17.03.2016

Hof war sein Leben

Badewitz
Heinz Badewitz: 1941-2016 (Foto: Evelyn Kutschera)

Heinz Badewitz war nicht ganz der Vertreter der klassenlosen Filmgesellschaft, für den ihn manche hielten. Sein Tod bedeutet auch den Abschied einer ganzen Generation

Von Rüdiger Suchsland

Seine Mode­ra­tionen und die nur wenige Sekunden langen Eröff­nungs­an­spra­chen waren unver­gleich­lich: charmant und kauzig, warm­herzig und trotzdem nicht ohne Bauern­schläue, von unver­kennbar frän­ki­schem Dialekt geprägt, mit großer Horn­brille und unver­kenn­barem Prinz-Eisenherz-Pilzkopf-Schnitt.
So wird er allen in Erin­ne­rung bleiben: Heinz Badewitz, der Gründer der Hofer Filmtage, die er seit 1967 leitete.
In diesem Oktober hätte er das 50. Hof gefeiert, und seinen 75. Geburtstag obendrein. Doch das war Badewitz nicht mehr vergönnt. Jetzt wird das Jubil äum von Trauer über­schattet ohne ihn statt­finden – unvor­stellbar!

»Ich kenn' einen Kino­be­sitzer in Hof...«

Alles begann seiner­zeit mit Ruf »Auf nach Hof!«. In Ober­hausen bei den Kurz­film­tagen hatte es Krach gegeben, wieder einmal war irgendein angeb­li­ches Skan­dal­film­chen, das die deutschen Spießbürger den Untergang des Abend­landes fürchten ließ – in diesem Fall Helmuth Costards »Besonders wertvoll« – nicht gezeigt worden.
»In München, wo wir alle wohnten, fanden wir kein Kino, denn mit lang­haa­rigen Affen wollten die Kino­be­sitzer nix zu tun haben, mit schwei­ni­schen Filmen auch nichts – da hab ich gesagt: Ich kenn' einen Kino­be­sitzer in Hof...«

So lud Badewitz, gerade 26 Jahre alt, die deutschen, vor allem Münchner Jung­filmer, kurzer­hand in seine Heimat­stadt Hof. Im örtlichen Kino gab es im Mai 1967 ein zwei­ein­halb­stün­diges Programm und seitdem waren die Hofer Filmtage etabliert.

Kino, Fußball, Rituale

In München hatte er Kame­ra­mann werden wollen, doch unter den deutschen Jung­fil­mern war Badewitz eher eine Randfigur. Als Festi­val­di­rektor aber stand er im Zentrum. Hof war sein Festival. Hof war sein Leben. Badewitz war Hof. Auch in seinen Beson­der­heiten, seinen zum Ritual geron­nenen, zum »Kult« hoch­ge­jazzten Schrul­lig­keiten neben den Filmen: Dem legen­dären Brat­wurst­stand vor dem Central-Kino in der Fußgän­ger­zone, der Brat­wurst­wet­tes­sens­tur­nier, dem Fußball­spiel zwischen dem FC Filme­ma­cher und einhei­mi­schem Bayern Hof, dem Stamm­tisch im Hotel Strauß, wo auch keiner frei­willig einkehren würde, wäre es nicht hier. Das lag natürlich daran, dass Badewitz nicht nur ein Film­fes­ti­val­leiter war, wie viele, sondern auch der Gründer. Schon immer hatte Badewitz dafür gesorgt, dass Hof im aller­besten Sinn kein Ort des Glamours war.

Bald auf Ende Oktober verlegt, wurden sie zum fixen Herbst­treff­punkt des deutschen Films der Gene­ra­tion der heute gut 70-jährigen wie Wim Wenders und Rosa von Praunheim und der Jüngeren, in den sechziger Jahren Geborenen, wie Tom Tykwer oder Christoph Schlin­gen­sief.

Auch die jüngere Gene­ra­tion kam gern nach Hof, zumindest wenn sie es nicht nach Berlin, Saar­brü­cken oder München geschafft hatte, doch in den letzten 20 Jahren alterte das Festival mit seinem Leiter – es war nicht mehr ein »Muss«, in Hof zu sein.

Hof war das herbst­liche entspannte Klas­sen­treffen des deutschen Kinos, auf neutralem Grund in der Mitte zwischen Berlin und München. Und Heinz Badewitz war so etwas wie der Schul­di­rektor, der Hausvater und das Fami­li­en­ober­haupt des deutschen Films: ein Patriarch, fast ohne patri­ar­chale Allüren. Von fast allen geliebt, von sehr vielen geachtet. Man kann es als Nachteil sehen, dass alles auf seine Person zuge­schnitten war. Aber sein Stil als Direktor war, dass er keinen hatte: »Lasst viele Blumen blühen«. Badewitz zeigte die Filme, die ihm gefielen, also sehr viele. Ein Mann der Vielfalt, der nicht innerhalb der Vielfalt Hier­ar­chien aufge­zogen hat. Das kann man auch beliebig finden, aber die Festivals, die Wett­be­werbe haben, die gibt es ja zu Hauf.

Auto­ren­kino und eine Prise Hedo­nismus

Jetzt ist Heinz Badewitz im Alter von 74 Jahren gestorben – wie passend, dass es ausge­rechnet während des Besuchs eines Film­fes­ti­vals geschah, das ähnlich wie Hof die Pflege des Auto­ren­kinos mit einer Prise Hedo­nismus verbindet: der Diagonale im öster­rei­chi­schen Graz.

Auch Badewitz waren die Begeg­nungen, die Treffen, das Reden über Film immer genauso wichtig, wie die Filme selbst. Regel­mäßig kam er nach Graz zur Diagonale, an der er das Essen und den Wein noch etwas mehr schätzte, als die Filme, oder nach Linz und nach Solothurn – es waren diese kleinen, intimen Festivals, die er mehr mochte, als die Großer­eig­nisse. Sehr begehrt waren aber auch die raren Einla­dungen zum alljähr­li­chen Hof-Empfang während der Berlinale – an abge­le­genem Ort, weit weg von Dieter Kosslick und seinem Publi­kums­zirkus am Potsdamer Platz, war das eine Oase im Festi­val­trubel, und auch dieses Jahr, vor wenigen Wochen trafen sich dort so unter­schied­liche Filme­ma­cher wie Tom Tykwer, Jeanine Meerapfel, Christian Petzold, RP Kahl und Dietrich Brüg­ge­mann. »Es darf sich bloß nicht zu sehr 'rumspre­chen«, sagte er zu mir, genau heute vor vier Wochen, am Berlinale-Dienstag, als wir uns gegen zwei Uhr morgens verab­schie­deten, und ich ihm für die Einladung dankte.

Da war er nicht ganz so ein Vertreter der klas­sen­losen Film­ge­sell­schaft, für den ihn manche hielten. Heinz Badewitz konnte großzügig sein, aber er war auch mit allen Wassern gewaschen. Und das war gut so, denn er setzte seine Fähig­keiten für die richtigen Zwecke ein.

Unmit­tel­bare Mensch­lich­keit, Kolle­gia­lität und Kame­rad­schaft kenn­zeich­neten diesen Patriarch ohne auto­ritäre Allüren.

Alltäg­liche Humanität

Badewitz' Tod bedeutet auch den Abschied einer ganzen Gene­ra­tion: Es ist die Gene­ra­tion des noch ganz west­deut­schen Auto­ren­kinos, des »Neuen Deutschen Films«, für die Kino ein selbst­ver­s­tänd­li­cher Ort und Mittel der Welta­n­eig­nung war, und die zugleich mit den älteren Meis­ter­re­gis­seuren des deutschen Großkinos und Indus­trie­films nichts am Hut hatten.

Das deutsche Kino wird Heinz Badewitz vermissen – nicht wegen seines Film­ge­schmacks oder bemer­kens­werter Inno­va­tionen, sondern wegen seiner gelas­senen Mensch­lich­keit, einer alltäg­li­chen, großzügigen Humanität. Er hatte das Herz auf dem rechten Fleck. Und das ist nicht wenig, sondern leider eher selten im deutschen Kino.

Es ist für jedermann möglich, Abschied zu nehmen von Heinz Badewitz, in einem virtu­ellen Kondo­lenz­buch.