25.03.2021
Gestrandet auf Corona Island

Costa Kino an der Costa Blanca

ABC Park Kino Valencia
Das Kino lebt – zumindest in Valencia (und in zahlreichen anderen Regionen)
(Foto: Axel Timo Purr)

Es geht auch anders: An Spaniens Costa Blanca und in Valencia hatten die Kinos coronabedingt nur kurz geschlossen. Seit zwei Wochen haben nun auch die großen IMF-Kinos in Valencia wieder geöffnet – die Inzidenzwerte sinken trotzdem weiter. Ein Besuch.

Von Axel Timo Purr

»Die halbe Nazion iss irre; (& die andre Hälfde nich ganz bei Groschn!)«
— Arno Schmidt, Die Schule der Atheisten

In Spanien scheint Kultur und Kultur­ver­mitt­lung und was damit zusam­men­hängt dann doch einen anderen Stel­len­wert zu haben als in Deutsch­land, dem einstigen Land der Dichter und Denker. Die Schulen hatten stets – wenn auch der epide­mio­lo­gi­schen Lage ange­passten – Präsenz­un­ter­richt, die Orchester spielten weiterhin Opern und Sinfonien und auch die Theater waren eigent­lich fast immer geöffnet, egal wo die Inzi­denz­werte gerade rangierten.

Und die Kinos? Hatten (und haben) aus Mangel an US-Block­bus­tern gerade in kleineren Städten immer mal wieder geschlossen. Aber die positiven Signale der spani­schen Politik haben sowohl kleine Kinos als auch die großen Ketten zu kreativen Manövern animiert, um ihre Verluste zu mini­mieren und weiterhin Präsenz zu zeigen und dem Publikum zu helfen, die Kultur­praktik »Kino« nicht zu verlernen – sei es durch neue, der Lage ange­passte Öffnungs­zeiten nur an Woche­n­enden oder an ausge­suchten Tagen und Zeiten unter der Woche. Oder durch kleinere und größere Aktionen an die Kinos zu erinnern (und damit natürlich auch dringend notwen­dige Einnahmen zu gene­rieren), so wie das inno­va­tive Angebot der Cinesa-Kette, die die für diesen Anlass perfekte Infra­struktur ihrer Kinos für Impfungen anbot.

Aber mit der Verlei­hung der Goyas und den anste­henden Oscars, deren beider Preis­träger und Short­lists auch dann gezeigt werden, wenn die Filme schon bei Netflix laufen, liest sich das Kino­pro­gramm zumindest für Alicante an der Costa Blanca und Valencia (und eigent­lich alle größeren Städte in Spanien) fast schon wie zu Zeiten vor Corona. Umso mehr, als immer mehr große Ketten den Voll­be­trieb wieder aufnehmen, so wie die IMF-Großkinos in Valencia, die seit dem 5. März wieder in allen Sälen spielen.

Der Besuch des ABC Park-Kinos in Valencias Innen­stadt fühlt sich dann auch fast schon wie der Eintritt ins cinephile Paradies an. Selbst die 16 Uhr-Vorstel­lung von MINARI, einem der Oscar-Anwärter für den besten Film, ist trotz des Einplatz-Abstandes zwischen Einzel­per­sonen oder Gruppen gut besucht. Die spani­schen Unter­titel helfen selbst einem Deutschen mit nur mangel­haften Grund­kennt­nissen des roma­ni­schen Sprach­raums die über­wie­gend korea­ni­schen Dialoge befrie­di­gend zu erschließen, und zu verstehen, warum MINARI auch für die Kate­go­rien beste Regie, bester Haupt­dar­steller, beste Neben­dar­stel­lerin und bestes Origi­nal­dreh­buch nominiert wurde. Aber fast genau so schön wie der Film ist dann der Anblick beim Hinaus­gehen, sind das volle Foyer und die langen Schlangen vor den Kassen, die bis auf die Straße hinaus­rei­chen.

Dass diesen Andrang nicht jeder erwartet und es hin und wieder kleine Marke­ting­stra­te­gien braucht, um die Menschen in die Kinos zurück­zu­holen, deutete die Wiedereröff­nung der Yelmo-Kinos in Málaga am 19. März an – Tickets wurden zum halben Preis für 2,90 Euro angeboten. Und nicht jeder rechnet anschei­nend auch in Spanien damit, dass es bei der nächsten Pandemie ähnlich flexible Öffnungs­re­ge­lungen für das Kino gibt, denn eine Inves­to­ren­gruppe plant für Málaga das immerhin zweit­größte Autokino Europas.

Was schon wieder ein wenig riskant und abwegig erscheint, sieht man sich allein die Inzi­denz­zahlen nach der Öffnung der IMF-Kinos in Valencia, aber auch für andere Regionen an. Statt zu steigen, sind sie konse­quent gesunken und bestä­tigen damit die Mitte Februar erschie­nene Studie der TU-Berlin, nach der Kunden im Super­markt oder Ange­stellte in ihren Büros deutlich gefähr­deter als Kinogeher sind.

Doch nicht nur Spanien scheint Kultur anders zu posi­tio­nieren als der einstige Kultur-Koloss Deutsch­land. Denn auch in Albanien, Bahrain, Bosnien, Bulgarien, Kroatien, Ägypten, Island oder Nord­ma­ze­do­nien (und zahl­rei­chen anderen Ländern) werden die Kinos keiner frag­wür­digen Symbol­po­litik geopfert und bleiben geöffnet.

Selbst­ver­ständ­lich auch in China, wo jeder weiß, wie wichtig Kultur ist, um eine »stabile« Politik zu gewähr­leisten – hier brummen die Kinos seit Mitte letzten Jahres wieder auf Hoch­touren. Auch deshalb natürlich, weil man sich hier zunehmend von Holly­woods Block­buster-Industrie eman­zi­piert hat. Mit eigenen Groß­pro­duk­tionen wie dem 2020 erschie­nenen Historien-Spektakel The 800, aber auch einer seit Jahren nach­haltig wach­senden einhei­mi­schen Film­pro­duk­tion aller Genres, die den Film­ge­schmack Chinas inzwi­schen so nach­haltig verändert zu haben scheint, dass der Aufschrei, Kinos wegen auf Eis gelegter Block­buster-Liefe­rungen aus den USA nicht öffnen zu können, ausge­blieben ist.