Hof war sein Leben |
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Heinz Badewitz: 1941-2016 (Foto: Evelyn Kutschera) |
Seine Moderationen und die nur wenige Sekunden langen Eröffnungsansprachen waren unvergleichlich: charmant und kauzig, warmherzig und trotzdem nicht ohne Bauernschläue, von unverkennbar fränkischem Dialekt geprägt, mit großer Hornbrille und unverkennbarem Prinz-Eisenherz-Pilzkopf-Schnitt.
So wird er allen in Erinnerung bleiben: Heinz Badewitz, der Gründer der Hofer Filmtage, die er seit 1967 leitete.
In diesem Oktober hätte er das 50. Hof gefeiert, und seinen 75.
Geburtstag obendrein. Doch das war Badewitz nicht mehr vergönnt. Jetzt wird das Jubil äum von Trauer überschattet ohne ihn stattfinden – unvorstellbar!
Alles begann seinerzeit mit Ruf »Auf nach Hof!«. In Oberhausen bei den Kurzfilmtagen hatte es Krach gegeben, wieder einmal war irgendein angebliches Skandalfilmchen, das die deutschen Spießbürger den Untergang des Abendlandes fürchten ließ – in diesem Fall Helmuth Costards »Besonders wertvoll« – nicht gezeigt worden.
»In München, wo wir alle wohnten, fanden wir kein Kino, denn mit langhaarigen Affen wollten die Kinobesitzer nix zu tun haben, mit schweinischen
Filmen auch nichts – da hab ich gesagt: Ich kenn' einen Kinobesitzer in Hof...«
So lud Badewitz, gerade 26 Jahre alt, die deutschen, vor allem Münchner Jungfilmer, kurzerhand in seine Heimatstadt Hof. Im örtlichen Kino gab es im Mai 1967 ein zweieinhalbstündiges Programm und seitdem waren die Hofer Filmtage etabliert.
In München hatte er Kameramann werden wollen, doch unter den deutschen Jungfilmern war Badewitz eher eine Randfigur. Als Festivaldirektor aber stand er im Zentrum. Hof war sein Festival. Hof war sein Leben. Badewitz war Hof. Auch in seinen Besonderheiten, seinen zum Ritual geronnenen, zum »Kult« hochgejazzten Schrulligkeiten neben den Filmen: Dem legendären Bratwurststand vor dem Central-Kino in der Fußgängerzone, der Bratwurstwettessensturnier, dem Fußballspiel zwischen dem FC Filmemacher und einheimischem Bayern Hof, dem Stammtisch im Hotel Strauß, wo auch keiner freiwillig einkehren würde, wäre es nicht hier. Das lag natürlich daran, dass Badewitz nicht nur ein Filmfestivalleiter war, wie viele, sondern auch der Gründer. Schon immer hatte Badewitz dafür gesorgt, dass Hof im allerbesten Sinn kein Ort des Glamours war.
Bald auf Ende Oktober verlegt, wurden sie zum fixen Herbsttreffpunkt des deutschen Films der Generation der heute gut 70-jährigen wie Wim Wenders und Rosa von Praunheim und der Jüngeren, in den sechziger Jahren Geborenen, wie Tom Tykwer oder Christoph Schlingensief.
Auch die jüngere Generation kam gern nach Hof, zumindest wenn sie es nicht nach Berlin, Saarbrücken oder München geschafft hatte, doch in den letzten 20 Jahren alterte das Festival mit seinem Leiter – es war nicht mehr ein »Muss«, in Hof zu sein.
Hof war das herbstliche entspannte Klassentreffen des deutschen Kinos, auf neutralem Grund in der Mitte zwischen Berlin und München. Und Heinz Badewitz war so etwas wie der Schuldirektor, der Hausvater und das Familienoberhaupt des deutschen Films: ein Patriarch, fast ohne patriarchale Allüren. Von fast allen geliebt, von sehr vielen geachtet. Man kann es als Nachteil sehen, dass alles auf seine Person zugeschnitten war. Aber sein Stil als Direktor war, dass er keinen hatte: »Lasst viele Blumen blühen«. Badewitz zeigte die Filme, die ihm gefielen, also sehr viele. Ein Mann der Vielfalt, der nicht innerhalb der Vielfalt Hierarchien aufgezogen hat. Das kann man auch beliebig finden, aber die Festivals, die Wettbewerbe haben, die gibt es ja zu Hauf.
Jetzt ist Heinz Badewitz im Alter von 74 Jahren gestorben – wie passend, dass es ausgerechnet während des Besuchs eines Filmfestivals geschah, das ähnlich wie Hof die Pflege des Autorenkinos mit einer Prise Hedonismus verbindet: der Diagonale im österreichischen Graz.
Auch Badewitz waren die Begegnungen, die Treffen, das Reden über Film immer genauso wichtig, wie die Filme selbst. Regelmäßig kam er nach Graz zur Diagonale, an der er das Essen und den Wein noch etwas mehr schätzte, als die Filme, oder nach Linz und nach Solothurn – es waren diese kleinen, intimen Festivals, die er mehr mochte, als die Großereignisse. Sehr begehrt waren aber auch die raren Einladungen zum alljährlichen Hof-Empfang während der Berlinale – an abgelegenem Ort, weit weg von Dieter Kosslick und seinem Publikumszirkus am Potsdamer Platz, war das eine Oase im Festivaltrubel, und auch dieses Jahr, vor wenigen Wochen trafen sich dort so unterschiedliche Filmemacher wie Tom Tykwer, Jeanine Meerapfel, Christian Petzold, RP Kahl und Dietrich Brüggemann. »Es darf sich bloß nicht zu sehr 'rumsprechen«, sagte er zu mir, genau heute vor vier Wochen, am Berlinale-Dienstag, als wir uns gegen zwei Uhr morgens verabschiedeten, und ich ihm für die Einladung dankte.
Da war er nicht ganz so ein Vertreter der klassenlosen Filmgesellschaft, für den ihn manche hielten. Heinz Badewitz konnte großzügig sein, aber er war auch mit allen Wassern gewaschen. Und das war gut so, denn er setzte seine Fähigkeiten für die richtigen Zwecke ein.
Unmittelbare Menschlichkeit, Kollegialität und Kameradschaft kennzeichneten diesen Patriarch ohne autoritäre Allüren.
Badewitz' Tod bedeutet auch den Abschied einer ganzen Generation: Es ist die Generation des noch ganz westdeutschen Autorenkinos, des »Neuen Deutschen Films«, für die Kino ein selbstverständlicher Ort und Mittel der Weltaneignung war, und die zugleich mit den älteren Meisterregisseuren des deutschen Großkinos und Industriefilms nichts am Hut hatten.
Das deutsche Kino wird Heinz Badewitz vermissen – nicht wegen seines Filmgeschmacks oder bemerkenswerter Innovationen, sondern wegen seiner gelassenen Menschlichkeit, einer alltäglichen, großzügigen Humanität. Er hatte das Herz auf dem rechten Fleck. Und das ist nicht wenig, sondern leider eher selten im deutschen Kino.
Es ist für jedermann möglich, Abschied zu nehmen von Heinz Badewitz, in einem virtuellen Kondolenzbuch.