Nicht wegschauen |
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Kniefall und Verbiegungen: Il conformista (Bernardo Bertolucci) | ||
(Foto: Circolo Cento Fiori | Bernardo Bertolucci) |
Als Geburtsstunde des faschistischen Regimes unter Benito Mussolini muss wohl die Ermordung des italienischen Politikers Giacomo Matteotti am 10. Juni 1924 gelten. Nachdem Matteotti im Parlament öffentlich die Wahl von Mussolini angezweifelt und dabei auf die Einschüchterung der Wähler durch Faschisten verwiesen hatte, wurde er kurz darauf von fünf Männern entführt und ermordet.
Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums dieses Ereignisses widmet der Kulturverein Circolo Cento Fiori seine diesjährige Filmreihe der Auseinandersetzung mit dem Faschismus in Italien im italienischen Film. Gezeigt werden drei kritische und wichtige Filme, die sich in ihrer Herangehensweise deutlich voneinander unterscheiden, jedoch im Kern gleichermaßen zur kritischen Analyse mit einer dunklen Zeit der italienischen Geschichte beitragen.
Den Anfang macht die 1962 erschienene Filmkomödie La marcia su Roma (Der Marsch auf Rom). Regisseur Dino Risi, Altmeister der italienischen Komödie, erzählt in überspitzter satirischer Form die Geschichte zweier Arbeitsloser, die sich der faschistischen Bewegung anschließen. Die beiden Hauptfiguren, herausragend gespielt von Vittorio Gassman und Ugo Tognazzi, verkörpern Archetypen des Bürgertums, die der Propaganda der Faschisten zum Opfer fallen. Allegorisch sieht man ihre zu Beginn anwachsende Sympathie für die faschistische Partei, die zum Erliegen kommt, als sie hinter die Fassade der leeren Versprechungen blicken.
Der historische Marsch auf Rom, bei dem die beiden teilnehmen, ist Auslöser für die endgültige Übernahme der faschistischen Partei. In Tradition der italienischen Polit-Satire lässt Risi den Zuschauer durch pointierte Überhöhungen und groteske Darstellung dieses düsteren Kapitels der Weltgeschichte zwar immer wieder schmunzeln, am Ende jedoch bleibt jedes Lachen im Hals stecken.
Fr 22.11., 21:00 Uhr, Filmmuseum München
Die italienische Parlamentswahl im Jahr 1924 fand kurz nach dem Marsch auf Rom statt und machte Benito Mussolini zum Ministerpräsidenten von Italien. Seine Partei erhielt durch das zuvor erlassene und höchst umstrittene Acerbo-Gesetz zwei Drittel der Sitze im Parlament. Il delitto Matteotti (Die
Ermordung Matteottis) beschäftigt sich mit den Folgen dieser Wahl, Giacomo Matteottis Brandrede zur Wahl im Parlament, seiner Ermordung und den nachfolgenden Reaktionen. Mit historischer Authentizität inszeniert Florestano Vancini die Wende im Parlament und die Entwicklung hin zu einem diktatorischen Regime. Dabei setzt er weniger auf dramatische Überhöhung als auf eine nuancierte Darstellung einer gescheiterten Demokratie, die es Mussolini ermöglicht, zum Duce
aufzusteigen. Mit Franco Nero (Matteotti) und Mario Adorf (Mussolini) großartig besetzt, ist der Film ein beeindruckendes Politdrama, das den Zuschauer fassungslos zurücklässt.
Sa 23.11., 21:00 Uhr, Filmmuseum München
Bernardo Bertolucci ist einer der wichtigsten Regisseure der italienischen Filmgeschichte. Mit Il conformista (Der große Irrtum) zeigt der Cinema Circolo Cento Fiori jenes Werk, welches ihn international bekannt machte. Im Zentrum des Films steht Marcello Clerici (Jean-Louis
Trintignant), der sich als Folge von seiner unterdrückten Homosexualität und einem Drang nach Zugehörigkeitsgefühlen der faschistischen Geheimpolizei anschließt. Immer dicht an seiner Hauptfigur, erzählt Bertolucci eine sehr persönliche Tragödie im Kontext einer politischen Diktatur. Clericis Auftrag bei der Geheimpolizei ist es, einen sich im Exil befindenden antifaschistischen Professor zu töten. Es entspinnt sich eine verschachtelte Spionagehandlung, in welcher
die Personen wie Schachfiguren des Regimes ihre Positionierung halten und verschoben werden. Nicht zuletzt durch seine beeindruckende Visualität lohnt es sich, den Film auf der großen Leinwand zu erleben. Die Lichtsetzung fungiert als eigener Erzähler, der dem Zuschauer mithilfe der klug gewählten Kameraeinstellungen (Vittorio Storaro) die Gefühle und Beziehungen der Figuren ohne Worte vermitteln kann. Bertoluccis Meisterwerk ist der Prototyp des modernen Spionagefilms und
ein Meilenstein des politischen Kinos.
So 24.11., 18:00 Uhr, Filmmuseum München
Giacomo Matteottis Vermächtnis
22.11.–24.11.2024
Eine Filmreihe des Circolo Cento Fiori im Filmmuseum München
Giacomo Matteotti und die erlösende Freiheit
Bis 12.12. 2024
Fotoausstellung im Italienischen Kulturinstitut, Hermann-Schmid-Str. 8, 80336 München