07.11.2024
Cinema Moralia – Folge 337

Revolution von Rechts

King Kong
Der Neue im Weißen Haus... (King Kong, 1933)
(Foto: Wikicommons)

Hass und Nihilismus, aber immerhin auch eine deutsche Premiere von Christoph Hochhäusler – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogehers, 337. Folge

Von Rüdiger Suchsland

»Remember, remember the 5th of November, gunpowder, treason and plot;
for there is a reason why gunpowder and treason should ne'er be forgot.«

Zu Beginn erstmal etwas Schönes: Beim Film­fes­tival von Mannheim-Heidel­berg, das morgen eröffnet, ist neben vielen anderen (sehr) guten Filmen des zu Ende gehenden Film­jahres auch der neue Film des Berliner Regisseur Christoph Hoch­häusler zu sehen, der im Sommer in Locarno Premiere hatte: La Mort Viendr, also »Der Tod wird kommen«, heißt er. Der Film spielt – vermut­lich aus Gründen der Finan­zie­rung – in Belgien und ist vor allem in fran­zö­si­scher Sprache.

Pracht­volles, poetisch-kluges Kino! Der Film zieht einen im Nu in Bann. Die Handlung kreist um einen alten Gangs­ter­boss, der sich gegen Konkur­renten vertei­digen muss, und im komplexen Banden­krieg zwischen vier Parteien eine Outs­i­derin engagiert, die einen Verräter entlarven und liqui­dieren soll. Neben der unge­wöhn­li­chen Figur einer weib­li­chen Killerin (eine Entde­ckung: Sophie Verbeek) inmitten der Männer­welt glänzt dieser ausge­zeich­nete Film durch magne­ti­sche Insze­nie­rung, lako­ni­sche »hard boiled« Dialoge und Reinhold Vorschnei­ders so stylische wie genaue Bild­ge­stal­tung. Auf so einen wunder­baren Genrefilm hat man seit Jahren im deutschen Kino gewartet.

Und dass die Schau­spieler keine Deutschen sind, macht etwas mit dem Film und mit Hoch­häus­lers Kino, dass ich selbst noch nicht ganz fassen kann, und mir schon deshalb nochmal ansehen werde: Alles ist sofort glaub­wür­diger, körper­li­cher, erden­schwerer.

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Es gibt zu viel, über das ich jetzt gerne schreiben würden – das Ampel-Aus am aller­we­nigsten –, aber weil ich gerade soviel sehe und erlebe und schreibe, schaffe ich das alles nicht – dies als Hinweis an all jene, die mir schreiben und fragen, ob und wann ich denn über dies und jenes schreiben werde.

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Einen Kino­do­ku­men­tar­film sollte sich jeder ansehen, dem wie mir die 08/15-Empörungs­film­chen über Donald Trump auf die Nerven gehen: A Storm foretold läuft in der ard-Mediathek und erzählt von dem Sturm, der vor vier Jahren nach dem Wahlsieg Bidens begann, und seit gestern eine neue Phase getreten ist – hier kann einem wirklich schlecht werden: Ein dänischer Film, der den offenen Zynismus und gelebten Faschismus der Trum­pisten zeigt, zugleich einen unglaub­liche und glaublich spannende Geschichte über die Rechte Gegen­re­vo­lu­tion in den USA erzählt, und dabei voll­kommen auf das Mora­li­sieren vieler unserer Medien verzichtet.

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»Remember, remember the 5th of November« – dieser Kinder­reim erinnert an die »Pulver­ver­schwörung« (»Gunpowder Plot«) von 1605. Seiner­zeit sollte das Parlament in die Luft gesprengt und ein Volks­auf­stand ange­zet­telt werden. Seltsam bekannt kommt einem das heute vor.

Ein zweiter Film, den man sich mal wieder anschauen könnte ist V for Vendetta mit Natalie Portman. Es zeigt beide Seiten der Rache, die süße und die bittere. Rache dürfte aber das Thema sein, das uns in den nächsten Jahren ebenso beschäf­tigt.

Der Film wurde zu einem Symbol­film für Occupy-Wall­street, eine Bewegung, die wir in ihrer Ambi­va­lenz – gerechte Kritik, aber plumper Anti­par­la­men­ta­rismus, sowie Wutbür­gerei, deren Gestus und Affekte Trump vorweg­nehmen – heute etwas besser durch­schauen.

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Donald Trump hat einfach alle Regeln gebrochen, die im ameri­ka­ni­schen Wahl­system exis­tieren: der Wahl-Nostrad­amus Alan Lichtman, die Football Regel (Washington Heimsieg hilft amtie­render Partei), sowie die Tatsache, dass seit dem 19. Jahr­hun­dert klein Präsident zwei nicht aufein­ander folgende Amts­zeiten hatte.

Über alles wird gerade geschrieben und geredet, außer über den Elefant im Raum: Die Leute wollen keine Frau. Und keine Schwarze. Darauf muss auch die Linke reagieren.

Am wich­tigsten aber ist auch nicht das, worüber jetzt vor allem geschrieben wird: Die Ratschläge von Millionen selbst­er­nannten Wahl­kampf­pla­nern. Auch nicht »die Wirt­schaft«. Und auch nicht das falsche Vers­tändnis, mit dem man jene, die die Demo­kratie nutzen, um sie abzu­schaffen, auch noch entschul­digt.

Sondern wir müssen uns einge­stehen, dass es einfach Hass und Nihi­lismus gibt. Dass Leute Trump wählen, weil sie etwas kaputt machen wollen. Oder weil sie anderen nichts gönnen.
Es gibt das Böse.

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Wie wird das Kino sich dem stellen? Und wie verhalten wir uns zu Hollywood, dessen Insze­nie­rungs­stil und Moral all das auch erst ermög­licht hat?