Enjoy your summer! |
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Magic Moments: die »artechock«-Autoren Ulrich Mannes, Anna Edelmann und Thomas Willmann hielten Film Lectures bei den diesjährigen Filmkunstwochen München. Hier genießen sie den Abend | ||
(Foto: Filmkunstwochen München) |
Von Dunja Bialas
»Enjoy your summer.« Einer meiner Kollegen hat diesen E-Mail-Betreff gewählt, um auf sehr elegante Weise von seiner Abwesenheit abzulenken, indem er den Spieß einfach umdreht. Denn er gönnt sich gerade Offline-Müßiggang. Das Perfide an der Filmkritik, am Kino und bei allen Kulturschaffenden ist: das Rad steht niemals still, nach dem Festival ist vor dem Festival. Gerade erst sind die Filmkunstwochen München zu Ende gegangen, die die Kinobetreiber in höchste Anspannung versetzt haben, während die Leute zu ihnen kommen, um für ein paar Stunden nicht nur Kurzweil, sondern auch Kühle zu tanken. Der Stress hat sich gelohnt, die Vorstellungen waren überdurchschnittlich besucht, sagen die Kinobetreiber.
Während die Kinobetreiber Münchens jetzt wieder in den Alltag zurückkehren, sind andere schon wieder im Vorbereitungsstress. Das ist das Schicksal der Festivalarbeiter: Planung von langer Hand, azyklisches Freizeitverhalten. Wenn im Herbst der große Festivalreigen beginnt (ab Oktober: UNDERDOX, DOK Leipzig, Viennale; ab November: Mannheim-Heidelberg, IDFA), kann man davon ausgehen, dass die Macherinnen und Macher keinen Sommer am Strand hatten. Höchstens ein paar Brückentage im kommunalen Schwimmbad, oder an der Isar. Die E-Mail-Korrespondenz flutscht in diesen Tagen geradezu, bis auf meinen Kollegen erreichen mich keine Absenz-Notizen, noch nicht einmal verschämte.
»Kinos für die Zukunft« war das diesjährige Motto der Filmkunstwochen München. Eigentlich ist das Kinogeschäft ein einziger Dialog mit der Zukunft, fast sogar der Blick in die Glaskugel: Wird der Film gut laufen? Werden die Leute kommen?
Der »Zukunft des Kinos« ist auch das Siegfried-Kracauer-Stipendium gewidmet, für das man sich noch bis 20. August bewerben kann. Hier die Einreichungsmodalitäten.
Bei Zukunft denkt man immer auch an »Future is now.« Der kanadische Medienphilosoph Marshall McLuhan hat richtigerweise die Zukunft gleich in der Gegenwart verankert. Ohne Gegenwart ist die Zukunft nicht denkbar, andererseits ist Zukunft ohnehin nicht erfahrbar, ist sie doch, wenn sie eintritt, ihrerseits Gegenwart geworden. Deshalb ist »Future« natürlich immer »now«. Nur sagen musste es eben mal einer.
Ein langfristiges Handeln, wie es Festivalleiter, Filmeinkäufer und Verleiher praktizieren, ist nur möglich mit einem unerschrockenen Vertrauen in das Eintreten der Zukunft, mit einer Zuversichtlichkeit, ja fast schon Gewissheit darüber, was werden wird. Corona hat uns allen auch deshalb einen Schlag in die Magengrube versetzt. Wir konnten nicht mehr planen und projektieren, die Zukunft war zum Stillstand gekommen.
Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass folgender Passus bereits von 2018 stammt. Da schrieb ich doch glatt: »Das Home-Office [Anmerkung von heute: arrgh, ich dachte, das sei eine Corona-Erfindung!] und das Heimkino, heute begrüßt als Unabhängigkeit, werden die alltägliche Begleiterscheinung leidenschaftsloser Couch-Potatoes und Pantoffelhelden sein.« Schon damals habe ich sie wohl gehasst.
Was mir wieder einmal zeigt: Die Entwicklungen seit Corona, angeblich wegen Corona gehorchen in vielem den Interessen der Technik und der dahinterstehenden Industrie (warum aber funktioniert das bei den neuen Technologien nicht so wirklich?). Wir laufen die ganze Zeit nur hinterher, vielleicht sind wir auch deshalb so rastlos oder haben deswegen andauernd das Gefühl, dass uns die Zeit zwischen den Fingern zerrinnt. Future is now, was stehst du hier noch rum?
In die UNDERDOX-Pressemappe schreibe ich heute: »Die Welt um uns herum erleben wir in den letzten Monaten als hochgradig flüchtig.« Und weiter: »Ein Krieg zieht eine Energiekrise nach sich, lange angekündigt in dem sich still vollziehenden Klimawandel. Dürre, Brände, Bomben sind der entsetzliche Dreiklang dieses 'Summer of War'.« Hm, vielleicht besser noch mal darüber schlafen, das ist schon sehr negativ, das wollen die Leute nicht. Aber genau deshalb hatte doch der georgische Regisseur Alexandre Koberidze seinen Monumentalfilm Lass den Sommer nie wieder kommen genannt. Der Sommer verband sich mit dem Krieg.
Der Filmtitel kehrte in den vergangenen Wochen hartnäckig in mein wehrloses Hirn zurück, es war heiß, die Synapsen weich: »Lass den Sommer nie wieder kommen.«
Den Sommer aber wollen wir ungetrübt, mit strahlend blauem Himmel und weißem Strand. Er ist die liebste Jahreszeit der Deutschen (neben den fünften Jahreszeiten Karneval und Oktoberfest). Der Sommer ist superwichtig, mit Badesee, Radl-Ausflug, Biergartenbesuch. Und weil wir ein Kinomagazin sind, lassen wir natürlich das kühle Kino nicht unerwähnt. Womit feststeht: Die Filmkunstwochen sind die fünfte Jahreszeit der Münchner Kinos!
Da diese jetzt vorbei sind, gönnen auch wir uns bei »artechock« eine großes Verschnaufen mit einer kleinen Mitte-August-Ausgabe. Enjoy your summer!
Nota bene: Die Autorin ist organisatorische Leiterin der Filmkunstwochen München, kuratorische Leiterin des UNDERDOX-Filmfestivals und fühlt sich gerade wie »Sommer vorm Balkon«