»Ich bin eine Frau mit Vergangenheit. Mit Vergangenheit in bewegter Zeit...« |
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Erfolgreichster deutscher Film aller Zeiten: Zarah Leander in Die große Liebe |
Sie war weder die »Reichswasserleiche« noch die »Reichsgletscherspalte«. Der Witz des sogenannten »Volksmunds« im Dritten Reich ist keineswegs so einfach »subversiv« wie man das seit den Fünfzigern gern gehabt hätte, Und diese beiden Bezeichnungen für Kristina Söderbaum und Leni Riefenstahl sind ja auch nicht nur sarkastisch, zeigen ja nicht nur Distanzierung von der mörderisch-diktatorischen Macht, sondern in der Phantasie ihrer Bildkraft auch kaum unterdrückte Gewalt. Zugleich aber liegt in diesen Namensgebungen die Gewissheit, dass Söderbaum und Riefenstahl, wie dumm oder gerissen sie auch sein mochten, in jedem Fall dazu gehörten. Zarah Leander gehörte nicht dazu. Nicht so jedenfalls.
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Aber anders eben schon. Vielleicht war sie eine »Durchhalte-Diva« wie Dieter Bartezko sie in der FAZ genannt hat, vielleicht doch eher die Reichs-Femme-Fatale. Ihre Fremdheit verband sie aber auch wieder mit dem Volk, für das sie sang und spielte, deren Unterbewusstsein sie fraglos berührte. Es war ein Deal auf Gegenseitigkeit: Ihre schwedische Nationalität erlaubte der Leander Rollen zu spielen, die keine Deutsche spielte, gab ihr Sicherheit und Freiheit. Zugleich schenkte sie
dem deutschen Kino Internationalität, dem Spießerpublikum Überschreitung, wenn auch ungefährliche. Sie war die, die nicht in Hollywood war, sondern in Babelsberg, die zweite deutsche Garbo.
Einen guten Anlass, sich mal wieder mit Zarah Leander, die so oder so wie manche wichtige Figuren des deutschen Kinos zu Unrecht vergessen ist, zu beschäftigen bot jetzt ein ARD-Film, der noch eine Weile im Netz nachgeholt werden kann: Die Akte Zarah Leander lief am
vergangenen Montag im Ersten. Darin wird die Geschichte der Schwedin, rekapituliert, mit viel Wohlwollen, viel Mythos und ein wenig Kolportage, viel hellen und einigen grauen Tönen, während man sich als Zuschauer die richtig schwarzen Seiten eher selber erarbeiten muss – es aber auch kann, denn der Film breitet das Material ausführlich genug aus.
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Eine Opportunistin wie viele, die in Schweden Antinazilieder sang, in Moskau Kommunistisches, und in Berlin eben, was die dortigen neuen Herren gern hörten. Für die es mit dem Hollywood-Vertrag nach missglücktem Casting nicht geklappt hat. Vielleicht genügt es schon, sie zu hören mit ihrer dunklen Stimme, den männlichen Untertönen ihrer Auftritte, um sich an Visconti, an Wertmüller und an Vincente Minellis Vier Reiter der Apokalypse zu erinnern und noch einmal über den Zusammenhang von Faschismus und Homoerotik nachzudenken.
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Es gibt insgesamt zu viel Gnade hier: So darf Leanders Edel-Fan, der inzwischen 78-jährige Paul Seiler, der inzwischen nicht weniger als fünf Bücher über das Objekt seiner Leidenschaft in renommierten Verlagen veröffentlicht hat, einmal mehr seine anekdotischen Lobeshymnen verbreiten. Kein Historiker kommt zu Wort und für (gedämpft) Kritisches bleibt allein Georg Seeßlen zuständig. Dafür fehlt dann alles über Wirkung und Funktion der Filme, darüber wie ein Werk wie Die große Liebe von 1942, den man auf YouTube komplett gucken kann, und in dem die Leander vor schunkelnden SS- und Wehrmachtsuniformierten ihren mindestens im aktuellen Zusammenhang doppelbödigen Durchhalte-Schlager »Davon geht die Welt nicht unter« singt, zum erfolgreichsten deutschen Film aller Zeiten werden konnte.
Vor allem aber darf sie im Film unglaubliche Sätze sagen, wie den: »Der
Goebbels war hochinteressant. Und was er sonst gemacht hat, ist nicht meine Sache.« Völlig unkommentiert, weil man wohl glaubt, das spräche für sich selber.
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Es gibt also eine Tendenz in diesem Film bei Zarah Leander Gnade vor Analyse ergehen zu lassen. Offenbar hat sie nach Ansicht der Autoren derartige Schutzmechanismen nötig. Aber wie in Zarah Leanders Liedern, wo die eigentliche Aussage zwischen den Zeilen liegt, kommt es auch hier zu einem typischen Double-Bind-Effekt: Hinter dem Gesagten wird das eigentlich Gemeinte um so sichtbarer.
Und es wird sehr deutlich, dass die Leander Dinge verkörperte, die essentiell faschistisch
waren, dass sie ans Unterbewusste der Täter rührte, Männer wie Frauen, und augenwinkernd an ihr Verständnis appellierte, ein Verstehen ohne Worte jenseits de Liedtexte. So wie auch Hitler seine größten Wahrheiten augenzwinkernd und zwischen den Zeilen seiner Reden unters deutsche Volk brachte. So wie Hitler in unserer Politik steckt, bis heute, und dort allenfalls irgendwann einmal ausgetrieben werden kann, wenn man den Sachverhalt, dass da ein Problem existiert, zugibt, so steckt
Zarah Leander auch im deutschen Kino.