verstehe ich schon gar nicht, was es an den Lebensentwürfen der angeblich Besserungsbedürftigen auszusetzen gibt und warum alle Menschen ihr Glück in einer gleichmacherischen Friede-Freude-Eierkuchen-Welt finden sollen. Gerne würde ich einmal einen Film mit umgekehrter Prämisse sehen, in der ein alter Griesgram einen freundlich naiven Menschen von den Vorzügen einer pessimistisch-misstrauisch-komplexen Lebensführung überzeugt.
Was mich an allen drei aufgeführten Aspekten gleichermaßen stört, ist die dramaturgische Brutalität, mit der die abwegigen Szenarien in der Regel herbeigeführt werden. Mir ist schon klar, dass im Kino nicht immer alles logisch ist, aber mit welch absurden Begründungen hier die unausweichliche Konfrontation inkompatibler Menschen betrieben wird, übersteigt üblicherweise das von mir tolerierte Maß.
Vielleicht liegt gerade hier die Erklärung für die allgemeine
Faszination und meine persönliche Ablehnung dieser Szenarien. Während es mich stört, dass mir eine absolut unwahrscheinliche Konstellation als wahr und möglich hingestellt wird, erfüllt es bei vielen anderen Menschen das Bedürfnis nach solchen Geschichten, die im Alltag eben so gut wie nie zu erleben sind.
Möglicherweise würde mir die Konfrontation mit einem Kind oder mit einem Behinderten oder einem unangepassten Spinner helfen, meine sonderbaren Ansichten zu
überwinden.