14.12.2023

Das Festival der großen Filme

La Chimera
Alice Rohrwachers La Chimera
(Foto: Piffl)

Around the World in 14 Films zeigt das wirklich ganz große Kino. Dieses Jahr gastiert das Festival zum ersten Mal in München

Von Dunja Bialas

In vierzehn Filmen um die Welt – 2006 hatte der Filmfest-München-Mitar­beiter und Kurator Bernhard Karl die Idee, die besten und span­nendsten Filme der Welt gebündelt in einem eigenen Festival zu zeigen. Gesammelt hat er sie auf seinen Reisen zu den inter­na­tio­nalen A-Festivals, und es waren sicher­lich mehr als nur vierzehn, die er dort jährlich sah. Karl hatte die Idee, Paten die Filme vorstellen zu lassen. So würden sie nicht monströs als Best-of oder gar Meis­ter­werke auf das Kino­pu­blikum einpras­seln, sondern könnten auf Augenhöhe in ihrer kine­ma­to­gra­phi­schen Beson­der­heit vorge­stellt werden. Und damit als Teil einer neu anbre­chenden, auf die Zukunft gerich­teten Film­ge­schichte. Ein Festival war geboren.

Siebzehn Jahre lang war es allein den Berlinern vergönnt, im Dezember zum Abschluss des Kinojahrs das Feuerwerk an hoch­gra­digen Filmen zu erleben – bis Bernhard Karl, gebür­tiger Münchner, an seine Heimat dachte. Und nun ist zum ersten Mal sein umfang­rei­ches (und vierzehn Filme über­stei­gendes) Festival auch in München zu sehen, aller­dings vorerst noch ohne Filmpaten.

In Berlin funk­tio­niert das laut Karl mit wenigen Mitteln aufge­stellte Festival in enger Zusam­men­ar­beit mit dem World Cinema Fund der Berlinale. Eine Koope­ra­tion mit den Yorck-Kinos erleich­tert außerdem das Abspielen der teuren Werke. In München hat Bernhard Karl mit den ebenfalls zu den Yorck-Kinos gehö­renden, dennoch eigen­s­tändig operie­renden City-Kinos eine adäquate Abspielstätte gefunden, wo er seit vergan­genem Montag und noch bis kommenden Samstag insgesamt zwanzig Filme zeigt. Wer jetzt in Panik verfällt, auch weil er viel verpasst hat, dem sei tröstend gesagt: Fast alle Filme werden demnächst auch im regulären Kino­pro­gramm zu sehen sein.

Voraus­schauen lohnt aber unbedingt. Gleich am heutigen Donnerstag läuft Alice Rohr­wa­chers La Chimera, in dem sie von Grab­räu­bern erzählt, die sich in den Acht­zi­ger­jahren in der Toskana über die Schätze der Etrusker hermachen. Es geht, wie oft bei Rohr­wa­cher, auch um eine nost­al­gisch gemeinte, aber nie überhöhte Italia­nità, der sie mit analogem Film­ma­te­rial und tiefem Huma­nismus ein Denkmal setzt. Während die Grab­räuber dem Reichtum hinter­her­jagen, sucht der sie beglei­tende Archäo­loge seine verstor­bene Geliebte. Wer oder was ist wohl die titel­ge­bende Schimäre?

Wie La Chimera war auch Olfas Töchter in Cannes im Wett­be­werb zu sehen und sorgte dort für einiges Aufsehen. Die tune­si­sche Regis­seurin Kaouther Ben Haia (Der Mann, der seine Haut verkaufte) kreiert aus einer mini­ma­lis­ti­schen Labor­si­tua­tion einen inten­siven Erin­ne­rungs­film: Vier Schwes­tern rekon­stru­ieren ihr Aufwachsen mit der allein­er­zie­henden Mutter Olfa, Schau­spie­le­rinnen über­nehmen, wenn die Wahrheit über das Vergan­gene zu weh tut. Warum hat die Mutter ihre Töchter immer wieder geschlagen, einmal gar die Älteste mit dem Besen verprü­gelt, weil sie im Gothic-Look herumlief? Der Islam und seine Codes sollten nach dem Vorfall die tradi­ti­ons­be­wusste Mutter ärgern, waren nicht ernst gemeintes Updres­sing. Irgend­wann aber wurde daraus eine fana­ti­sche Obsession: Die ältesten Schwes­tern schlossen sich dem IS an und verschwanden spurlos. Ein Grenzen auslo­tender Doku­men­tar­film über ein fami­liäres Trauma.

Direkt aus der Münchner Film­hoch­schule stammt das stark betitelte »genre-bending docu­men­tary« Life Is Not a Compe­ti­tion, But I’m Winning, was durchaus als Credo für Julia Fuhr Mann gelten kann. Ihr HFF-Abschluss­film hatte Welt­pre­miere in der Settimana della Critica von Venedig und handelt von den über­se­henen, gefoulten und ausge­grenzten Sportikon*innen der Geschichte. Eine Spiel­hand­lung wird mit Archiv­ma­te­rial von Sport­le­rinnen montiert, die wegen ihres Geschlechts am Gewinnen gehindert wurden. Disqua­li­fi­ziert, umope­riert und ausge­grenzt ist der horri­fi­zie­rende Dreiklang, hinter dem sich die Schick­sale verbergen. Julia Fuhr Mann will mit ihrem Film für Aufklärung sorgen, die History als Queer-Story neu schreiben und vor allem aber auch eine andere Zukunft denken. Adäquat zum Plädoyer für das dritte Geschlecht insze­niert sich der Film als drittes Genre – und siedelt sich gekonnt zwischen dem Doku­mentar-, Essay- und Spielfilm an.

Wer Genre lieber eindeutig gefasst haben will, findet bei »14 Films« mit Only the River Flows des Chinesen Wei Shujun einen sehr männ­li­chen Neo noir, der in den Neun­zi­ger­jahren spielt. Demgemäß spielen Musik­kas­setten, Femmes fatales und Inspek­toren tragende Rollen. Der Film sorgte im Arthouse-über­las­teten Cannes für große Begeis­te­rung. Gedreht auf 16mm ist er sogar in der Mate­ri­al­wahl eine Feier eines fast verschwun­denen Kinos.

Around the World in 14 Films Station in München
11.-16.12.2023
City-Kinos

Website des Festivals