QFFM |
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Hat nicht nur im Heimatland für Furore gesorgt: Bar Bahar |
Von Felicitas Hübner
„Queer“ stand einst für „seltsam“. Heute bedeutet es bunt und vielfältig, wenn es um Lebensentwürfe, Sexualitäten, Geschlechtsidentitäten und Beziehungsformen geht. Übersichtlich zusammengefasst im Akronym LGBTIAQ: Lesben, Schwule (Gays), Bisexuelle, Transgender, Intersexuelle, Asexuelle und Queere.
Dem gegenüber steht der „Mainstream“. Die queere Idee kritisiert am Mainstream das Heteronormative, das konservativ binär
Geschlechtliche, das Bilderbuchfamilien Orientierte und das Zwangsmonogame.
Beispiele, wo Menschen, die aus dem offiziellen Raster fallen und damit in ihrem Alltag auf Schwierigkeiten stoßen, gibt es viele. In den USA gab es vor nicht allzu langer Zeit Toiletten für ausschließlich schwarze Menschen. Der Film Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen aus dem Jahr 2016 behandelt (u.a.) dieses Thema. In gewaltiger Heldenpose schlägt der weiße Mann Kevin Kostner das
Schild mit dem Toiletten-Piktogramm für coloured people von der Wand.
Eine weitere Toilettenproblematik in öffentlichen Gebäuden besteht für Menschen, die sich weder als Frau noch als Mann sehen wollen. Die rot-rot-grüne Berliner Regierung versprach in ihrem Koalitionsvertrag, die Stadt zur Regenbogenhauptstadt machen zu wollen und prüft derzeit die Einrichtung von Uni-Sex-Toiletten für alle Geschlechter. Das Café Regenbogen der Münchner Aids-Hilfe am Goetheplatz hat
sich eine Zwischenlösung geschaffen. An den Eingangstüren der beiden Toilettenbereiche hängen Zettel mit Informationen zur Anzahl der Toilettenschüsseln und Urinale.
Die queere Partyszene in München weist zwar schon eine große Vielfalt an Akteur*innen auf, zum Beispiel Queerthing, Queerkafe, daneben, Get rid, HELGA, QueerSquad. Aber ohne Frage muss mehr getan werden, um allen auch eine politische Stimme zu geben wie den people of color, Lesben, Bisexuellen, Trans*Personen, intersexuellen Menschen oder allen, die nicht in ein Zwei-Gender-System passen.
Zurück zum Festival: Vom 12. bis 15. Oktober 2017 findet es also statt, das QFFM. Diesen Herbst zeigt das Festivalteam an vier Tagen queere Spiel- und Dokumentarfilme, diskutiert mit Gästen darüber, wie queer München wirklich ist und begrüßt die Macher*innen des XPOSED International Queer Film Festival Berlin, die ihre besten Kurzfilme präsentieren. Das Festival findet an verschiedenen kulturellen Orten der Stadt statt: HFF München, Minna Thiel (Sideproject des Kulturprojekts Bahnwärter Thiel), Kino Neues Maxim, Werkstattkino und dem Kunstverein München.
Der Schwerpunkt liegt in diesem Jahr auf der jungen Generation, der GENERATION WHAT. Wie wachsen junge, queere Menschen in Europa, den USA und dem Rest der Welt auf? Wo waren ihre Eltern Wegbereiter*innen und wo müssen sie selbst für ihre Rechte kämpfen? Die Begrifflichkeiten sind vielfältiger, die Gesellschaft in einigen Ländern offener und der Umgang mit der eigenen Sexualität und Identität bestimmter. Aber ist das Leben auch einfacher geworden? Oder ist gerade diese Komplexität ein Faktor der Verunsicherung?
Das QFFM zeigt Filme über Menschen, die hungrig sind auf selbstbestimmtes Leben, soziale Gerechtigkeit und emanzipierte Liebe. Dazu Festivalleiterin Sylva Häutle: »Wichtig ist uns eine Awareness der Hierarchien und Privilegien aufgrund von Geschlecht, Ethnizität, sozialer Schicht, Alter, Ability. Es geht uns um eine grundlegende Reflexion der gesellschaftlichen Strukturen und der zugrundeliegenden Normen. Mit der Auswahl unserer Filme zeigen wir eine Erweiterung von Möglichkeiten, sich selbst zu definieren und zu akzeptieren. Wir wollen nicht neue Normen anstelle alter schaffen, sondern setzen uns ein für Vielfalt, Akzeptanz und ein nicht-normiertes Leben.«
Eröffnet wird das Festival am Donnerstag Abend mit dem israelisch-französischen Spielfilm Bar Bahar (In Between). Der Film zeigt das Leben dreier junger Palästinenserinnen in Tel Aviv, die die Balance zwischen Tradition und Moderne suchen. Ein Thematik, die nicht nur im Heimatland für Furore gesorgt hat. Eine der Hauptdarstellerinnen wird zum Filmgespräch anwesend sein. Anschließend gibt es eine Eröffnungsparty bei Minna Thiel vor der HFF.
Am Freitag liegt der Focus auf den inneren Konflikten und den eigenen Dämon*innen mit denen mensch kämpft. Der Berlinale und Sundance Beitrag God’s Own Country ist die einfühlsame Geschichte eines jungen britischen Farmers und seines sexuellen und emotionalen Erwachens. Der isländische Spielfilm Hjartasteinn (Herzstein) bildet den Tagesabschluss mit der bildgewaltigen Geschichte zweier Freunde, die einen Sommer erleben, der nichts so hinterlässt wie es vorher war.
Der Samstag bildet den Schwerpunkt der starken Persönlichkeiten. Es startet mit dem US-amerikanischen Dokumentarfilm Political Animals. Es ist die packende Geschichte vier kalifornischer Politikerinnen, die jahrzehntelang für die Gleichstellung und soziale Gerechtigkeit von Lesben und Schwulen kämpfen. Princess Cyd ist eine poetische Familiengeschichte von zwei starken Frauen aus verschiedenen Generationen, die nicht nur voneinander lernen, sondern auch das jeweilige „Anderssein“ respektieren. Das italienische Spielfilmdebüt Arianna zeigt eine melancholische, fast schon poetische Intersex-Geschichte einer starken Mädchenfigur, eingebettet in malerischen Sommerbildern. Ein modernes, italienisches Portrait über die Pubertät und die Definition von Weiblichkeit.
Am Sonntag macht der japanische Spielfilm Close-Knit den Anfang. Der diesjährige Berlinale Teddy-Award Jury Gewinner ist ein schräges Familienportrait, das durch Fürsorge und Liebe geprägt, die Selbstverständlichkeit nichtnormativer Identität zeigt. Hunky Dory zeigt eine queere Vater-Sohn Geschichte zwischen einem erfolglosen Glam-Rocker und seinem elfjährigen Sohn. Liebevoll, herausfordernd, wunderschön.
Zu den weitere Veranstaltungen des QFFM gehören unter Schwerpunkt REVOLUTION eine Sneak Preview und die Midnight Movie-Kultnächte im Werkstattkino:
Mit der SNEAK PREVIEW im Kino Neues Maxim probieren die Festivalmacher*innen etwas Neues aus. Sie wollen einen Film zeigen, den das Publikum ohne Erwartungen und Bilder im Kopf erlebt, einen Film, der nur für sich selbst spricht. Ganz besonders auch deshalb, weil das QFFM den Film vor seiner offiziellen Deutschlandpremiere zeigen darf. Er lief bereits auf vielen internationalen Filmfestivals, doch in Deutschland als Erstes und unter strengster Geheimhaltung bei m QFFM.
Ein Revival der legendären MIDNIGHT MOVIE-Kultnächte gibt es wie in den 70ern im Werkstattkino. Gezeigt werden Filme, die ihre eigenen Parameter in Sachen Film, Filminhalt, Ästhetik sowie in der Grenzziehung des Darstellbaren hinterfragen. Eine anspruchsvolle Herausforderung für das Publikum. Das QFFM zeigt den revolutionären, dreistündigen kanadischen Spielfilm Ceux qui font les révolutions à moitié n'ont fait que se creuser un tombeau.
Zum Festivalprogramm gehört die Podiumsdiskussion im Münchner Kunstverein: „QUEER IN MÜNCHEN!?“
Was heißt es queer in München zu sein? Gibt es ein spezielles Münchner Queer-Gefühl? Ist queer hier subversiv oder konservativ? Wie umgehen mit Rassismus und anderen Phobien auch in der eigenen Szene? Wer ist diese Szene überhaupt? Und wo soll es hingehen? Welche Utopien können erdacht und gelebt werden? Vier Gäste nähern sich aus ihren jeweiligen Richtungen und
Hintergründen und diskutieren gemeinsam.
Die vier Gäste aus Wissenschaft, Kunst, Jugendarbeit und Kultur sind:
Muriel Aichberger | Kunst-, Medien- und Sozialwissenschaftler, spezialisiert auf Männlichkeitsforschung und Queer-Studies
Henri Jakobs | Musiker – TUBBE (tubbe.de) (angefragt)
Pascal Nissing | diversity München – LesBiSchwules und Trans* Jugendzentrum
Merle Groneweg | Festivaldirektorin Xposed International Queer Film Festival Berlin
Christina Wolf | Moderation – PULS (BR)
Das XPOSED International Queer Film Festival Berlin wird zu Gast im Münchner Kunstverein sein. Die Macher*innen zeigen ihre besten Kurzfilme der letzten zwölf Jahre.
QFFM, das queere Film Festival München, vom 12. bis 15. Oktober 2017.