»Natürlich ist das Thema Scheidung für viele Kinder sehr wichtig« |
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Emil Tischbein und Pony Hütchen – was für Namen! | ||
(Foto: Bavaria Film) |
Ein Kultbuch und auch Filmklassiker ist Emil und die Detektive seit über 70 Jahren. Nach drei Fassungen auf Zelluloid – der 1931er Film von Gustav Lamprecht und Billy Wilder ist berühmt, weitere gab es 1954 und 1963 – hat ihn jetzt die Münchner Regisseurin Franziska Buch verfilmt. Im vorigen Jahr wurde sie für ihren letzten Film, Verschwinde von hier! mit dem Max-Ophüls-Preis in Saarbrücken ausgezeichnet. Statt einer wortgetreuen Literaturverfilmung ist dieser Emil eine großzügige, moderne Interpretation des Stoffes, ein kluger Kompromiss aus wohldurchdachter Neuerung und der Treue zur Vorlage.
Mit Franziska Buch sprach Rüdiger Suchsland
artechock: Wie sind sie auf Kästner gekommen?
Franziska Buch: Die Bavaria hatte mich gefragt, ob ich Lust hätte eine Neuverfilmung zu übernehmen. Das hat mich schnell interessiert, denn neben Astrid Lindgren ist Kästner für mich der interessanteste Kinderbuchautor. Außerdem hatte ich meiner kleinen Tochter versprochen, einmal für sie einen Film zu drehen und hatte große Lust, überhaupt Literatur zu verfilmen.
artechock: Sie haben das Drehbuch gegenüber der Vorlage in wichtigen Teilen verändert. Warum?
Buch: Literaturverfilmungen sind für mich nur interessant, wenn es sich nicht um wortgetreue Nacherzählungen handelt – dafür sind die Bücher immer besser –, sondern um subjektive Neuinterpretationen. Ich wollte den Geist von Kästner einfangen, aber unbefangen mit dem Stoff umgehen. Darum habe ich das Buch einmal gelesen, dann aber zur Seite gelegt, und selber geschrieben. Auch den Film habe ich erst später angeguckt, immerhin stammt dessen Buch von Billy Wilder, da wollte ich unbefangen sein. Später dann habe ich natürlich noch manche Kästner-Dialoge übernommen, die mich überzeugten. Es sollte ein Film werden, der nicht nur Kinder und Jugendliche anspricht, sondern auch ein erwachsenes Publikum – etwas für die ganze Familie, heraus aus dem Ghetto des Kinderfilms.
artechock: Was waren Ihre Arbeitskriterien?
Buch: Was mir am Original sehr gut gefällt, ist seine romantisch-utopische Komponente – meiner Ansicht nach ist das ein Hauptgrund für den anhaltenden Welterfolg des Buches. Kästner erzählt eine archetypische Abenteuergeschichte darüber, dass Kinder sich gegen die Erwachsenenwelt behaupten können, wenn sie nur zusammenhalten, wenn sie Mut und Selbstvertrauen haben. Das gefiel mir.
Aber Kästner ist manchmal etwas zu
belehrend und humorlos. Das wollte ich reduzieren. Daneben atmet das Buch den Geist der zwanziger Jahre. Die Großstadt war damals noch etwas Ungewohntes, Sensationelles. Heute funktioniert das nicht mehr so.
Wichtig war mir auch, die sehr altmodischen Rollenbilder zu modernisieren, und die Präsenz von Mädchen zu erhöhen. Darum hat Pony Hütchen eine tragende Rolle bekommen. Ich habe bei den Testscreenings gemerkt, dass viele Kinder das begrüßen. Denn Kinder erkennen sehr schnell,
wo etwas nicht mehr authentisch ist.
artechock: Gilt das auch für andere Themen des Films?
Buch: Ja. Kästner hat einen sehr genauen Blick auf soziale Verhältnisse. Aber der ist auch eindimensional. Platt gesagt gibt es bei ihm die Gleichung: arme Eltern = gute Eltern, reiche Eltern = schlechte Eltern. Das war mir zu simpel. Mich haben hier Fragen mehr interessiert, die ich auch schon in früheren Filmen behandelt habe: Die Veränderungen der Familien, die einerseits zerfallen, sich aber auch neu zusammensetzen, und besonders die Rollen von Kindern darin.
artechock: Ihr Film startet relativ groß, mit rund 450 Kopien. Um dieses Wagnis etwas „abzufedern“ haben Sie vorher Testscreenings nach US-Muster durchgeführt. Was waren Ihre Erfahrungen?
Buch: Sehr gute. Der Film kam beim Publikum an, das gab uns Sicherheit. Nur eine kleine Szene wurde im Nachhinein etwas abgeändert, weil sie für junge Kinder zu schwer verständlich war. Ansonsten gab es eine interessante Erfahrung: Viele Kinder reagierten positiv darauf, dass das Thema Scheidung der Eltern – eine Erfahrung, die heute viele Kinder machen – nicht ausgespart wurde. Interessanterweise wurde das von Elternseite kritisiert, mit dem Argument, das Thema sei überbewertet. Die Tests hatten meinen Eindruck bestätigt, dass dies nur eine Wunschvorstellung der Erwachsenen ist. Natürlich ist das Thema Scheidung für viele Kinder sehr wichtig.