Visions of young filmmakers |
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Filmemacher ohne Zukunft: Der von der Hamas getötete Yahav Winner | ||
(Foto: Miami Jewish Film Festival) |
Von Dunja Bialas
Die Neuvorstellung als Chef: hat er bereits hinter sich. Schon am vergangenen Donnerstag stellte Christoph Gröner als neuer Festivaldirektor die erste von ihm verantwortete Festivalausgabe vor. Was für die Berlinale innigst gewünscht wird, ein Intendantenmodell, hat die Münchner Filmwochen GmbH, unter der das Filmfest München und das Filmschoolfest firmieren, schon realisiert: Christoph Gröner führt die Geschäfte und ist außerdem, zusammen mit seiner Co-Kuratorin Julia Weigl, fürs Programm verantwortlich.
Als lässiges »Warm up« gab sich die Veranstaltung, zu dem der Freundeskreis Filmfest München eingeladen hatte. Vier Preisträgerfilme aus dem Vorjahr wurden gezeigt, der Eintritt war frei, die Laune war gut, und es gab sogar ein Filmgespräch mit Regisseurin Mila Zhluktenko, die ihren mit dem Starter-Filmpreis gekrönten Aralkum sehr präzise einführte. Die anstehende Edition des Filmschoolfests, die an diesem Sonntag in der Münchner Filmhochschule HFF eröffnet wird, ist bereits die 42. – obwohl das Filmfest München dieses Jahr erst seinen 40. feierte. Ist ja auch mal schön, wenn die kleine Schwester älter ist als die große.
Bevor wir jetzt aber an dieser Stelle beginnen, darüber zu sinnieren, ob der Altersunterschied möglicherweise etwas mit den Startschwierigkeiten des großen Filmfests zu tun hat, bei denen ein gewisser Alfred Wurm auf der Suche nach dem Glamour zwischen Cannes, New York und seinem Büro, das eine teure Villa bezogen hatte, Millionen D-Mark verbrannt hat, ohne dass überhaupt ein einziger Film in München zu sehen war (zur skandalösen Frühgeschichte des Filmfest München siehe hier), nehmen wir doch lieber freudig zur Kenntnis, dass Gröner und Weigl weg wollen vom Glamour-Narrativ, das seit der ersten Stunde wie ein Fluch über dem Filmfest liegt. Noch die letzte Leiterin, Diana Iljine (der man auf der Viennale Berlinale-Ambitionen zutraute, so der Gossip) wurde berufen, unter anderem, weil sie mit ihrer hollywoodesken Erscheinung Glamour anziehen sollte.
Dieses Glamour-Gerede aber, das macht Christoph Gröner im Gespräch deutlich, sollte jetzt endlich vorbei sein. Das entspricht auch der Realität von Festivals. Immer schwieriger wird es, selbst für die Berlinale, die immerhin ein A-Festival mit Weltpremieren ist, internationale Stars anzulocken, damit diese mehr oder minder müßiggängerisch für ihren Film werben. Gröner findet, man müsste den Anreisenden mehr bieten, zumindest Master Classes, eine Ausstellung oder ähnliches. Aber, so räumt Gröner am Schluss noch ein, ganz ohne roten Teppich wird und soll es natürlich nicht gehen. Er soll aber nicht mehr das bestimmende Filmfest-Narrativ sein.
Das kleine Filmschoolfest, das in den beiden Kinos der Münchner Filmhochschule HFF abgehalten wird, situiert sich auch dieses Jahr mit seinen 40 Filmen von 35 internationalen Filmhochschulen von Haus aus jenseits von roten Teppichen. Hier sieht Gröner viel Potential, das in den vergangenen Jahren nicht ausgeschöpft wurde. Als erste Neuerung haben Gröner und Weigl zwei Slots geschaffen, die Filme nach ihrer Originalsprache bündeln, französisch- und spanischsprachige Filme, die das Fremdsprachen-Publikum (Schule, VHS, Studium) anlocken sollen. Veranstaltungen am Vormittag geben den Rahmen für Gesprächsformate. Bei kostenlosem Eintritt zu besuchen sind eine Masterclass mit dem italienischen Kameramann Luca Bigazzi, der u. a. mit Paolo Sorrentino gearbeitet hat, ein Panel mit dem Münchner Ingo Fliess, dessen Produktion Das Lehrerzimmer für den Auslands-Oscar ins Rennen geschickt wurde, und ein Gespräch darüber, wie Diversität nachhaltig in Filmhochschulen »implementiert« werden kann. Anders als in vergangener Zeit (ohne Garantie, denn das Filmschoolfest wurde von der Autorin schon länger nicht mehr besucht) beginnen die Filmprogramme erst mit der 18-Uhr-Schiene, richten sich damit auch dezidierter an das Münchner Publikum, das in der HFF als Spielort jetzt auch mehr Platz hat als vormals im Filmmuseum.
Die einzelnen Programme – es werden ausschließlich Kurzfilme gezeigt – sind nüchtern durchnummeriert. Ein Teaser gibt den Inhalt der gezeigten Filme im berühmten Pitching-Satz wieder. Tipp: Am besten, man lässt einfach den eigenen Terminkalender entscheiden. Zwischen dem 13. und dem 18. November sollten sich Zeitfenster zu den Slots um 18:30, 20 und 21 Uhr finden lassen.
Einen Film jedoch sollte man sich vormerken: The Boy. Der 23-minütige Kurzfilm ist ein Vermächtnis des jungen israelischen Filmemachers Yahav Winner – er hat den Angriff der Hamas auf den Kibbuz Beeri am 7. Oktober nicht überlebt. Sein Film berichtet vom Alltagsleben in dem Kibbuz, von Vater Avinoam und Sohn Barak, die ihre Felder bewirtschaften. Ein gigantischer Stacheldrahtzaun trennt sie vom Gazastreifen. »Unter der Oberfläche brodelt es, die Situation droht zu eskalieren«, heißt es zum Film, er ist ein brisantes Zeugnis vom Leben unter permanenter Anspannung. The Boy läuft im Programm 3, am 14.11. (Dienstag) um 18:30 Uhr.
Auch die anderen Filme, die kein so entsetzliches Schicksal begleitet, gilt es natürlich zu entdecken. Sie sind junge Stimmen einer neuen Generation, die die Selbstverständlichkeiten der Alten hinterfragen, die beim »Weiter so« nicht mehr mitmachen wollen, die neugierig auf das Leben sind. Ob die jungen Filmemacher*innen aber »Future Storytellers« sind? Das Filmschoolfest hat sie in seinem neuen Untertitel so gelabelt, was fast wirkt, als würde man – seien wir mal realistisch – nicht unbedingt annehmen, dass die jungen Talente allesamt Filmemacher*innen werden. Ist ja auch schwierig, in der Branche. Und als Storyteller ist man ja viel breiter aufgestellt: Man eignet sich für die Game-Branche, für die Werbung, selbst für eine schnöde Pressemeldung wird Storytelling empfohlen.
Sicherlich aber wird man auch bei dem diesjährigen Filmschoolfest viele Filme entdecken können, die gerade kein Storytelling betreiben. Zumindest drei der vier Filme beim »Warm up« deuteten eindeutig in Richtung Erzählverweigerung. Ahnungsvoll ließen sie ihre Geschichten in den Zwischenräumen der Bilder, im Unausgesprochenen und sogar Nichtgezeigten entstehen. Das ist viel mehr als eine gut erzählte Geschichte. Das ist pure Poesie.