Mehr Filmkultur für alle! |
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Akustisch problematisch und jetzt müssen auch noch die Leute kommen: der »Projektor« im Gasteig/HP8 | ||
(Foto: Gasteig/HP8) |
Von Nora Moschuering
Bereits am 05. November hatte die Filmstadt München e.V. zu einem Symposium in das Münchner Kulturzentrum »Luise« eingeladen – doch die Autorin hat etwas gebraucht, um die Gespräche, Impulse, Diskussionen in einen Rahmen zu bringen, der etwa drei Seiten umfasst und, es spricht für das Symposium, dass es doch länger geworden ist.
Die »Luise« wurde im letzten Jahr eröffnet, in ihrem Namen finden sich die Münchner Stadtteile Ludwigs-, die Isarvorstadt und Sendling vereint, und sie ist für alle da, für die sie, auch über diese Viertel hinaus, Veranstaltungen organisiert und Räume zur Verfügung stellt, die man für kulturelle und ehrenamtliche Aktivitäten buchen kann. Das war dann auch das Thema, das den gesamten Tag durchzog: Räume und Orte. Eingeladen waren Akteur*innen der Münchner Kulturlandschaft aus den Bereichen Kino, »alternative« Filmorte wie z.B. das »Bellevue di Monaco«, Festivals und der Politik. Gemeinsam ging man in der »Luise« einen Tag in Klausur, um in Diskussionen auf der Bühne, aber auch in Gesprächen vor und nach den Veranstaltungen über die momentane Münchner Film-, Festival- und Kinolandschaft zu reden. Das gelang konstruktiv, handlungsorientiert und tatsächlich meist optimistisch und nach vorne gewandt. Mit einem Blick auf die Kino-Besuchszahlen und die Mietpreise in München mag das erst mal erstaunen, erzählt aber von einer Branche, die sich nicht unterkriegen lässt und die von dem begeistert ist, was sie tut. Die fehlenden Zuschauer*innen blieben logischerweise auch an diesem Tag fern, obwohl sie sicherlich einiges hätten erzählen können – und einige Daten und Fakten mehr dazu auf den Podien hätten nicht geschadet (und mir persönlich: ein bisschen mehr Nerdtum).
»Mehr Filmkultur für alle«, da steckt schon einiges drin: Film ist Kultur, damit gebührt ihm Wertschätzung innerhalb der Kultur und ebenso der Kulturförderung. Scheinbar herrschen dort immer noch Hierarchien, auch die Trennung von U- und E-Kultur, die wir doch eigentlich in den 90ern abgeschafft haben wollen, genauso scheint der Gedanken noch nicht genug verfestigt, dass Film nicht nur Wirtschaftsgut, sondern vor allen Dingen: Kulturgut ist.
Zu Beginn bringt das Daniel Sponsel (DOK.fest München) launig und etwas zugespitzt auf den Punkt: Film ist Kultur und sollte als solche auch so gefördert werden, ähnlich wie Museen, Theater, Tanz oder Oper. Bei Sponsel klingt das ein bisschen so, als müssten nun alle Sparten miteinander in Konkurrenz treten, als wären Verteilungskämpfe innerhalb der Kultur nötig. In den nachfolgenden Gesprächen ist man sich aber einig, dass es darum eben nicht gehen dürfe, Konkurrenzen innerhalb der Kultur aufzumachen, sondern dass die Umverteilung außerhalb der Kultur vonstatten gehen sollte.
Welche Filme und welche Abspielstätten förderwürdig sein könnten, dazu hat sich z.B. Dunja Bialas (Underdox) Gedanken gemacht, die hier nachzulesen sind.
Sponsels Wunsch nach einem Filmpalast kann nur zugestimmt werden, auch wenn das Wort »Palast« wohl eher ein gutes Bild mit realem, aber unroyalem Anspruch ist. Der Wunsch nach einem kommunalen Filmhaus ist auf jeden Fall groß. Dunkle Kino-Säle, in denen nichts scheint außer der Leinwand, eine Lounge/Bar/Café, ein Haus, das für die Münchner Festivals zur Verfügung steht, allgemein die Filmkultur fördert, ohne in Konkurrenz zu den Kinos zu gehen.
In München – hier eine Gratulation mit mauem Händeschlag zum traurigen Spitzenplatz in Deutschland, was die Höhe der Mieten angeht – mangelt es logischerweise an bezahlbaren Orten. Die Filmstadt, die unter ihrem Dach 17 Mitglieder mit 19 Veranstaltungen (Festivals und Filmreihen) beherbergt, sieht das schon seit Jahren mit Sorge, denn das bedeutet sowohl Raumnot für die Festivals als auch eine immense Mietlast für die Kinos, wie Christian Pfeil (Arena Kino / Monopol / Rio Filmpalast) berichtet. Addiert man dann noch Energie-Kosten, weitere Nebenkosten, Personal und Filmmiete dazu, ist man verblüfft, dass das überhaupt noch irgendwie funktioniert. Auf der anderen Seite ist es eben nur im geringen Maße möglich, die Ticketpreise anzuheben, denn Zugang und damit auch Teilhabe sollte weiterhin für »alle« Menschen möglich sein (einmal abgesehen von der Frage, ob höhere Ticketpreise zu mehr Einnahmen führen würden, wenn sich gleichzeitig evtl. die Besuchszahlen verringern würden). Die Festivals müssen seit einigen Jahren in immer weniger Kinos unterkommen. Laut Pfeil ist das für ihn teilweise schwierig, denn er hat viel zu viele Anfragen und zudem auch Verpflichtungen den Verleihern gegenüber, oft sind die Festival-Termine, z.B. im Herbst, also in der Haupteinnahmezeiten für »normales« Kino, und zudem ist er jährlich mit neuen Festival-Mitarbeiter*innen konfrontiert. Das trifft einen weiteren Punkt, der benannt wird, die Fluktuation ist bei Festivals natürlich hoch, weil die Bezahlung niedrig ist und man häufig auch nur saisonal angestellt ist oder freiberuflich arbeitet. Österreich, das seinen Kulturetat eben aufgestockt hat, für Fair Pay-Bezahlung, wird gelobt, ebenso plädierte Tanja Krainhöfer (Hrsg.: »Festivals – Krisen, Chancen und Perspektiven«) für eine »Verstetigung« der Förderungsgelder von Festivals – für drei Jahre. Die Festivals benötigen also Geld, um ihre Mitarbeiter*innen angemessen zu bezahlen, und sie suchen Orte. Veronika Faistbauer (Popup Sommerkino / Popup Autokino) hat zusammen mit Simon Pirron außerhalb der Kinos nach Filmorten gesucht: das ist ihnen gelungen. Dabei geholfen, bekannt zu werden, hat ihnen wiederum das etablierte Filmfest München, mit dem zusammen es Veranstaltungen gegeben hat. Seinerseits hat das Filmfest München einen Ort gefunden, an dem es während der Pandemie stattfinden konnte. Julia Weigl (Filmfest München) ist somit auch dafür, dass die Stadt Zwischennutzungen z.B. mit Technik unterstützt. Man sieht: Die kreative Suche nach Orten läuft. Modupe Laja (Eine Welt Haus / AfroDiaspora) beschreibt, dass es ihr immer wichtig ist, neue Orte zu suchen, mit den Menschen zu sprechen und dort reinzugehen. Das Shaere in Neuperlach ist so ein Ort, Günes Seyfarth, die sich u.a. um das Kino im Shaere kümmert, plädiert dafür, Kinos mehr in die Außenbezirke zu bringen, also dahin, wo die Menschen leben.
Immer wieder kommt man – wahrscheinlich aus Verzweiflung – auf die Interimslösung im Gasteig zu sprechen. Der Carl-Améry-Saal, der dem Bedarf ohnehin nie gerecht wurde, wurde abgelöst durch einen Kinoraum, na sagen wir lieber: Beamerraum aka »Projektor« im HP8, ein kleiner, nicht schalldichter Raum, dessen Leinwand zu niedrig für Untertitel ist. Soviel zur Wertschätzung des Films!
Kooperationen und die Erschließung neuer Räume, die sich auch in Vierteln befinden, die etwas außerhalb des Stadtzentrums liegen, ist ein Aspekt. Aber zurück zum Kino, als Filmabspielstätte, aber auch als Ort. Immer wieder wird seine Bedeutung hervorgehoben: als Kulturort, Veranstaltungsort, Austauschort, Treffpunkt und ganz einfach: idealer Ort, um Filme in der besten Art und Weise zu sehen. Kinos machen zudem die Innenstädte lebendig und damit attraktiver. Ich meine, warum lebt man sonst in einer Stadt? Klar, um auf ein Kissen gestützt aus dem Fenster zu schauen, aber doch auch, weil man weggehen kann: Kneipen sind da wichtig, Theater, Konzerthäuser, aber vor allen Dingen Kinos. Gerade vielleicht sogar in ihrer wertvollen Mittelposition – nicht zu teuer, unterhaltend, bildend, und man kann während der Vorstellung Bier trinken! Film ist eine sehr bezahlbare Form der Kultur und sie ist sehr anschlussfähig an eine diverse und ausdifferenzierte Gesellschaft.
[v.l.: Monika Haas (Filmstadt), Christoph Gröner (Filmfest), Adele Kohut (Dok.fest), Julia Weigl (Filmfest), Sanne Kurz (Moderatorin), Sylva Häutle (Queerfilm Festival), Christian Pfeil (AG Kino Gilde)]
Film ist Kultur, auf jeden Fall! Aber der Kulturbegriff sollte eben auch befragt werden. Laja stellt fest, dass auch im Filmbereich immer noch eurozentristisch gedacht wird, dabei sollte es hier – wie auch in anderen Kultursparten – um die Sichtbarkeit und Repräsentation vieler Kulturen und ihrer Kunst gehen, die eben nicht nur europäisch oder US-amerikanisch geprägt sind. Der Kulturbegriff sollte ebenso vielfältig sein, wie die Gesellschaft, ergänzt Linus Einsiedler (KINO ASYL / flimmern&rauschen). Film ist eine Form des Austausches, im Falle von KINO ASYL von Menschen mit Fluchterfahrung. Die Münchner Filmfestivals tun genau das schon seit einer geraumen Zeit: Sie bilden, zumindest einen Teil, der Diversität der Stadtgesellschaft ab. Nicht zu vergessen sind dabei aber auch die Macher*innen: Wie divers ist das Team? Ist die Community beteiligt? Das Kino ist ein sozialer und gesellschaftlicher Raum, sowohl vor als auch hinter der Leinwand eines Kinos oder Festivals.
Dabei sollten auch die Hürden so niedrig wie möglich gehalten werden und Zugänglichkeit und damit Teilhabe für alle Menschen geschaffen werden: Rollstuhlzugänge und -plätze, Untertitel oder Audio-Transkription, um nur ein paar zu nennen.
Hier, wie auch beim Zur-Verfügung-Stellen und Ausstatten der Räume, wird die Unterstützung der Stadt eingefordert, sei es was Förderung und Beratung angeht, als auch Unterstützung bei der Vernetzung und Kommunikation. Die Frage kommt auf, warum beispielsweise das »Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft München« sich offenbar nicht mit Film, Kino oder Festivals beschäftigt.
Aber wie sieht es mit den Besucher*innen aus? Nach massiven Einbrüchen durch die Pandemie versucht sich das Kino wieder zu berappeln. Natürlich sind die eigentlich immer recht stabilen Besuchszahlen 2020 abgestürzt, meint Pfeil, das ist aber, bei geschlossenen oder in ihrer Auslastung stark eingeschränkten Sälen, absehbar gewesen, fatal ist es natürlich trotzdem. Das war kein Desinteresse der Zuschauer*innen, genauso wie das Zuwenden zu den Streaming-Dienste nicht ohnehin passiert wäre, es war einfach das Einzige, was möglich war. Jetzt gehe es darum, die Menschen wieder für das Kino zu begeistern, herauszuarbeiten warum es sich von den Streamern unterscheidet, damit auch hier wieder eine Gewöhnung einsetzt, wie Pfeil meint. Die kollektive, gemeinsame Film-Erfahrung muss wieder etabliert werden, eine aktive kritische Gruppe, die nur gemeinsam möglich ist. Es geht ihnen darum, das »alte« Publikum zurückzuholen, aber auch darum, ein »neues« zu gewinnen. Publikum, das sich auch, wie Faistbauer sagt, mit bestimmten Dingen auseinanderzusetzen möchte (oder vielleicht sollte). Die Filmbildung, ansetzend bei den Schulen, ist dabei ein großer Wunsch der Anwesenden. Nach wie vor ist Film- und Medienbildung nicht im Lehrplan verhaftet, dort sollte es aber integriert und nicht Einzelnen überlassen werden. Bialas fügt noch hinzu, dass das nicht nur inhaltistisch geschehen sollte, es solle auch ästhetisch gebildet werden.
Es gibt aber noch weitere Vorschläge. Pfeil würde gerne seine Publikumsentwicklung auf Basis der von ihm generierten Daten weiter vorantreiben (Customer-Relationship-Management), ihm fehlen aber dafür die Kapazitäten (und vielleicht das Know-how?). Faistbauer sieht geltende Vorschriften als riesiges Hindernis, u.a. um neue Räume zu erschließen, hier würde ihr eine beratende Stelle in der Stadt helfen, damit man durch all die Auflagen findet (und vielleicht die einen oder andere Auflage weniger). Nicht nur neue Orte sondern, wie schon erwähnt, auch Kooperationen helfen dabei neues Publikum zu erschließen. Diese Kooperationen haben, laut Christoph Gröner (Filmfest München), Weigl und Krainhöfer, während der Pandemie zugenommen – siehe Filmfest München, Autokino oder Popup-Sommerkino mit den Filmstadt-Festivals. Diese Kooperationen führen nicht nur zu »neuem« Publikum, sondern eben genau zu einer sozialen Erfahrung, etwas, das digital nicht geht. Aber natürlich führte das »Onlinegehen« während der Pandemie auch dazu, dass überregionales Publikum angesprochen werden konnte, Zugänglichkeit z.B. im ländlichen Raum geschaffen wurde und: »Menschen da abgeholt wurden, wo sie sind«, wie Adele Kohout (DOK.fest München) meint. Über digital oder analog wird an dieser Stelle aber erstaunlich kurz gesprochen, obwohl das sicher ein wichtiges Thema ist, das Vor- und Nachteile hat, Kosten und Probleme, aber sicher auch Möglichkeiten mit sich bringt.
Also zurück zum Kino, das teilweise auch unter einem Fachkräfte- bzw. Nachwuchsmangel leidet. Pfeil erwähnt, dass mit der Hochschule für Fernsehen und Film München schon einmal über einen Studiengang »Kinobetreiber« gesprochen und ein Vorschlag eingereicht wurde, der aber, bislang ohne Antwort, an der HFF liegt. Denn ja, die Kompetenz, sowohl in wirtschaftlicher als auch in inhaltlicher Form, der Kinobetreiber*innen spielt sicher eine Rolle, denn ihre Auswahl, soweit sie darin frei sind, ihre kuratorische Arbeit, kann bei der Masse der Filme helfen. Und außerdem und unbedingt: das Personal ist wichtig, da es sehr viel zur Atmosphäre eines Ortes beiträgt.
Liest man sich die kulturpolitischen Schwerpunkte des Kulturreferates durch u.a. »Kulturbegriff weiten«, »Diversity leben«, »Bildung ermöglichen« und »Digitalen Wandel gestalten«, dann ist all das etwas, das der Film, seine Orte und die Festivals zum Großteil schon machen.
Wir leben in einer extrem visuellen Zeit, ein Bedürfnis nach Film ist vorhanden: Film als Kunst, Film als Repräsentation, Sichtbarmachung, Abbildung von Realitäten, als Flucht davor, als gesellschaftlicher Kitt, Partizipation, Teilhabe, Medium, das gegenseitiges Verständnis und Empathie schafft, Kinos und Festivals als öffentliche (Diskurs-)Räume ... noch dazu sind Festivals und Kinos gar nicht mal so teuer und finanzieren sich zu einem Teil selber. Die finanzielle Ausstattung für Kunst und Kultur muss aber insgesamt wachsen, weil sie gesellschaftlich wichtig und eine Investition in Gemeinschaft ist. Ja, der Film kann mit Selbstbewusstsein auftreten und das hat er an diesem Tag getan.
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P.S. wenn jemand ein Kino übrig hat, ich würde es nehmen.
P.S.S. wenn jemand Geld übrig hat, um mein Kino zu unterstützen, ich würde es nehmen.
Literaturhinweis:
Tanja C. Krainhöfer und Joachim Kurz (Hrsg,): »Festivals – Krisen, Chancen, Perspektiven«, Edition Text+Kritik