Cinema Moralia – Folge 142
Ohne Heinz kein Hof |
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Reichen Die Blumen von gestern die Nostalgieverwaltung von heute zu verhindern? | ||
(Foto: Chris Kraus) |
Da brutzelt sie wieder, die fränkische Rostbratwurst – am traditionellen Grill-Stand vor dem Festivalkino, dessen Besuch so rituell ist, wie fast alles bei diesem Festival.
Hier am Bratwurststand werden sie sich an den nächsten fünf Tagen alle oder jedenfalls fast alle begegnen, früher oder später: Die Alphatiere und die Sternchen, die Vorreiter und die Mitläufer der deutschen Filmszene, ihre Adabeis und ihre Outsider; hier werden sie sich wärmen, vielleicht erst
kennenlernen, oder – viel wahrscheinlicher – wiedertreffen, wie jedes Jahr, oder erstmals nach Jahren, wenn nicht Jahrzehnten.
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Zum 50. Mal gibt es jetzt die Hofer Filmtage. Nach der Berlinale, nach der Mannheimer Filmwoche und nach den Oberhausener Kurzfilmtagen, vor Saarbrücken, Hamburg, Ludwigshafen, Tübingen und sogar München ist Hof ein weiteres unter den ältesten deutschen Filmfestivals.
Trotzdem ist es keine Frage: Die Filmtage sind unverwechselbar. Dies ist – und man kann das sympathisch finden oder nicht – ein Festival ohne roten Teppich, ohne Glamour und auch ohne echten
Wettbewerb – vom Schaulaufen beim ebenfalls rituellen Weißwurstempfang der bayrischen Filmförderung (FFF) mal abgesehen, und es sei denn, man nimmt das alljährliche Fußballspiel zwischen der örtlichen Spielvereinigung und einer Filmemacher-Auswahl so ernst wie die Beteiligten. Oder den Bratwurstwettbewerb – Gewinner ist, wer während der Filmtage die meisten fränkischen Rost-Bratwurstpaare verdrückt – der Rekord liegt irgendwo über 40 Paaren. Und
einmal, und dafür schäme ich mich nicht, habe ich dort den zweiten Platz gemacht.
Die Hofer-Filmtage sind wie gesagt ein Ort der Rituale.
Und so wäre das diesjährige Treffen ein großes Fest geworden, ein Klassentreffen, voll solcher Rituale, voller Nostalgie, bei dem man über die alten Zeiten spricht, bei denen man auch blind oder betrunken oder im Schlaf noch alle Wege und Plätze findet, weil an den immergleichen Orten von den immergleichen Veranstaltern mit den immergleichen Sponsoren die immergleichen Empfänge und Partys veranstaltet werden. Weil sich in Hof nichts zu verändern schien. Das ist sehr verlässlich und nicht unbedingt spießig, aber doch ganz schön provinziell, und in diesem Sinne ungemein repräsentativ fürs deutsche Kino. Hof war, wie Klassentreffen eben so sind: Eine Selbstbeweihräucherungsfeier der Beteiligten, eine Versöhnung der Verfeindeten, eine Verbrüderung derjenigen, die sich eh mögen, nostalgisch, mit rosaroter Brille, vor dem kalten Winter und pünktlich zur Zeitumstellung ein Erntedankfest – Hurra, wir leben noch, auch dieses Jahr haben wir geschafft, Allmächt, nä!
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Die Filme stören da auch dieses Jahr nicht weiter. Manche sind gut, manche weniger, die guten hat man oft schon woanders gesehen, aber die wenigsten sind so, dass man sich über sie noch lange unterhalten mag, nachher am Bratwurststand, dass sie in einem arbeiten, einen irritieren und verwirren, zum Streit anregen. Den Filmtagen tat das wenig Abbruch, der Selbstbeweihräucherung erst recht nicht.
So ungefähr wäre es gewesen, weil es immer so war, und erst recht beim 50. Mal, wenn nicht... – wenn nicht der Gründungsdirektor und ewige Leiter über 49 Jahre, der Garant dieser Hofer Unveränderlichkeit Heinz Badewitz im Frühjahr mit 74 Jahren verstorben wäre. Damit hat sich jetzt alles geändert.
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Nur wenige Wochen zuvor hatte Badewitz noch bei einer Feier während der Berlinale zurückgeblickt und die Geschichte der Gründung der Filmtage in seiner Heimatstadt erzählt. Das hörte sich dann so an: »Ich bin als junger Mann aus Hof nach München gezogen ... an jeder Ecke wurde gedreht und dann wollten wir in München mal unsere Filme zeigen, wir fanden aber kein Kino, weil die Kinobesitzer sagten: Mit langhaarigen Affen wollen sie nix zu tun haben... Dann hab ich nur gesagt: Ich kenne einen Kinobesitzer in Hof... Und dann sind wir dahin gefahren und haben 25 Kurzfilme gezeigt und das haben wir genannt ›1. Hofer Kurzfilmfestival‹ ohne zu wissen, das das weitergehen würde, das sollte nur einmal stattfinden. ... und ab dem zehnten Festival hab ich gemerkt: Es gibt kein Zurück mehr, wir müssen weitermachen. ... Und jetzt wird es dieses Jahr 50 Jahre alt.«
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Man versteht: Hof, das war in seiner Gründungszeit, am wilden Ende der 1960er Jahre, zwar nicht der Gründungsort, aber die Wahlheimat der Revoluzzer, der jungen Rebellen des deutschen Kinos. Werner Herzog zeigte hier seine ersten Filme und Wim Wenders. Und auch für die eine Generation Jüngeren und etwas weniger revoluzzerhaften, wie Doris Dörrie – die zehn Jahre Hof-Mitarbeiterin war –, Rosa von Praunheim und Dominik Graf und – noch einmal 10 Jahre jünger – für Christoph Schlingensief und Tom Tykwer war Hof ein Ort der Ungezwungenheit und Toleranz: Hier konnte man Filme vorführen und sich trotzdem wohlfühlen.
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In den frühen Jahren, als das deutsche Kino noch politisch war und Kunst nicht Entertainment hieß, sondern mit Irritation und Veränderungswillen zu tun hatte, da gehörte zu diesem Wohlfühlen auch die Debatte, und die Streitkultur.
Inzwischen ist das deutsche Kino aber an so etwas komplett uninteressiert, und das zunehmend ohne schlechtes Gewissen. Und seien wir ehrlich: Auch in dieser Hinsicht war Hof, dieser Bratwurstseismograf des deutschen Films, ein Vorreiter des (schlechten) Zeitgeists.
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In den letzten zehn Jahren wurden die Filmtage nicht nur mit ihrem Leiter und ihren Besuchern immer älter, sie verloren auch jede Handschrift, jede Entschiedenheit, jede Fähigkeit, Neues zu entdecken oder gar zu befördern.
Hier wurde nicht mehr kuratiert, sondern mit allzu viel Wohlwollen nahezu alles gezeigt was von den anderen Festivals mit ihrem jüngeren, schärferen Profilm übrig geblieben war, oder von alten Freunden stammte und von hübschen Filmstudentinnen. Wer noch kam, der
kam nicht, um die neuesten, wichtigsten deutschen Filme zu sehen, sondern eben wie zu einem Klassentreffen: Um die Freunde von früher wiederzusehen und sich über die alten Zeiten zu unterhalten.
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Weil jeder hier vielleicht schon lange nicht mehr die Filme, aber jedenfalls Heinz Badewitz mochte, glaubte man dem Festival-Label, das Hof als »Home Of Fims« ausbuchstabierte. Höchstens hinter vorgehaltener lästerten Filmemacher: »Hof bleibt doof, da helfen keine Filme«.
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Kalauer hin oder her – nach 50 Jahren und ohne seinen Leiter sowieso kaum vorstellbar, nur fürs Jubiläum provisorisch von einer Hand voll Funktionäre der Branche kuratiert, ist es vielleicht der richtige Zeitpunkt um zu sagen: Es war eine schöne Zeit, aber jetzt ist es auch gut. Vielleicht sollten die 50. Filmtage auch die letzten sein.
Reine Nostalgieverwaltung reicht zwar für ein trauriges Jubiläumsfestival, aber es ist nicht genug für die Zukunft.
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Das tapfere Kuratorium, das ehrenamtlich diesmal die Filme auswählt, über die man zwar ähnlich streiten kann, wie über Badewitz' Auswahl, aber etwas interessanter wirkt sie schon, dieses Kuratorium kann und sollte diesen Job nur einmal machen. Sehr gern möchte ich ein Festival sehen, das Alfred Holighaus, Linda Söffker und Torsten Schaumann kuratieren. Aber bitte nicht Hof.
Ich fahre dieses Jahr lieber auf die Viennale.
(to be continued)