»Wir sind nicht nur in der Politik Internationalisten.« |
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Eine überraschende, unbekannte Geschichte des deutschen Kinos | ||
(Foto: rbb/DEFA-Stiftung) |
Eolomea, Signale – Ein Weltraumabenteuer oder Der schweigende Stern – wer kennt diese Filme? Es sind besonders ausgefallene Exemplare einer an sich schon sehr seltenen Spezies:
Seit Metropolis und Frau im Mond, beide von Fritz Lang, führt der Science-Fiction Film in Deutschland ein Schattendasein. Während es in der Bundesrepublik nach dem Krieg bis auf die Serie der Raumpatrouille
Orion gar keine SF-Filme gab, kam das Genre ausgerechnet in der DDR seit Ende der 1950er für etwa 15 Jahre zu einer kurzen Blüte.
Die Ursachen dafür liegen auf der Hand: Ende 50er und Anfang der 60er Jahre feierte auch die sowjetische Raumfahrt ihre größten Triumphe: Der »Sputnik-Schock« erschütterte den Westen, die Weltraumfahrten von Kosmohündin Laika und vor allem des Kosmonauten Juri Gagarin, der als der erste Mensch im Weltall in die Geschichte einging. Es war diese
kurze helle optimistische Epoche, in der auch der Science-Fiction des DDR Kinos boomte.
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Zugleich waren diese Filme wie letzten Endes die ganze Raumfahrtanstrengung jener Epoche Kinder des Kalten Kriegs. Zum Beispiel Der schweigende Stern vom Thälmann-Filmbiographen Kurt Maetzig aus dem Jahr 1960 – dies ist keine Utopie, sondern im Gegenteil: Eine Dystopie, aus der der Bessere erst entspringt. Der Schatten von Hiroshima und die Drohung durch das atomare Wettrüsten
liegen wie ein dunkler Schatten über dieser Geschichte, die auf eine Vorlage von Stanislaw Lem zurückgeht.
Eine Japanerin erklärt: »Niemals darf ich ein Kind empfangen. Denn es würde eine Missgeburt werden, ein Ungeheuer. Für mich hat sich damals alles entschieden – mit der Bombe von Hiroshima.«
Der Film entwirft erst im weiteren Verlauf das harmonische Bild einer solidarischen Gemeinschaft. Man muss dies nicht auf die Kriegserfahrung von Maetzig zurückführen – aus der konnten, wie man weiß, auch ganz andere Träume und Ideen entwachsen.
Sondern es entspringt doch eher der Stimmung der Epoche: Es geht um den Entwurf einer zukünftigen Weltgemeinschaft, wenn ein Chinese, ein Japaner, ein Deutscher und später sogar auch noch ein US-amerikanischer Atomphysiker
mit an Bord kommen, bevor ein Raumschiff zur Venus startet. Etwas bieder, aber nicht falsch erklärt der sowjetische Held: »Die Landung auf der Venus kann nicht die Sache nur einer Nation sein. Wir sind nicht nur in der Politik Internationalisten. In einer friedlichen Welt behalten wir unsere Ergebnisse nicht nur bei uns.«
Der schweigende Stern war nicht nur ideologisch progressiv, sondern auch in seinem Design und seinen futuristischen Zukunftsentwürfen – bei den Bauten griff der Regisseur auf die Babelsberger Tradition und das Personal zurück. Für die Tricks war der Könner Ernst Kunstmann zuständig, der schon in der Weimarer Republik bei Fritz Langs Metropolis mitgearbeitet hatte.
Über Science-Fiction definiert eine Gesellschaft ihr Verhältnis zur Zukunft. Und wenn eine Gesellschaft keine Science-Fiction-Bilder hat, dann kann man folgern, hat sie in einem gewissen Sinn auch keine Zukunft.
In der DDR der frühen 60er war die Zukunft nichts Fernes, sondern eigentlich lebte man schon mittendrin. Technik-Euphorie, die Gleichheit einer Nachkriegszeitaufbaugesellschaft und Weltraum-Fantasie flossen zusammen.
Dem vergessenen Thema der DDR-Science Fiction widmete sich jetzt die Fernsehdokumentation Utopia in Babelsberg – Science Fiction aus der DDR. Sie stammt vom Berliner Filmkritiker Knut Elstermann und wurde vom RBB produziert aus Anlass des 75-jährigen Jubiläums der DEFA, der ostdeutschen Filmproduktionsgesellschaft.
Der Film zeigt das auch mit dem Blick auf Nachbarfelder: Denn zumindest gestreift wird auch, dass es Science Fiction in der DDR nicht nur im Kino gab. Vielmehr existierte eine breite und differenzierte Autorenszene, die Anfang der 70er Jahre einen großen Aufschwung erlebte.
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Um 1980 war dann aber auch in der DDR die Zukunft aufgebraucht – ähnlich wie im Kino des Westens, wo mit Meisterwerken wie Alien und Blade Runner optimistische Science-Fiction ins Pessimistisch-Dystopische umkippte.
Was diese überraschende, unbekannte Geschichte des deutschen Kinos beim heutigen Betrachter bewirkt, das ist zum einen die große Lust darauf, mehr Science Fiction auch aus anderen Ländern zu der gleichen Zeit zu sehen – aus der optimistischen Epoche der späteren Nachkriegszeit zwischen Ende der fünfziger und Mitte der 70er Jahre.
Und dann entdeckt man in sich selbst den Wunsch, doch noch einmal so unschuldig an eine bessere Zukunft zu glauben, wie es den damaligen Filmen und
ihren Menschen ganz selbstverständlich gelang.
Utopia in Babelsberg – Science Fiction aus der DDR ist in der ARD-Mediathek abrufbar. Seit Dienstag 11.05. blickt das RBB Fernsehen eine Woche lang mit insgesamt 23 Spielfilmklassikern, Dokumentationen und Kinder- und Märchenfilmen unter dem Titel »DEFA 75« auf die ostdeutsche Filmgeschichte zurück. Ab 16. Mai gibt es zudem einen großen Themenschwerpunkt zu 75 Jahren DEFA in der ARD Mediathek, in der viele der hochkarätigen Spielfilme und Dokumentationen online verfügbar sind.