USA 2005 · 102 min. · FSK: ab 12 Regie: Shane Black Drehbuch: Shane Black Kamera: Michael Barrett Darsteller: Val Kilmer, Robert Downey Jr., Michelle Monaghan, Deanna Dozier u.a. |
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Ich schau Dir in die Augen... |
»Mein Name ist Harry. Ich bin ihr Erzähler. Willkommen auf der Party, willkommen in L.A.« – so wie der Film beginnt – ironisch, gelassen, selbstreflexiv – so bleibt er bis zum Ende. Kiss Kiss, Bang Bang, schon das ist eine ironische, gleich multiplizierte, clevere Erinnerung: An einen Song von Nancy Sinatra, an das gleichnamige Buch der berühmten Kritikerin Pauline Kael, einen Klassiker der US-Filmgeschichtsschreibung, an einen James-Bond-Film.
Aber Kiss Kiss, Bang Bang, das brilliante Regie-Debüt von Shane Black, ist alles andere als ein Film, der Vorwissen oder auch nur besondere Anstrengung verlangt – im Gegenteil: Dies ist eines der kurzweiligsten Kinoerlebnisse des Jahres, charmant und intelligent, elegant und klug; harter Thriller und turbulente Komödie zugleich, und damit bestimmt der US-Film dieses Jahres, dem es am besten gelingt, gleichzeitig geistreich und unterhaltend zu sein.
Das Voice-Over, das die Handlung von Anfang an kommentiert und ironisiert, bricht und auch mal zurückdreht, stammt von Harry Lockhart (sprechende Namen, nicht nur hier, wie es sich gehört), der vorwitzig-überforderten Hauptfigur. Gerade langweilt er sich auf einer Filmparty in Beverly Hills, als – »aber das ist eine andere Geschichte, auf die kommen wir in einer Minute zurück« Alles begann nämlich mit einer wilden Flucht vor der Polizei. An ihrem Ende fand sich der erfolglose Einbrecher plötzlich mitten auf dem Casting für einen Kriminalfilm wieder. Weil sein Auftritt – wie könnte es anders sein? – dermaßen echt und überzeugend wirkte, wurde er sofort verpflichtet und so steht er nun, ehe er sich versieht, auf einer jener typischen langweiligen, wichtigen, wichtigtuerischen Hollywood-Partys, und der eigentliche Film beginnt. Dort trifft er eine schöne Frau – und schöne Frauen bringen Ärger, jedenfalls im Kino. Darum hat Harry (brillant und voller Charme gespielt von Robert Downey Jr., der sich hier einmal mehr als einer der Besten in Hollywood entpuppt) bald ein blaues Auge. Das hindert ihn nicht, sich noch am gleichen Abend in eben jene Frau zu verlieben. Aber eigentlich hat er sie immer geliebt – spätestens seit beide mit 12 Jahren zusammen – er als Zauberkünstler, sie als noch zu zersägende Jungfrau – in der Provinzstadt in der sie aufwuchsen, zusammen auftraten. Doch Harry war nur Harmonys bester Freund.
Jetzt bekommt er eine zweite Chance, glaubt sie doch, Harry sei ein echter Privatdetektiv, während er in Wahrheit nur einen spielen soll, und darum einen echten begleitet, um glaubhafter zu wirken. Bald finden die beiden eine genauso echte Leiche, und Harry sich, ehe er sich versieht, inmitten einer typischen verworrenen Film-Noir-Intrige wieder, in der es um Mord, Erpressung, Inzest und Identitätstausch geht – aber letztlich vor allem darum, wie ein Mann in einer korrupten, brandgefährlichen Welt überleben und das Mädchen kriegen kann, das er liebt.
Dieser Film hat den Blues. Mit wohldosiertem Ernst in der Handlung zeigt er Figuren, die cool und romantisch, melancholisch und abgebrüht sind, in brillant inszenierten und überaus witzigen Szenen, schnellen, klugen Screwball-Dialogen voll unwiderstehlicher Kraft – und bezaubernd selbstreflexiv. Aufgebaut ist alles nach Kapiteln, deren jedes den Titel einer Novelle von Chandler trägt. Wie in dessen Kurzgeschichten entschlüsselt ein kommentierender Erzähler Elemente der Geschichte und setzt sie dauernd neu zusammen. Doch mehr als eine Hommage an Chandlers hard boiled stories ist dies eine sardonische, erwachsene Komödie über eine korrupte, zynische Welt, über die Macht des Geldes, des Scheins und der Täuschung, die Hollywood mit dem (organisierten) Verbrechen gemein hat.
Regisseur Shane Black und Hauptdarsteller Robert Downey Jr. können von all dem persönlich ein Lied singen: Black hat Anfang der 90-er Jahre die Drehbücher für ein paar sehr erfolgreiche Hollywood-Filme geschrieben. Danach feierte er zehn Jahre lang und schrieb zugleich endlich ein Script geschrieben, das genau so war, wie er gern wollte, und in dem er nicht nur die Filme der 40-er Jahre sondern auch die Hollywood-Verhältnisse der Gegenwart ironisch persifliert. In Kiss Kiss, Bang Bang macht Shane Black einfach nichts falsch. Das Resultat ist eine Verbeugung vor seinen Vorbildern, ein teurer Independent-Film, besser als alles – wirklich alles –, das in diesem Jahr aus Amerika zu uns kam – Triumph des Autors und ein filmischer Befreiungsschlag.