10.05.2018

Der Kino­pio­nier

Subjektiv - Dokumentarfilm im 21. Jahrhundert
Dieter Buchwald (vorne links) kämpfte nicht nur für sich. Hier im Kreis seiner Kollegen, beim Kinoprogrammpreis 2013
(Foto: Stadt München)

Dieter Buchwald, Betreiber des Münchner Cinema-Kinos, verstarb am vergangenen Sonntag im Alter von 78 Jahren

Von Dunja Bialas

Mit Dieter Buchwald traf ich mich im September 2012, in einem Café schräg gegenüber seinem Kino, dem Cinema. Gleich als erstes sprach er mit einer sanft-sonoren Stimme von der Holz­ver­klei­dung, mit der sein Kino ausge­stattet ist, und wie er noch 1989 die Brand­schutz­behörde über­zeugen konnte, die Innen­aus­stat­tung abzu­nehmen, obwohl das Kino keine Sprink­ler­an­lage hat. Dann erklärte er mir genau, wie das ist, mit dem Mauerwerk und der Holz­ver­klei­dung davor, und dem Isolier­ma­te­rial dazwi­schen. »Da kann ein Feuer nur so durch­schießen.« Deshalb sind in regel­mäßigen Abständen Stege einge­zogen, um die Feuer­ent­wick­lung baulich aufzu­halten. Dieter Buchwald liebte tech­ni­sche Details. Eine Stunde lang sprach er fast ausschließ­lich über Technik, äußerst instru­iert. Zwischen­drin hielt er inne und sagte: »Ich bin kein Freak.«

Dieter Buchwald, der jetzt im Alter von 78 Jahren in München verstorben ist, war ein Kinopio­nier, der nicht nur in der Isar­me­tro­pole Geschichte geschrieben hat. Allein die tech­ni­sche Ausstat­tung seines Kinos an der Nymphen­burger Straße, das er 1975 übernahm, wurde zum Mythos. Als erstes Kino Deutsch­lands wurde es mit einem THX-Sound-System ausge­stattet, und hart­nä­ckig hielten sich die Gerüchte, George Lucas wäre persön­lich zur Kino­eröff­nung angereist. Ange­trieben für sein Vier-Wege-Laut­spre­cher­system hat den Anglo­philen die Sprach­ver­ständ­lich­keit für die Filme, die er in der Origi­nal­ver­sion ohne Unter­titel zeigte – eine Nische, die er für sein Kino in Anspruch nahm.

Wegwei­send für die gesamte Kino­ent­wick­lung in München wurde seine Klage vor dem Kartell­ge­richt Ende der 1980er Jahre, die er zusammen mit anderen Kino­be­trei­bern vorbrachte. Kaum vorstellbar, dass es damals in München nicht mehr als sechs – inner­städ­ti­sche – Kinos gab, die das Erst­auf­füh­rungs­recht für Filme hatten. Alle anderen mussten sich gedulden, bis die Filme weiter­ge­reicht wurden, oft erst in zehnter Woche oder später, nachdem jeder Pfennig aus den Filmen heraus­ge­presst worden war. Gegen diese unge­rechte Verleih­praxis wurde geklagt. 1992 kam es zum soge­nannten »Cinema-Fall«, der der unglei­chen Behand­lung der Kinos durch die Verleiher ein Ende setzte. Seitdem ist nicht nur das Cinema Erst­auf­füh­rungs­kino und darf die neu anlau­fenden Filme in der Start­woche zeigen.

Buchwald war promo­vierter Diplom­volks­wirt, er hatte in Karlsruhe studiert und leitete dort den studen­ti­schen Filmclub. Als er in München das »ausge­blu­tete« Cinema übernahm, begann er mit Reper­toire­filmen, ebenfalls für Studenten. »Das gab es in München damals nicht.« Sein tief­ge­hendes Verständnis für Technik setzte ihn von den meisten Kino­be­trei­bern ab. Er hatte ab 1992 das IMAX-Kino im Forum der Technik geführt, ab 1998 auch das IMAX in Berlin am Potsdamer Platz. Das gab ihm die Kontakte zu Firmen der High-End-Kino­technik, Buchwalds Kino war neben dem Arri, das ein dezi­diertes Testkino der Kino­branche war, stets das einzige Kino, das State of the art groß­schrieb.

Buchwald sprach damals aber auch von Filmen, die ihm wichtig waren. Der Kandidat war so ein Film, der sich gegen die Kanz­ler­kan­di­tatur von Franz-Josef Strauß richtete und »seine ganzen Merk­wür­dig­keiten aufzeigte«. Von der CSU wurde er bitter bekämpft. Buchwald ermö­g­lichte mit einem Koffer­pro­jektor die Auffüh­rung des Films in Augsburg, wo sich alle Kinos gesträubt hatten. Er machte 15.000 Zuschauer, galt als »Nest­be­schmutzer« und hatte ständig Brand­schutz­prüfer und Jugend­schutz­kon­trollen im Haus. Sie wissen schon, warum wir die ganze Zeit kommen, habe eines Tages einer der Prüfer zu ihm gesagt. Ja, wegen der CSU, habe er geant­wortet.

Er war politisch. Später merkte man das nicht mehr, sein Programm wurde »Upper-Main­stream«, wie er sagte. Sein Kampf­geist zeigte sich in seiner Pionier­hal­tung.

Vor sechs Jahren war die digitale Wende noch ganz frisch, die Kinos rüsteten gerade auf digital um. Auch hier war Buchwald Vorreiter. »Der Wechsel, der kommen würde, war mir früh deutlich.« Das kam durch die Kontakte zu seinen tech­ni­kaf­finen IMAX-Kollegen und in die USA. So hatten sie bereits im Januar 2006, wie Buchwald im Gespräch stolz unter­strich, die digitale Technik im Haus, parallel zu den analogen Projek­toren: »Wir waren die aller­ersten in Deutsch­land.« Erst drei Jahre später zog das Mathäser als zweites Kino nach. Dennoch blieb Buchwald kritisch, wirklich entschei­dend war für ihn damals, 2012, die neue Technik nur, um 3D zu proji­zieren, darin sah er den eigent­li­chen Sinn.

Ein von ihm geträumter Kino-Traum, den er im Gespräch fast ganz beiläufig erwähnte, hat sich für ihn nicht mehr verwirk­licht: dass origi­nal­spra­chige Filme beim Kinostart vorge­zogen werden, zum Termin des Kino­starts im Herkunfts­land. In einer globa­li­sierten Welt mit dem unge­bremsten Infor­ma­ti­ons­fluss, bei dem kein Steg das Weiter­kommen hemmt, wäre das noch etwas gewesen.

Dieter Buchwald hatte auch 2012 schon einen Nach­folger einge­ar­beitet, Klaus Unger. Er wird jetzt das Cinema im Sinne des Kinopio­niers weiter in die Zukunft führen.