Identitätsbildender Protest |
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Macht euch mal Gedanken: Brecht die Macht der Manipulateure von Helke Sander |
Drei verschlissene Direktorenkandidaten, mindestens ein anhängiges Gerichtsverfahren, und eine Interims-Doppelspitze, die in jedem Fall noch bis zum Sommer amtieren wird – die Lage an der renommierten Filmschule »Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin« (DFFB) macht gerade einen verfahrenen Eindruck. Letzte Woche zog der Produzent Ralph Schwingel seine Kandidatur zurück. Auch dieser letzte Kandidat, den das vom Berliner Senatskanzleichef Björn Böhning geleitete Kuratorium, eine Art Aufsichtsrat der DFFB, gegen den erklärten Willen von Dozenten und Studenten durchsetzen wollte, war offenbar enttäuscht von mangelnder Rückendeckung durchs Kuratorium, und einer DFFB, die den nach monatelanger Hängepartie plötzlich aus dem Hut gezogenen Kandidaten nicht gleich wie einen Messias begrüßte.
Am Dienstag nun luden die Studentenvertreter zu einer Pressekonferenz, um ihre Position noch einmal auch öffentlich deutlich zu machen, um »Fehlwahrnehmungen zu korrigieren« und in die Zukunft zu blicken: »Wir sind keine bockigen Kinder«, betonte Regiestudentin Susanne Heinrich. Von Blockade-Haltung könne keine Rede sein. Keineswegs wollten die Studenten, wie von interessierter Seite kolportiert werde, ihren Kopf durchsetzen, oder gar »den Direktor selbst bestimmen«. Ihre
Ziele seien zum einen das rein formale eines transparenten, fairen, für alle Kandidaten gleichen Verfahrens – das habe die Ernennung Schwingels von oben, abseits der Verfahrensregeln und ohne korrekte Bewerbung verletzt.
Zum zweiten wolle man nach der schlechten Erfahrung mit dem letzten Direktor Jan Schütte nur noch einen Direktor, der auch die Zustimmung der Akademie habe. »In beidem sind wir uns mit vielen Dozenten und Mitarbeitern einig«, betonte auch Katinka Narjes, die
als gewählte Vertreterin seit dem Sommer viele Stunden in Sitzungen und Hinterzimmergesprächen verbrachte, dass die Studenten nicht nur für sich sprechen, sondern auch im Namen derjenigen, »die weniger frei reden und agieren können«.
Das sie da richtig liegt, bestätigte nicht allein die Dozentin und Produzentin Anna di Paoli, die sich auch auf der Pressekonferenz zu Wort meldete, sondern auch ein offener Brief an den Regierenden Bürgermeister, in dem über 30 Alumni, also DFFB-Absolventen, das Beharren der Studenten auf Verfahrenslegitimität unterstützen und eine baldige Neubesetzung des Kuratoriums fordern: Die Verfahren seien »intransparent« und »einseitig« heißt es in dem Schreiben, das bereits von vielen namhaften Filmemachern, unter anderem Christian Petzold, Thomas Arslan, Pia Marais, Hanna Doose, Rolf Coulanges, Malte Ludin, Max Linz, Till Kleinert, Eoin Moore, Anna di Paoli, Ben von Dobeneck, Nils Bökamp in die Wege geleitet wurde, die Gremien »lassen sich weder durch konstruktive Interventionen noch durch öffentliche Appelle von ihrer Entscheidung abbringen«. Die Verantwortung für diese »existenzbedrohende Krise« trage das Kuratorium, dem kein aktiver Filmemacher angehört, dafür Funktionäre und Beamte. Die Alumni fordern »eine Neuausschreibung der Direktorenstelle ... mit angemessener Beteiligung von Studierenden und Lehrenden« und »eine adäquate Neuberufung des Kuratoriums mit unabhängigen Persönlichkeiten«.
Dass einige der jetzigen Kuratoriumsmitglieder, etwa Medienboardchefin Kirsten Nihuus oder Fernsehvertreterinnen von RBB und ZDF diese Unabhängigkeit mitbringen und von ihren sehr eigenen, für sich genommen auch legitimen Interessen im Sinne der DFFB absehen können, bezweifeln Viele.
Vergangene Woche wurde zudem ein Schreiben des renommierten Medienanwalts Peter Raue öffentlich, in dem Raue der Senatskanzlei Verstöße gegen die DFFB-Geschäftsordnung vorstößt. Nach dieser dürfen Kuratoriumsmitglieder nicht in geschäftlichen Beziehungen mit der DFFB stehen, eine Vorschrift die gerade dazu dient, die Eigeninteressen von Förderern und Fernsehsendern aus der DFFB herauszuhalten. Auch das Verfahren selbst, so Raue, sei »eklatant rechtswidrig«.
Pragmatismus oder Idealismus – das ist also an der DFFB gar nicht so sehr die Frage. Sondern es geht um klare Spielregeln und um Unabhängigkeit. Die wünschen auch renommierte Filmemacher der DFFB. »Es wäre ein Leichtes, die Interessen der Studenten zu berücksichtigen und zwei stimmberechtigte Studentenvertreter in das Kuratorium zu berufen. Das würde jedem zukünftigen Direktor eine ganz andere Legitimität verleihen«, sagt etwa der Produzent Florian Körner von Gustorf, der unter anderem alle Filme des bekanntesten jüngeren deutschen Regisseurs Christian Petzold (Barbara, Phoenix) produziert hat, »Ich wünsche mir eine DFFB-Ausbildung, die den Studenten den Markt nahebringt und in der sie ihr Talent erkennen und stärken können«, um »aus einer künstlerischen Stärke heraus« Filme zu machen. Auch Regiedozent Andres Veiel betont auf Nachfrage: »Die DFFB ist eine Ausnahmeschule voller Freiheit ... den Eigensinn der DFFB muss man bewahren und stärken. Dieser Gedanke einer Akademie ist an Bedeutung nicht zu überschätzen.«
Das sieht Katinka Narjes wie ihre Kommilitonen ähnlich: »Es geht um unsere DFFB-Identität. Diese Identität kann nur im Konsens mit uns, nicht gegen uns entwickelt werden.« Die Verantwortung für die Krise sieht nicht nur sie »beim aufsichtführenden Gremium«, dem Kuratorium.