Mutig für mehr Menschlichkeit |
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Maria Montessori mit ihrem revolutionären Spielzeug | ||
(Foto: Gianluca Maria Tavarelli/ Circolo Cento Fiori) |
Von Elke Eckert
Der Circolo Cento Fiori, Mitglied der Filmstadt München e.V., widmet seine diesjährige Filmreihe Controcorrente – Gegen den Strom sechs Landsleuten, die Italien mit ihrem Mut, ihrer Willenskraft und ihrem Engagement entscheidend geprägt haben. Einigen von ihnen gelang es sogar, weit über die Grenzen ihres Heimatlandes hinaus Einfluss zu nehmen und Dinge zu verändern. Gelebt und gewirkt haben die sechs Ausnahmepersönlichkeiten – fünf Männer und eine Frau – zwischen 1870 und 1993. Die Ärztin, der Unternehmer, der Psychiater, der Geistliche, der Politiker und der Musiker sind nicht nur besondere Beispiele für Unbeirrbarkeit und Zivilcourage, sondern auch Vorbilder in einer Zeit, in der nicht nur in Italien überzeugende politische Programme und Profile fehlen, Populisten so erfolgreich sind wie lange nicht mehr und sich nur wenige trauen, »gegen den Strom« zu schwimmen. An fünf Tagen (5. bis 9. Dezember 2018) wird an diese außergewöhnlichen Menschen mit Filmen, Vorträgen und Diskussionen erinnert und ihrer gedacht.
Die Veranstaltungsreihe beginnt mit einem filmischen Porträt der Ärztin und Reformpädagogin Maria Montessori, die von 1870 bis 1952 gelebt hat. 1896 war Montessori eine der ersten promovierten Medizinerinnen ihres Landes. Schon während ihres Studiums arbeitete sie in einer psychiatrischen Klinik und nahm sich dabei besonders benachteiligter und behinderter Kinder an. Später legte sie den Grundstein für eine integrative Pädagogik und war damit eine Vorreiterin in Sachen Inklusion. Auch mit der Entwicklung spezieller Lernhilfen und der Gründung einer Kindertagesstätte für sozial benachteiligte Kinder war sie ihrer Zeit weit voraus. Die nach ihr benannte Montessori-Pädagogik wird bis heute weltweit angewandt, weil sie Kindern eine individuelle Förderung ermöglicht. Der Grundgedanke ihrer pädagogischen Arbeit lautete: »Nicht das Kind soll sich der Umgebung anpassen, sondern wir sollten die Umgebung dem Kind anpassen.« (Mittwoch, 5. Dezember ab 18.30 Uhr, Maria Montessori – Ein Leben für die Kinder, zweiteiliges Porträt von 2007, OmeU, mit Publikumsgespräch).
Das von Camillo Olivetti gegründete Unternehmen für Büromaschinen feierte dieses Jahr seinen 110. Geburtstag. Der Sohn des Firmengründers, Adriano Olivetti, kam 1901 zur Welt und übernahm mit Anfang 30 die Leitung der väterlichen Firma. Die Welt hat ihm allerdings wesentlich mehr als die erste tragbare Schreibmaschine zu verdanken. Der Spross einer jüdischen Unternehmerfamilie aus Piemont war ein Visionär, der nicht nur innovative Produkte für den Kommunikationsbereich entwickeln wollte, sondern auch wegweisende Ideen für eine sozialere Arbeitswelt hatte. Er räumte seinen Mitarbeitern ein Mitspracherecht ein und sorgte mit speziellen Freizeiteinrichtungen für ein angenehmes Betriebsklima. Heute würde man sagen, dass es dem auch politisch sehr engagierten Industriellen wichtig war, mit seinen Angestellten auf Augenhöhe zu sein. (Donnerstag, 6. Dezember ab 18.30 Uhr, Adriano Olivetti – Die Macht eines Traumes, zweiteilige Miniserie von 2013, OmeU, mit Publikumsgespräch).
Ein weiterer revolutionärer Vordenker war der 1924 geborene Psychiater Franco Basaglia. Weil er in den 1960er-Jahren nicht müde wurde, immer wieder die katastrophalen Zustände in den psychiatrischen Anstalten Italiens anzuprangern, bezeichneten ihn vor allem viele seiner Kollegen als Nestbeschmutzer. Basaglia ließ sich nicht beirren und nahm den Kampf gegen Zwangseinweisungen, Elektroschock-Therapien und die Ruhigstellung der Patienten durch Medikamente auf. Anfang der 1970er-Jahre übernahm er die Leitung der psychiatrischen Klinik in Triest mit der Absicht, sie zu schließen. 1978 hatte seine Reformbewegung »Psichiatria Democratica« letztendlich ein Gesetz zur Abschaffung der psychiatrischen Anstalten zur Folge. Seinem Einsatz für einen menschlichen Umgang mit und gegen eine Ausgrenzung von psychisch kranken Patienten setzt der Zweiteiler von 2010, Es war einmal eine Stadt der Narren, ein Denkmal. (Freitag, 7. Dezember ab 18.30 Uhr, OmeU, mit Publikumsgespräch).
Dass Giuseppe Puglisi einmal seliggesprochen wird, war bei seiner Geburt 1937 nicht vorherzusehen. Puglisi, der Sohn einer Schneiderin und eines Schusters, wuchs im Armenviertel von Palermo auf, wohin er nach seinem Theologiestudium und der Priesterweihe als junger Geistlicher zurückkehrte. Bei seiner Arbeit als Jugendseelsorger bekam er es mit benachteiligten und perspektivlosen Kindern und Jugendlichen zu tun. Um ihnen zu helfen, unter anderem mit der Gründung eines Gemeindezentrums, war er bereit, sich mit der korrupten Stadtverwaltung und der Cosa Nostra, der sizilianischen Mafia, anzulegen. Besonders Letztere griff er auch in seinen Predigten offen an und unternahm alles, um den Drogenhandel einzudämmen und die Jugendlichen vor dem Einfluss der Mafia zu schützen. Weil die Cosa Nostra ihre Macht bedroht sah, wurde Padre Puglisi, den alle nur Don Pino nannten, an seinem 56. Geburtstag vor seiner Haustür von zwei Mafiosi erschossen. Sein Vorbild und sein Einsatz für die Armen prägten viele junge Priester, auch den späteren Erzbischof von Palermo. Am 25. Mai 2013 wurde Don Pino seliggesprochen. Der Film über sein Leben und seinen Tod, der 2004 entstanden ist, trägt im Original den Titel Alla luce del sole (übersetzt: Am helllichten Tag), was genau wie der deutsche Titel Vor aller Augen eine Anspielung auf die Tatsache ist, dass der Mord an ihm auf einer belebten Piazza verübt wurde, sich aber trotzdem keine Zeugen fanden. (Samstag, 8. Dezember um 18.30 Uhr, OmeU)
Nach dem Biopic über Giuseppe Puglisi gibt die Übersetzerin und Sachbuchautorin Friederike Hausmann um 20.30 Uhr eine »Einführung in Leben und Werk von A. Gramsci«. Antonio Gramsci (1891 – 1937) war einer der wichtigsten Intellektuellen des 20. Jahrhunderts und der Mitbegründer der Kommunistischen Partei Italiens (PCI). 1926 wurde er von der faschistischen Regierung auf die kleine Insel Ustica verbannt. Während seiner dortigen 44-tägigen Haft gründete er mit Mitgefangenen eine Schule, die Bewohner jeden Alters und jeder Schicht besuchen konnten. Im Anschluss an Hausmanns Vortrag wird der Dokumentarfilm Gramsci 44 gezeigt, der von den Tagen der Gefangenschaft auf Ustica erzählt und in Interviews mit Zeitzeugen auch vom Kampf Gramscis gegen den Analphabetismus. Gramsci musste noch elf weitere Jahre in Haft verbringen. Während dieser Zeit schrieb er seine berühmten »Gefängnishefte«. Seine Schriften beeinflussten nachhaltig linke Gruppierungen in Westeuropa in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Nur eine knappe Woche, nachdem er offiziell seine Freiheit wiedererlangte, starb Gramsci an einer Hirnblutung. (Samstag, 8. Dezember um 21 Uhr, OmeU)
2001, elf Jahre nach dem Tod von Luigi Nono, entstand mit Eine Kielspur im Meer – Abbado. Nono. Pollini ein Porträt über ihn. Nono war einer der wichtigsten Vertreter der musikalischen Nachkriegs-Avantgarde, als Antifaschist und Kommunist kämpfte er zeitlebens gegen jede Art von Ausgrenzung und Diskriminierung. Der 1924 in Venedig geborene Komponist wollte mit den Mitteln der Musik die Welt verändern und zu einer besseren machen. Mit Stücken unter anderem über die Folgen eines Atomkriegs oder die Belastungen der vom Kapitalismus geprägten Arbeitswelt verbreitete er seine politischen Ideen. Die Dokumentation der Münchner Filmemacherin Bettina Ehrhardt erzählt auch von der langjährigen Freundschaft Nonos mit dem Dirigenten Claudio Abbado und dem Pianisten Maurizio Pollini. In sehr persönlichen Gesprächen kommen nicht nur diese beiden Weggefährten Nonos zu Wort. (Sonntag, 9. Dezember um 18.30 Uhr, OmeU)
Nach einem Stehempfang im Foyer des Carl-Amery-Saals ist Intolleranza 2004 – der Film zu Nonos szenischer Aktion zu sehen, ebenfalls von Bettina Ehrhardt. Die künstlerische Botschaft Nonos wird durch ihn noch konkreter. Augenzeugen erzählen von der Uraufführung von Luigi Nonos erstem Werk für die Opernbühne. In »Intolleranza 1960« wird ein Emigrant in einer »szenischen Aktion in zwei Teilen« zum Opfer von Naturkatastrophen und staatlicher Willkür. Eine Anklage gegen Krieg und Folter, gegen Rassismus und die Verletzung der Menschenwürde – und beängstigend aktuell. (Sonntag, 9. Dezember um 20.30 Uhr, OmU, zu Gast: Bettina Erhardt)
Controcorrente – Gegen den Strom
Filmreihe von Circolo Cento Fiori mit Filmstadt München e.V.
5.-9. Dezember 2018
Gasteig, Carl-Amery-Saal, Rosenheimer Str. 5, 81667 München