Der Kinopionier |
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Dieter Buchwald (vorne links) kämpfte nicht nur für sich. Hier im Kreis seiner Kollegen, beim Kinoprogrammpreis 2013 | ||
(Foto: Stadt München) |
Von Dunja Bialas
Mit Dieter Buchwald traf ich mich im September 2012, in einem Café schräg gegenüber seinem Kino, dem Cinema. Gleich als erstes sprach er mit einer sanft-sonoren Stimme von der Holzverkleidung, mit der sein Kino ausgestattet ist, und wie er noch 1989 die Brandschutzbehörde überzeugen konnte, die Innenausstattung abzunehmen, obwohl das Kino keine Sprinkleranlage hat. Dann erklärte er mir genau, wie das ist, mit dem Mauerwerk und der Holzverkleidung davor, und dem Isoliermaterial dazwischen. »Da kann ein Feuer nur so durchschießen.« Deshalb sind in regelmäßigen Abständen Stege eingezogen, um die Feuerentwicklung baulich aufzuhalten. Dieter Buchwald liebte technische Details. Eine Stunde lang sprach er fast ausschließlich über Technik, äußerst instruiert. Zwischendrin hielt er inne und sagte: »Ich bin kein Freak.«
Dieter Buchwald, der jetzt im Alter von 78 Jahren in München verstorben ist, war ein Kinopionier, der nicht nur in der Isarmetropole Geschichte geschrieben hat. Allein die technische Ausstattung seines Kinos an der Nymphenburger Straße, das er 1975 übernahm, wurde zum Mythos. Als erstes Kino Deutschlands wurde es mit einem THX-Sound-System ausgestattet, und hartnäckig hielten sich die Gerüchte, George Lucas wäre persönlich zur Kinoeröffnung angereist. Angetrieben für sein Vier-Wege-Lautsprechersystem hat den Anglophilen die Sprachverständlichkeit für die Filme, die er in der Originalversion ohne Untertitel zeigte – eine Nische, die er für sein Kino in Anspruch nahm.
Wegweisend für die gesamte Kinoentwicklung in München wurde seine Klage vor dem Kartellgericht Ende der 1980er Jahre, die er zusammen mit anderen Kinobetreibern vorbrachte. Kaum vorstellbar, dass es damals in München nicht mehr als sechs – innerstädtische – Kinos gab, die das Erstaufführungsrecht für Filme hatten. Alle anderen mussten sich gedulden, bis die Filme weitergereicht wurden, oft erst in zehnter Woche oder später, nachdem jeder Pfennig aus den Filmen herausgepresst worden war. Gegen diese ungerechte Verleihpraxis wurde geklagt. 1992 kam es zum sogenannten »Cinema-Fall«, der der ungleichen Behandlung der Kinos durch die Verleiher ein Ende setzte. Seitdem ist nicht nur das Cinema Erstaufführungskino und darf die neu anlaufenden Filme in der Startwoche zeigen.
Buchwald war promovierter Diplomvolkswirt, er hatte in Karlsruhe studiert und leitete dort den studentischen Filmclub. Als er in München das »ausgeblutete« Cinema übernahm, begann er mit Repertoirefilmen, ebenfalls für Studenten. »Das gab es in München damals nicht.« Sein tiefgehendes Verständnis für Technik setzte ihn von den meisten Kinobetreibern ab. Er hatte ab 1992 das IMAX-Kino im Forum der Technik geführt, ab 1998 auch das IMAX in Berlin am Potsdamer Platz. Das gab ihm die Kontakte zu Firmen der High-End-Kinotechnik, Buchwalds Kino war neben dem Arri, das ein dezidiertes Testkino der Kinobranche war, stets das einzige Kino, das State of the art großschrieb.
Buchwald sprach damals aber auch von Filmen, die ihm wichtig waren. Der Kandidat war so ein Film, der sich gegen die Kanzlerkanditatur von Franz-Josef Strauß richtete und »seine ganzen Merkwürdigkeiten aufzeigte«. Von der CSU wurde er bitter bekämpft. Buchwald ermöglichte mit einem Kofferprojektor die Aufführung des Films in Augsburg, wo sich alle Kinos gesträubt hatten. Er machte 15.000 Zuschauer, galt als »Nestbeschmutzer« und hatte ständig Brandschutzprüfer und Jugendschutzkontrollen im Haus. Sie wissen schon, warum wir die ganze Zeit kommen, habe eines Tages einer der Prüfer zu ihm gesagt. Ja, wegen der CSU, habe er geantwortet.
Er war politisch. Später merkte man das nicht mehr, sein Programm wurde »Upper-Mainstream«, wie er sagte. Sein Kampfgeist zeigte sich in seiner Pionierhaltung.
Vor sechs Jahren war die digitale Wende noch ganz frisch, die Kinos rüsteten gerade auf digital um. Auch hier war Buchwald Vorreiter. »Der Wechsel, der kommen würde, war mir früh deutlich.« Das kam durch die Kontakte zu seinen technikaffinen IMAX-Kollegen und in die USA. So hatten sie bereits im Januar 2006, wie Buchwald im Gespräch stolz unterstrich, die digitale Technik im Haus, parallel zu den analogen Projektoren: »Wir waren die allerersten in Deutschland.« Erst drei Jahre später zog das Mathäser als zweites Kino nach. Dennoch blieb Buchwald kritisch, wirklich entscheidend war für ihn damals, 2012, die neue Technik nur, um 3D zu projizieren, darin sah er den eigentlichen Sinn.
Ein von ihm geträumter Kino-Traum, den er im Gespräch fast ganz beiläufig erwähnte, hat sich für ihn nicht mehr verwirklicht: dass originalsprachige Filme beim Kinostart vorgezogen werden, zum Termin des Kinostarts im Herkunftsland. In einer globalisierten Welt mit dem ungebremsten Informationsfluss, bei dem kein Steg das Weiterkommen hemmt, wäre das noch etwas gewesen.
Dieter Buchwald hatte auch 2012 schon einen Nachfolger eingearbeitet, Klaus Unger. Er wird jetzt das Cinema im Sinne des Kinopioniers weiter in die Zukunft führen.