»Sie haben das Gesetz gebrochen, aber ich kann sie verstehen« |
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Sofia Coppola | ||
(Foto: Pathé) |
In Berlin in der Julihitze: Sofia Coppola hat ein kurzes, dünnes Sommerkleid an. Um sie herum eine Handvoll Interviewer. Alles wirkt eher wie eine kleine Pressekonferenz. Sie trinkt stilles Wasser, und antwortet schnell in sehr kurzen Sätzen.
Das Gespräch führte Rüdiger Suchsland.
artechock: Könnten Sie sich auch vorstellen, ein fremdes Drehbuch zu verfilmen?
Sofia Coppola: Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Für mich ist das Drehbuchschreiben Teil der ganzen Arbeit, einen Film zu machen.
artechock: Da sie in einer Künstlerfamilie aufgewachsen sind, und selber viele „Prominente“ kennen: Steht Ihnen The Bling Ring näher als andere Ihrer Filme?
Coppola: Nicht wirklich. Ich wuchs auf dem Land auf, eher behütet, und die Welt von Paris Hilton und Illustriertenstars ist mir wirklich fremd.
artechock: Was war es, dass Ihr Interesse an dieser Geschichte auslöste?
Coppola: Ich las den Artikel im „Vanity Fair“ und fand ihn sehr bemerkenswert. Er sagt viel über unsere Welt und handelt von einem Leben, das sehr anders ist als das, in dem ich aufwuchs. Er war unterhaltend, hatte viel Humor. Ich dachte, das könnte ein guter Film werden, aber zuerst glaubte ich nicht, dass ich das machen würde.
artechock: Sehen Sie Ihren Film als Kritik an der Konsumgesellschaft und ihre Obsession mit billiger Prominenz?
Coppola: Ich denke, man muss diese Seite unserer Kultur mehr Beachtung schenken. Da ist etwas in unserer Kultur aus dem Gleichgewicht geraten, zumindest in Amerika. Es ist wert, das zu diskutieren. Aber das Publikum soll selbst entscheiden. Die Perspektive der Kinder war interessant. Sie hatten kein Unrechtsbewusstsein.
artechock: Haben Sie irgendwen aus der „Bling Ring“-Bande getroffen?
Coppola: Zwei: Den Jungen und eines der Mädchen.
artechock: Sind die Kids Ihrer Ansicht nach Täter oder Opfer?
Coppola: Sie haben das Gesetz gebrochen, aber ich kann sie verstehen. Sie sind sehr beeinflusst von unserer Gegenwart. Nicht so leicht zu sagen, es ist nicht so simpel.
artechock: Ich habe den Artikel gelesen: Manches haben Sie eins zu eins übernommen, anderes total verändert. Nach welchen Kriterien haben Sie das gemacht?
Coppola: Je nachdem, was interessant für mich war.
artechock: Aber nach welchen Kriterien? Was macht etwas für sie interessant?
Coppola: Das entscheidet sich im Denk- und Schneideprozess. Ich kann’s Ihnen nicht recht sagen. Man nimmt das, was man besonders herausragend findet.
artechock: Ich sehe Ihren Film als Kritik an der Konsumgesellschaft. Aber etwa die Tatsache, dass Sie in Paris Hiltons Villa gedreht haben, könnte man als Widerspruch dazu verstehen: Sie bedienen auch den Promi-Mythos und benutzen ihn, um den Film zu promoten.
Coppola: Ich wollte etwas Authentisches machen. Natürlich kann man sagen: Ich promote Paris Hilton. Aber jeder mit etwas Hirn begreift doch, aus welcher Perspektive wir an den Stoff ran gehen.
artechock: Sie benutzen unsere voyeuristischen Instinkte...
Coppola: Ja. Aber wir müssen diese anerkennen. Wir haben diesen Voyeurismus, zumindest die allermeisten von uns haben ihn.
Man muss vernünftig mit ihnen umgehen. Es ist alles eine Frage der Zurückhaltung. Es gibt viele Leute die eine Aufmerksamkeit genießen, die ihnen nicht zukommt.
artechock: Hat Ihnen jemand gesagt, dass Sie die Kinder glorifizieren?
Coppola: Ich habe gehört, dass das manche sagen. Aber ich versuche, ein vernünftiges Maß einzuhalten: Sie wandern ins Gefängnis, ihre Leben sind ruiniert. Ich versuche das nicht zu glorifizieren.
artechock: A propos Maß: Stimmen Sie zu, wenn ich sage, dass ihr Film eine Kritik eines bestimmten Übermasses von Reichtum ist?
Coppola: Ich will niemanden kritisieren. Ich mache meinen Film aus einer bestimmten Perspektive und gebe die wieder – die Leute können sich dann Ihre Meinung bilden.
artechock: Aber in Ihrem Film ist Quantität eine Qualität...
Coppola: Es geht da definitiv um Exzess. Und klar: Für mich ist das definitiv viel zu viel.
artechock: Welche Beziehung sehen Sie zwischen diesem und Ihren anderen Filmen?
Coppola: Ich analysiere mich selber nicht. Das mag ich nicht. Aber ich glaube, es gibt bestimmte Themen in allen Filmen, die sich ähneln. Etwa die Frage, was heute Identität bedeutet. Ich denke seit einiger Zeit auch über die Frage nach, warum um Himmels Willen eigentlich jeder Mensch berühmt sein will. In diesem Sinn ist dieser Film schon eine Art Fortsetzung meiner Arbeit. Nur die Perspektive ist eine neue.
artechock: Wollen Sie, dass Ihre Filme Ausdruck von Schönheit sind?
Coppola: Visuelle Schönheit ist mir sehr wichtig... Ich will, das meine Arbeit das zeigt. Mich interessiert, wie man Geschichten in Bilder übersetzt. Ich versuche mich immer daran zu erinnern, dass es noch anderes gibt als das Visuelle.
artechock: Haben Sie Ziele als Regisseurin?
Coppola: Ich habe keinen großen Plan. Ich wähle meine Stoffe sehr intuitiv.
artechock: Aber müssen Sie nicht auch darauf achten, dass die Filme sich gut verkaufen? Dass sie in Cannes oder Venedig landen?
Coppola: Nein, eigentlich nicht. Ich muss nur darauf achten, dass das Budget niedrig genug bleibt.