20.10.2005

»Autoren sind unsichtbar. Alles andere ist sichtbar.«

Szenenbild mit Val Kilmer und Robert Downey Jr.
Kilmer und Downey in
Kiss Kiss, Bang Bang

Shane Black über seine Achterbahn-Karriere und sein Regiedebüt Kiss Kiss, Bang Bang

Anfang der 90er-Jahre war Shane Black der best­be­zahlte Dreh­buch­autor Holly­woods. Nach den Scripts für Filme wie Lethal Weapon, Last Boy Scout und Last Man Standing verschwand Black 1997 in der Versen­kung. Jetzt kommt er mit seiner ersten Regie­ar­beit zurück.
Mit dem Regisseur und Autor sprach Rüdiger Suchsland.

artechock: Am Anfang hat keiner das Drehbuch zu »Kiss Kiss Bang Bang« gemocht. Warum eigent­lich?

Shane Black: Die Studios haben es nicht verstanden, sich oft auch gar nicht die Mühe gemacht, es zu lesen. Wenn ich jetzt viel­leicht nur als Autor gekommen wäre, und einen guten Regisseur dabei gehabt hätte, hätte es womöglich anders ausge­sehen. Aber selbst als ich Robert Downey Jr. und Val Kilmer mit im Boot hatte, hat es nicht funk­tio­niert.

artechock: Aller­dings ist dies nun auch eine für Holly­wood­ver­hält­nisse apoka­lyp­ti­sche Kombi­na­tion: Robert Downey Jr. nach seiner Drogen­sucht und Haft­auf­ent­halt…

Black: Das mag ein bisschen riskant scheinen…

artechock: …und Val Kilmer, das soge­nannte Kassen­gift…

Black: Ja, er hatte mit manchem ein bisschen Pech. Darum finde ich ja das tollste an diesem Film, dass es nicht um Robert Downey Jr. und Val Kilmer geht, sondern um zwei tolle Schau­spieler, die man noch nie zusammen arbeiten sah. Ich hoffe, dass die Reaktion der Leute ist, zu sagen: Ja, stimmt, das hab ich mir so nie vorstellen können, aber es funk­tio­niert ganz gut.

artechock: Ist die Existenz eines Dreh­buch­au­tors in Hollywood wirklich ein so mise­ra­bler Job, wie es immer von außen aussieht? Man wird verachtet, dauernd wird etwas umge­schrieben, und am Ende steht nicht einmal der eigene Name drauf?

Black: Es war mal ein guter Job für mich. [Lacht] Denn ich hatte gute Aufträge. Meine Scripts waren erfolg­reich. Ich konnte alles ziemlich leicht verkaufen. Diese Fähigkeit scheine ich ganz einfach verloren zu haben. Viel­leicht gelingt es mir, den Kredit zurück­zu­be­kommen, ich hoffe das jeden­falls. Wenn Sie einen Regisseur haben, und etwas ändern wollen, dann kostet das Millionen. Stars sind Prima­donnen und Prinzen, die machen viel Ärger. Aber der Autor liefert nur einen Stapel Papier ab. Man sieht die Anstren­gung nicht. Wenn man es nicht mag, heißt es: »Setzt noch einen dran.« Diese Arbeit ist privat, unver­standen und ganz gewiss unter­schätzt. Autoren sind unsichtbar. Alles andere in Hollywood ist sichtbar. »Heuert einen neuen Autor, feuert den alten.« Das ist das Motto. Über Papier kann man sich lange streiten.
Damit will ich nicht sagen, dass dies sich nicht ändern könnte. Autoren sollten argu­men­tieren, ihr Script vertei­digen, sollten nicht so schnell aufgeben, sondern zu dem stehen, was sie gemacht haben. Menschen reagieren auf Leiden­schaft, wenn einer leiden­schaft­lich für etwas kämpft, lassen sie sich über­zeugen. Aber sie jammern immer, versuchen gar nicht zu kriegen, was sie wollen.

artechock: War das früher besser, als noch Leute wie Raymond Chandler für Hollywood geschrieben haben?

Black: Nein. Es war genau das gleiche. Genau die gleichen Probleme. Chandlers Portrait von Hollywood ist ganz ähnlich. Autoren sind der am leich­testen ersetz­bare Teil des ganzen Prozesses. Und das ist eine Schande: schauen Sie sich heutige Filme an: Sie sehen toll aus. Selbst schlechte Filme haben ein tolles Produc­tion Design, eine super Technik. Alles ist da – außer einem Script. Um das schert sich keiner. Die bril­lan­testen Leute kommen zusammen, um ein furcht­bares Script zu verfilmen. Während es doch so sein sollte, dass das Script so toll ist, dass man der Story selbst dann noch folgen kann, wenn der Rest nichts taugt. Es ist eine Schande.

artechock: Woran liegt das?

Black: Das ist eine Frage des Timings. Filme werden in Hollywood entweder sehr schnell gemacht, oder gar nicht. Die Leute sind so verzwei­felt auf der Suche nach einem Erfolgs­re­zept, dass sie sagen: Ok, wir haben Mel Gibson, wir müssen den Film machen. Das Script haben wir zwar noch nicht gelesen, aber wir haben die Stars, also egal, wir müssen anfangen. Das ist heute anders. So war es nicht immer.

artechock: Main­stream-Filme sind heute erstaun­lich schlecht…

Black: In den 70-ern bis in die frühen 80-er standen die Leute ein paar Stunden Schlange, um einen neuen Block­buster zu sehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich zwei Stunden in der Schlange stehen würde, um Lara Croft II zu sehen. Wenn etwas auch nur ok ist, flippen die Leute aus. Weil sie hungrig sind. Filme wie Alien oder Good­fellas waren unglaub­lich stark. Heute muss man die kleinen Filme sehen, wenn man so etwas erleben will.

artechock: Glauben Sie, dass das breite Publikum genug Hinter­grund­wissen besitzt? Kennt es die alten Filme, auf die Sie sich in Kiss Kiss, Bang Bang beziehen?

Black: Keine Ahnung. Das finden wir jetzt raus.