Der Kapitän hat das Schiff verlassen, doch das Schiff fährt weiter |
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Peter Fonda (1940-2019) in Marianne Rosenbaums Peppermint Frieden (1983) |
Von Axel Timo Purr
»Wyatt: You ever want to be somebody else?
Stranger: I’d like to try Porky Pig.
Wyatt: I never wanted to be anybody else«.
- Peter Fonda als Wyatt in Easy Rider (1969)
Genauso wie Roman Polanskis Gedanken hätten mich auch Peter Fondas Eindrücke zu Quentin Tarantinos Once Upon a Time... in Hollywood interessiert. Doch vielleicht war Fonda schon zu krank, als Tarantinos Film vor einem Monat in den USA anlief, um noch einen Tweet über den Nachgeborenen und seine Gedankenspiele über das Jahr 1969 abzuschicken. Ein Tweet, der vielleicht so wütend ausgefallen wäre, wie seine Tweets gegen die Politik von Donald Trump vor einem Jahr. Denn schließlich hätte auch Fonda so wie die Figur Polanskis in Tarantinos Film auftauchen können, war Fonda Teil jener Hippie-Bewegung, der Tarantino in seinem Film den Todesstoß versetzt. Und mehr als das, war Peter Fonda durch seinen Vater Henry Fonda mit der anderen Seite sogar blutsverwandt, mit dem alten Hollywood, dessen letzte Atemzüge Tarantino ja ebenfalls in Once Upon a Time... in Hollywood skizziert, ohne da dabei auch nur einen Blick auf das New Hollywood zu werfen, das das alte Hollywood ablösen sollte und zu dem auch ein paar Hippies wie Peter Fonda und Dennis Hopper gehörten.
Dass sich etwas ändern musste, war allerdings schon vor dem Jahr 1969 allen klar. Spätestens im Jahr 1967, als Roger Vadim am Ende der Dreharbeiten mit Barbarella stand und Peter Fonda und seine Schwester Jane Fonda sich für Vadims Teil der Film-Anthologie Spirits of the Dead vorbereiteten. Fonda traf dort den Barbarella-Drehbuchautor Terry Southern, dem er seine Idee unterbreitete, das alte Hollywood seines Vaters mit seinen alten Western in eine neue Zeit zu überführen und einen neuen Western zu drehen, in dem die Cowboys statt auf Pferden zu reiten auf Motorrädern fuhren. Inspiriert davon war Fonda durch die Low-Budget Biker-Filme von Roger Corman worden, durch Die wilden Engel (1966) und noch einmal mehr durch Cormans THE TRIP (1967), in denen Fonda und sein Freund Dennis Hopper, aber auch Jack Nicholson vor der Kamera gestanden hatten. Southern erklärte sich bereit, an einem Drehbuch für Easy Rider zu arbeiten, für dessen Titel Southern dann auch verantwortlich zeichnete. Mit Dennis Hopper und Fonda wurde das Drehbuch erweitert und etliche Szenen während der On-Location-Drehs spontan improvisiert, so dass nach der Nominierung für einen Oscar für das beste Drehbuch Streit darüber ausbrach, wessen Anteile am Drehbuch am relevantesten waren.
Doch der Erfolg des Films, der gleichzeitig den Durchbruch von New Hollywood bedeutete, ließ den Streit schnell verebben. Hopper genoss nach dem Crowd-Funding-Chaos von Easy Rider das viele Geld von Universal, um an seinem Last Movie zu arbeiten, in dem auch Fonda wieder mitwirken sollte. Doch so wie Hopper mit diesem Film sein Heaven’s Gate erlebte, so hatte auch Fonda hinter der Kamera keine glückliche Hand, weder mit dem Western The Hired Hand (1971) noch mit dem Science Fiction IDAHO TRANSFER (1973), für die er jeweils Regie führte.
Stattdessen erspielte sich Fonda bis in die 1980er überraschende Erfolge als Action-Darsteller, sei es in Susan Georges DIRTY MARY, CRAZY LARRY (1974) oder in THE CANNONBALL RUN (1981). In den 1980ern begann Fonda sein schauspielerisches Feld wieder zu erweitern. Er interessierte sich plötzlich weniger für Großproduktionen als Independents. Es schien fast so, als würde er sich ein weiteres Mal schauspielerisch von seinem eigenen, so berühmten wie narzisstischen Vater emanzipieren wollen, den er als Gespenstersilhouette immer wieder in seinem Freund Dennis Hopper aufblitzen sah. Eine Freundschaft, die Grundzüge einer gespaltenen Persönlichkeit trug, die bei allen symbiotischen Momenten unterschiedlicher nicht hätte sein können, sowohl in den künstlerischen Ansprüchen als auch der Idee dieses immer vageren Traums, eine andere, vielleicht wahrhaftigere Art von Leben zu leben.
Wie schon bei den Anfängen seiner Karriere, die er wie sein Vater am Theater begann, schien es Fonda Spass zu machen, in jeder Phase seiner Karriere fast schon demonstrativ nicht immer nur den besten Film und die beste schauspielerische Darbietung zu erzielen, sondern auch immer wieder mutig »danebenzugreifen« und anders als sein Freund Dennis Hopper, auch im Mainstream mitzuwirken oder sich auf Filmemacher einzulassen, die alles andere als meisterwerksverdächtig waren.
Das mochte auch daran liegen, dass Fonda, anders als sein distanzierter Vater, stets versucht hat, Kinder und Familie auch in sein berufliches Leben zu integrieren; seine 5-jährige Tochter Bridget Fonda durfte ihre erste Rolle in Easy Rider als Kind in einer Hippie-Kommune spielen und seine Ranch in Paradise Valley in Montana war trotz Fondas Scheidungen stets familiäre Anlaufstelle und damit ebenfalls ein Statement, »familienpolitisch« aus dem dunklen Schatten seines Vaters Henry zu treten, für den die Karriere stets Vorrang vor der Familie hatte. Wohl auch deshalb haderte Fonda wegen dem Suizid seiner Mutter Frances Seymour in einer Nervenheilanstalt fast sein ganzen Leben mit seinem Vater, nicht nur weil er die Verantwortung für den Tod der Mutter bei seinem Vater sah, sondern auch weil Henry Fonda nie versucht hatte, die Familie auf irgendeine Weise zu »retten«.
Fondas ständige Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten und von außen bizarr anmutenden Lebens- und Karrierewendungen führte ihn schließlich auch nach Deutschland, wo er 1983 in Marianne Rosenbaums Peppermint Frieden »Mister Frieden« spielt, einen amerikanischen Soldaten, der nach dem Krieg in einem kleinen Dorf im Bayerischen Wald Pfefferminzkaugummis an Kinder verteilt und eine Affäre mit der Einheimischen Nilla hat. Bis sich dann die Fronten wieder verhärten und »Mister Frieden« weiterziehen muss, um im Koreakrieg zu kämpfen.
Nach zahlreichen weiteren kleinen Produktionen, in denen er u.a. in der italienischen Mini-TV-Serie Gli indifferenti (1989) mit Liv Ullmann vor der Kamera stand, kehrte er in den 1990ern wieder zu den Großproduktionen zurück und hatte mit Ulee’s Gold (1997) nicht nur einen großen Hit, sondern auch wieder eine Oscar-Nominierung.
In den 2000er begann sich Fonda zunehmend für den Umweltschutz zu engagieren, produzierte mit Tim Robbins die Dokumentation The Big Fix (2011) und kritisierte in diesem Kontext auch Barack Obamas Rolle während der Deepwater Horizon-Katastrophe. Fonda spielte, produzierte und schrieb bis zu seinem Tod unermüdlich weiter, Genre-übergreifend und frei wie es sich für die Ideale der Gegenkultur gehörte, die er mitgeprägt hatte und in der sicher auch Quentin Tarantino eine gar nicht mal so unsympathische Rolle eingenommen haben dürfte.
Mir hat Peter Fonda mit Easy Rider nach meinen ersten filmischen Initialisierungen wie Nordsee ist Mordsee und Der Schatz im Silbersee fast schon traumatisch die Augen und meinen Verstand geöffnet und vor allem mein über alles geliebtes Bonanzarad beschert, auf dem jeder Junge seine Pubertät als Captain America, Billy oder George Hanson ausleben konnte. Und wie so vieles dieser so schwer einzugrenzenden Gegenbewegung, für die Easy Rider stand und steht, ist vielleicht das Bonanzarad der humorvollste Kommentar auf den Versuch, eine gesellschaftliche Gegenbewegung dann doch bis in die Kinder- und Jugendzimmer zu tragen. Es kommt, aber meistens dann doch ganz anders: »Take it easy, take it as it comes.«