Kinos in München – Kinoprogrammpreise 2021
Subventionswürdig |
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Ellbogen-Preisverleihung | ||
(Foto: Elisabeth Greil) |
Von Dunja Bialas
Eine gute Seite hat Corona: man verlässt ausgetretene Pfade und wird fündig, wenn es darum geht, sich unter Beachtung aller geltenden Maßnahmen trotzdem zu treffen. Schon zum zweiten Mal hat so die Landeshauptstadt München im idyllischen, aber sonst ungenutzten Innenhof des Kulturreferats in der Burgstraße zur Verleihung der Kinoprogrammpreise eingeladen. Optimistisch wird in diesem zweiten Jahr von Corona – trotz der traumatischen Erfahrung im Herbst 2020, als über die Kinos erneut ein Betriebsverbot verhängt wurde – davon ausgegangen, dass die Kinos nun offen bleiben dürfen. Dennoch weiß man im Stadtrat von der Not der Kulturanbieter, die zum Neustart mit vielen Einschränkungen und auch der Zurückhaltung des Publikums rechnen müssen. Er hat deshalb bewilligt, dass einmalig »Kinokultursonderpreise« an Lichtspielhäuser vergeben werden, die dieses Jahr zwar nicht für den Kinoprogrammpreis in Frage kommen, aber ebenfalls förderwürdig sind.
Denn den Kinos ist es als Kulturorten verwehrt, eine reguläre Subvention zu beziehen, wie dies etwa die Theater können. Kinos gelten – bis auf die wenigen kommunalen Kinos, die Geld aus dem Stadtsäckel beziehen (in München das Filmmuseum) – als rein privatwirtschaftliche und kommerzielle Wirtschaftsunternehmen. Kinoprogrammpreise, die bundesweit von der BKM, auf (bayerischer) Länderebene vom FFF Bayern und auf kommunaler Ebene von der Stadt München vergeben werden, sind für Kinobetreiber die einzige Möglichkeit, ein wenig Förderluft durch öffentliche Geldzuwendungen zu schnuppern, anders als die benachbarten Sparten Produktion und Verleih.
Zwölf Lichtspielhäuser kamen in den Genuss dieser einmaligen Sonderzuwendung von je 6000 Euro. Wenn man die sechs jährlich vergebenen Kinoprogrammpreise in Höhe von 7.500 Euro hinzurechnet, wird deutlich: für das einzelne Kino mag der Preis nur eine kleine (aber wichtige) Zuwendung sein, in der Summe macht das aber stolze 135.000 Euro, die die Stadt München dieses Jahr trotz gebotener Haushaltseinsparungen von 6,5 Prozent aufbringt. Kulturstaatsministerin Monika Grütters kritisierte diesen Monat prompt den Sparzwang der Stadt, der auch den kulturellen Bereich betrifft: »Und trotzdem kommt ausgerechnet eine so wohlhabende Kommune wie München als erstes mit so einer Botschaft rüber. Das fanden wir schon eine ziemlich schockierende Ansage.« Vielleicht weiß sie nicht, dass Kommunen anders als der Bund immer einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen sollten.
Der Stadt liegen die inhabergeführten Arthouse-Kinos besonders am Herzen. Seit genau zwanzig Jahren werden die Kinoprogrammpreise vergeben, seit über zehn Jahren stets an zehn verschiedene Häuser, vor ein paar Jahren wurde der Zuwendungsbetrag zusätzlich um 25 Prozent erhöht. Im Innenhof des Kulturreferats (er)griff zunächst die Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden das Wort, und dann Kulturreferent Anton Biebl nach den Urkunden, die er den Kinobetreibern und –betreiberinnen übergab.
Mit Preisen wurden ausgezeichnet: Thomas Kuchenreuther, der sich vor zwei Jahren von seinen Kinos Münchner Freiheit verabschieden musste, erhielt einen Preis für das ABC Kino in Schwabing. Das Filmtheater Sendlinger Tor von Fritz und Christoph Preßmar, das gerade die Zitterpartie einer drohenden Kündigung hinter sich gebracht hat (die Entscheidung wurde gerichtlich vertagt, was ein weiteres aufregendes Jahr mit sich bringt), erhielt als zweitältestes Kino ebenfalls die Auszeichnung. Für Laim wurde das Neue Rex von Thomas Wilhelm ausgezeichnet, der zusammen mit seiner stellvertretenden Geschäftsführerin Susanne Schmid außerdem noch das Rottmann und das Cincinnati betreibt. Es führt vor, wie ein Stadtteilkino integrierend auf die Bevölkerung wirken kann.
Der Rio Filmpalast bekam, retrospektiv gesprochen, für das Interimsjahr, in dem Theaterleiterin Kerstin Schmidt und Kinobetreiber-Witwer Daniel Kuonen Reich das Rio gemeinsam führten, ebenfalls eine Auszeichnung. Damit ist wieder einmal ein Stück Münchner Kinogeschichte in den Annalen dokumentiert. Denn ab diesem Juli wird das Rio von Christian Pfeil und Markus Eisele betrieben, denen auch das Arena und Monopol gehört (wir berichteten).
Marlies Kirchner von der »Theatiner Filmkunst«, wie das Theatiner in der gleichnamigen Passage offiziell heißt, ließ sich entschuldigen. Den Preis für das denkmalgeschützte Fünfzigerjahre-Kino nahm Bastian Hauser entgegen, der seit einiger Zeit das operative Geschäft in Absprache mit der vielfach ausgezeichneten Kinoleiterin stellvertretend führt.
Wie eine gut gelaunte Kombo wirkt das Werkstattkinokollektiv bei der Preisübergabe. Das Kino feierte dieses Jahr sein 45. Jubiläum, aber selbst Mitbegründer Erich »Waco« Wagner sieht man (neben Bernd Brehmer, Doris Kuhn und Wolfi Bihlmeir) kein fortgeschrittenes Alter an. Wen wundert’s: Standhaft hält sich das im Ehrenamt geführte Kellerkino als jüngste und frechste, oder – in den Worten des Kollektivs – »verwegenste« Spielstätte der Stadt. Das Haus in der Fraunhoferstraße ist der eindrucksvolle Beweis dafür, dass Kinos nicht kommerzielle, sondern kulturelle Orte sind, schützenswert und subventionswürdig.
Offenlegung: Die Autorin war Mitglied der Jury 2021.