Expeditionen fernab der Strömung |
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Kimmo Koskelas Soundbreaker |
Von Natascha Gerold
Krimis und Jazz aus Schweden und Norwegen, Kultserien aus Dänemark, ein „cooles“ Finnland als Ehrengast bei der diesjährigen Frankfurter Buchmesse mit vielen ausgefallenen Live-Acts sind nur einige der populären skandinavischen Kulturexporte. Und im Film? Düstere Familiengemälde, aufwendige Dramen, cineastische Experimente, die sich einem Manifest ver- und Filmgeschiche geschrieben haben, schwarze aberwitzige Komödien – das alles kam in den vergangenen Jahrzehnten aus Skandinavien und hat uns erfolgreich in die heimischen Kinos geholt.
Einen aktuellen Überblick über das filmische Schaffen im hohen Norden geben die Nordischen Filmtage, die die Mediengruppe München in Zusammenarbeit mit dem Münchner Kulturreferat vom 26. September bis 2. Oktober in den Museum Lichtspielen veranstalten. Festivals wie diese dienen nicht nur dazu, den Bekanntheitsgrad der Filme aus den jeweiligen Regionen zu erhöhen. Sie verschaffen den Werken, beispielsweise Künstlerporträts, den Zugang zu einem Publikum jenseits der (heimischen) Fangemeinde des Protagonisten im Fokus. Ganz sicher ist dies der Fall bei dem finnischen Hyper-Akkordeonisten Kimmo Pohjonen, den Kimmo Koskela in Soundbreaker (Fr., 26.09. 19 Uhr) porträtiert. Koskela, dessen Hingabe an unterschiedliche Kunstformen sich unter anderem in seinen Tanzfilmen und Installationen widerspiegelt, zeigt den Tastenvirtuosen in Räumen und an Schauplätzen, die so ungewöhnlich, roh und einzigartig scheinen wie dessen Spiel.
Pohjonen ist ein Grenzgänger, ein Abenteurer, der wissen will, was möglich ist. Diese unbezwingbare Energie bringt ihn in die geistige Nähe des norwegischen Ethnologen Thor Heyerdahl (1914-2002), der im Mittelpunkt von zwei Filmen der Nordischen Filmtage steht: Während Heyerdahls Dokumentarfilm Kon-Tiki (Di., 30.09. 19 Uhr) von 1947 den Zuschauer die 8000 Kilometer lange Odyssee von Peru nach Polynesien im nach Indianertechnik zusammengebauten Balsafloß miterleben lässt, beschreibt der gleichnamige Spielfilm Kon-Tiki (Mi., 01.10. 18.45 Uhr) von Joachim Renning und Espen Sandberg die Hintergründe des Wagnisses, das die fünfköpfige Crew um Heyerdahl auf sich nahm. Es empfiehlt sich, in beide Filme zu gehen, da das Bio-Pic es möglich macht, das am Vortag erlebte, Oscar-prämierte Originalmaterial im Rückblick nochmal mit anderen Augen zu sehen.
Einen ganz anderen biographischen Spielfilm drehte der Schwede Per Fly: Jedem seiner Landsleute ist die Jazzsängerin Monica Zetterlund ein Begriff, jeder weiß von ihrer beispiellosen Karriere, die Ende der 1950er Jahre startete, ihrem Rückzug von der Bühne und ihrem tragischen Tod 2005, als sie, im Bett liegend, das Feuer in ihrer Wohnung nicht bemerkte. Mit Ein Walzer für Monica (27.09. 19 Uhr) wollte Fly seinen Landsleuten vor allem ein Alternativangebot machen, wie sie den Star von einst erinnern könnten: In elegant-prachtvoller Ausstattung zeigt er Zetterlunds Aufstieg zur talentierten Jazz-Queen, aber auch ihre Exzesse und Rückschläge. Beachtlich ist die Leistung von Edda Magnason: die Musikerin gab in der Rolle der Zetterlund ihr Schauspieldebüt und interpretierte sämtliche Songs im Film selbst.
Die Natur braucht den Menschen nicht, hat ihn noch nie gebraucht. Er konnte immer nur versuchen, sich ihre wandelbare Schönheit mit seinen Worten erklärbar zu machen. So entstanden Sagen, Legenden und Mythen, wie sie im finnischen Dokumentarfilm Wunder des Waldes (So., 28.09. 19 Uhr) von Ville Suhonen und Kim Saarniluoto zu hören sind, während man ihren überragenden Naturaufnahmen aus den Urwäldern des finnischen Nordens durch die Jahreszeiten folgt. Drastischer und schmerzhafter kann der Kontrast nicht sein, wenn man diesen magischen Momenten die grausamen Sequenzen von Massentierhaltung und -schlachtung aus dem ebenfalls finnischen Dokumentarfilm Canned Dreams – Träume in Dosen (Mo., 29.09. 19 Uhr) gegenüberstellt: Regisseurin Katja Gauriloff begibt sich darin auf internationale Spurensuche jeder Produktionszutat einer ordinären Dose Ravioli. Die schockierenden Schauplätze gleichen oft denen von Nikolaus Geyrhalters Dokumentarfilm Unser täglich Brot. Doch im Gegensatz zum Österreicher, bei dem die an der Nahrungsmittelherstellung beteiligten Menschen lediglich wie ein weiteres willenloses Glied im Produktionsprozess scheinen, lässt die Finnin die Arbeiterinnen und Arbeiter jeweils ihre ganz persönlichen Geschichten im Off erzählen – und gibt den in einer entmenschlichten Branche Tätigen die Würde zurück, die die Unerbittlichkeit des Gezeigten und seine Absurdität noch schwerer erträglich macht.
Wer sich über diesen sogenannten Sommer hierzulande im Nachhinein mit einer romantischen Komödie hinwegtrösten möchte, sollte sich Love Is All You Need (Do., 02.10. 18.45 Uhr) der Dänin Susanne Bier ansehen. Ein ungewohnt ruppiger Pierce Brosnan als smarter Geschäftsmann, eine liebenswerte unkomplizierte Brautmutter in Nöten, überraschende Plot-Turns und spaßige Hochzeitsturbulenzen vor der malerischen Amalfi-Küstenkulisse lassen uns dran glauben: Es kann alles nur besser werden …
Die Nordischen Filmtage vom 26. September bis 2. Oktober ist eine Veranstaltung der Mediengruppe München mit der Unterstützung des Kulturreferates der Landeshauptstadt München.