Der Oscar wird schwarz |
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Schwarz & Weiß & bester Film: Green Book |
Es war die überraschendste Oscar-Verleihung seit Jahren. Selten waren die Quoten der Buchmacher im Vorfeld so schlecht gewesen, und selbst dort, wo es klare Favoriten gegeben hatte.
Die größte aller Überraschungen war der Sieg von Olivia Coleman in der Kategorie »Beste Schauspielerin«. Bei aller Wertschätzung für die Britin und ihren Film The Favourite war dies dann aber womöglich doch mehr eine Niederlage von Glenn Close. Die hatte zwar sowohl bei den Buchmachern (mit 89 Prozent Gewinnwahrscheinlichkeit) als auch bei 36 Branchenexperten gelegen. Es half nichts – womöglich ist Close zu vielen Academy-Mitgliedern zu unsympathisch – ein Nachhall von ihrer Rolle als Stalkerin in Fatal Attraction? – womöglich nervt einfach ihr Auftritt als
schmallippige, verkrampfte, latent hysterische Frau des Nobelpreisträgers, oder eben diese Figur, die einfach erst viel zu spät ein halbes Empowerment erlebt.
Die allerbeste amerikanische Gegenwarts-Schauspielerin ging sowieso leer aus. Das ist nämlich ganz einfach Amy Adams.
Ansonsten hat der Hashtag #OscarSoWhite offenbar Folgen gehabt. Denn in diesem Jahr muss man plakativ titeln: Der Oscar wird schwarz – oder genauer noch: bunt. Denn zu den auffällig vielen Preisen für Schwarze und Filmen und Nominierungen mit und über schwarze Figuren kommen noch 10 Nominierungen für Roma, ein Film der zwar in Mexiko spielt, aber auch Klassen- und Rassenverhältnisse widerspiegelt und auf den aktuellen Grenzstreit mit Mexiko und die latino community in den USA abstrahlt.
Dies spiegelt die generelle Selbstermächtigung der »People of Colour« und ihrer Communitys, die derzeit in den USA zu beobachten ist.
Bemerkenswert ist weiterhin, dass es auch innerhalb der genannten Preise für Filme mit und über Schwarze Diversität gibt: 3x wurde Black Panther ausgezeichnet, der erste Film mit einem schwarzen Superhelden, immerhin ein Mal BlacKkKlansman, Spike Lees untergründig hart politische und antirassistische Farce, und dreimal Green Book. Das zeigt: Rassismus ist das neue, eigentliche Hauptthema der Filmszene – nicht (mehr) #MeToo.
Zugleich belegt die Auszeichnung für Green Book: Der Oscar mag bunter werden, aber er bleibt in Hollywood. Denn Green Book ist dann doch im Vergleich zu den beiden anderen Filmen für alle Seiten gut konsumierbar und recht mainstreamig und gefällig.
Den Eindruck einer besonderen Politisierung der Oscars muss man daher relativieren: So ist zum Beispiel bemerkenswert, dass der Film, der am schärfsten auf die Unmoral und die Abgründe der US-amerikanischen Politik zielt, Adam McKays Vice über den republikanischen »Dark Knight« Richard Cheney, trotz acht Nominierungen fast nichts bekommen hat.
Immerhin symbolisiert die diesjährige Oscar-Verleihung eine Absage ans Showbusiness, und vor allem an die Übermacht des Fernsehens mit seinem Verlangen nach Einschaltquoten.
Der Oscar gehört dem Kino und der Filmbranche – er darf nicht von einem anderen Medium gekapert werden. Das alte Fernsehmodell einer überaus altmodischen und spießbürgerlichen Show, verbunden mit dem Zwang zur Personalisierung, Vereinfachung und Infantilisierung und der Verachtung für weniger glamouröse technische Kategorien, ist an sein Ende gekommen.