USA 2013 · 91 min. · FSK: ab 12 Regie: Sofia Coppola Drehbuch: Sofia Coppola Kamera: Christopher Blauvelt, Harris Savides Darsteller: Katie Chang, Israel Broussard, Emma Watson, Claire Julien, Taissa Farmiga u.a. |
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Fashionistas auf der Suche nach dem nächsten illegalen Kick |
Sie habe es halt leichter als andere, aber am Ende sei sie nur interessant, weil sie die Tochter ihres Vaters ist – so lautet das böseste unter den vielen bösen Sätzen und Vorurteilen, die wohl jeder schon mal gehört hat, wenn das Gespräch auf Sofia Coppola kam. Diese junge Frau, immerhin auch schon über 40 Jahre alt, und mit fünf, vielfach preisgekrönten Spielfilmen Regisseurin längst etabliert, wird sich wohl nie ganz aus dem Schatten ihres Vaters lösen können.
Eine höhere Tochter eben. So geht das Gerede weiter: Geboren mit dem Silberlöffel im Mund, wahrscheinlich ein bisschen verrückt, wie die New Yorker so sind, und ansonsten ein desinteressiertes Luxusgirl, das auf teure Markenklamotten steht, und die Bekanntschaften des Vaters dazu ausnutzt, sich interessant zu machen – und seine Shopping Touren künstlerisch zu verbrämen. So etwa geht das... Lost in Translation sei 2003 ja ganz gut gewesen, aber doch irgendwie dünn, Somewhere höchstens noch von oberflächlichem Witz. Den Goldenen Löwen von Venedig habe sie damals ja nur gewonnen, weil ihr Ex Tarantino in der Jury saß, und ihre anderen Filmen seien so hohl und oberflächlich wie die ganze Frau. Wenn es mal einer gut meint, wie der Redakteur einer süddeutschen Tageszeitung, dann schreibt er über ihren »angeborenen Adel«, »Tüten von Chanel und Hermès« und dem kleinen Schwarzen. Hm.
Warum ist es eigentlich so schwer, Sofia Coppola einfach als gute Filmemacherin zu sehen? Ok, wir wissen: Schönheit steht unter Verdacht. Was schön ist, muss wohl böse sein, oder zumindest oberflächlich und seicht. Das Gute, Kluge, künstlerisch Wertvolle hat hart zu sein und schwer, muss errungen werden. Wer nie sein Brot mit Tränen aß... Das kann Sofia Coppola nicht bieten. Sie hat auch keine Lust, den Leuten zu servieren, was sie haben wollen: »Es wird immer welche geben, die meine Arbeit nicht verstehen.« sagt sie, »aber ich werde nicht aufhören, die Dinge so zu machen, wie ich es für richtig halte.« Wenn das ein Haneke sagt oder Godard, dann ist es nicht der Rede wert, bei einer jungen Frau wie Coppola findet man das arrogant.
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Die eigentliche Provokation von Coppolas Art des Filmemachens liegt aber woanders: Darin, dass diese Regisseurin die Inhalts- und Themenlastigkeit, das Content- und Plotdogma des zeitgenössischen Kinos einfach nicht akzeptiert. Kino heißt zeigen, nicht erzählen. Bilder, statt Erklärungen, Musik statt Worte. Worte sind überbewertet. Genau darum sind ihre wort- und erklärungskargen Filme, wie The Virgin Suicides, Marie Antoinette (2006) und jetzt The Bling Ring auch die deutlich interessanteren, weil radikaleren, ohne Zugeständnisse an die Freunde des Kunsthandwerks. Immer wieder stellt Coppola sich eine zentrale und wichtige Frage: Wie erzählt man von Inhalten ohne Plot? Ohne Psychologie? Ohne Moralisieren? Coppola akzeptiert die Differenz von Sein und Schein, von Form und Oberfläche nicht, sondern ebnet sie ein. Das wirkt dann so, als seien ihre Filme reine Oberfläche, nur noch Form. Es wirkt wie Ästhetizismus. Tatsächlich aber setzt sie beides gleich, parallelisiert, entdeckt sie im Sein den Schein, und im Schein das Sein.
»Dedicated to Harris Savides« steht auf der Leinwand, bevor es losgeht. Coppolas Kameramann in diesem Film und in Somewhere, der auch bei den wichtigsten Filmen von Gus Van Sant und in David Finchers The Game und Zodiac und auch für Jonathan Glazers großartigen Birth die Bilder gestaltete, war im Oktober 2012 kurz nach Ende der Dreharbeiten mit nur 55 Jahren an einem Hirntumor gestorben.
Mit einem Einbruch geht es los, »Shit« hört man, dann sind die Jugendlichen drin: Girls die Fun haben, in Schuhen und Klamotten baden. Ein Hauch von »Spring Breakers«. Wir sehen Luxus im Überfluß: Kleider! Schuhe!! Schmuck!!! Dazwischen der aus Steinen gelegte Schriftzug »Rich Bitch«. Dazu Musik. Marken, eine Feier der Oberflächen. Man denkt sofort an Marie Antoinette. »Based on real events«
steht auf der Leinwand, der Hinweis auf einen »Vanity Fair«-Artikel, der alles inspirierte: »›The Suspects wore Louboutins‹«. Dann ist der Vorspann zu Ende.
Emma Watson schwadroniert vor einer Fernsehkamera über die »huge learning lesson«, die sie gerade erlebe. Offenbar wird ihr der Prozess gemacht. Ein Insert orientiert uns: »one year earlier«. Ein
Mädchenschlafzimmer fast ganz in Weiß, ein großes Bett, ein Bowie-Poster an der Wand. Eine all american family beim »morning prayer«. Mutter und drei Töchter, die Töchter gelangweilt, die Mutter absurd engagiert. Ihr Wunsch: »to be the best person to the greater benefit of the planet.«
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Diese Geschichte erschütterte vor ein paar Jahren die Promi-Welt von Los Angeles, und ereignete sich im Großen, Ganzen tatsächlich genau so, wie sie hier erzählt wird: Eine Gruppe von High-School-Schülern, die meisten von ihnen Mädchen und aus wohlhabenden Verhältnissen, war über Monate immer wieder in die Villen von Glitzerstars wie Paris Hilton und Lindsay Lohan eingedrungen, und hatte dort teuerste Markenklamotten, Schmuck und Geld mitgehen lassen. Von Einbruch möchte man trotz allem kaum sprechen, denn zu den vielen Merkwürdigkeiten dieses Falls gehört, dass nie ein Fenster eingeschlagen oder sonstwie Gewalt angewandt wurde, und nie heulte irgendeine Alarmsirene. Die Promis gingen mit ihrem Hab und Gut offenbar überaus leichtsinnig um: Bei Paris Hilton zum Beispiel lag der Schlüssel einfach unter der Fußmatte, bei andern standen Fenster oder Türen tagelang offen. Per Google hatten die Kids, die viele ihrer Opfer verehrten und vor allem deswegen stahlen, um durch ein Designerstück ihrer Lieblinge diesen noch näher zu kommen, die Adressen erfahren. Und wann ihre Bude sturmfrei war, das posteten die Stars gleich selbst auf Facebook.
Coppola erzählt alles daher auch aus Sicht der einbrechenden Kids, die Ernst und Spaß nicht unterscheiden können, und das Einbrecherdasein als Gang in den Candy-Store erleben, mit mehr als einem Hauch von »Bonnie & Clyde«. Gangleaderin Rebecca – eine Halbkoreanerin, womit am Rande erwähnt einmal mehr die Böse eine Asiatin ist. Oder sind die nur geborene Führungspersönlichkeiten? – ist ein echtes fashion addict: »I want some Chanel« stöhnt sie, und los gehts…
Und doch ist The Bling Ring noch mehr eine sarkastische Satire auf Konsumrausch, Medienkultur und Promiwahn. Da Coppola nicht zuletzt ein Genie der Schauwerte und der Oberflächen ist, stellt The Bling Ring auch die Obszönität des Luxus mancher Superreicher aus: Immer wieder sieht man wohnzimmergroße Kleiderschränke mit Haute-Couture, Kisten voller echtem Schmuck, champagnerflaschengroße Flacons mit Edelparfüm – Qualität in Quantität und zwar in einem Ausmaß, das selbst König Midas neidisch machen muss.
Wie soll man so etwas erzählen oder besser: zeigen? Durch Wiederholungen und den Effekt des Seriellen. Denn genau darum geht es ja auch inhaltlich: Um das Immergleiche; um die Leere des Überfluss. Coppola will vom System des Luxus erzählen. Und das kann man nur, wenn man ihn darstellt, nicht symbolisch, sondern in reiner Quantität. Wenn man Überfluss auch als solchen zeigt.
Moralfragen bleiben in dem hochgradig unterhaltsamen The Bling Ring weitgehend außen vor. Die Moral von der Geschicht' ist, dass es keine Moral gibt. Die Jugendlichen werden zwar irgendwann erwischt und verurteilt; Coppola selbst aber urteilt nicht, sondern zeigt uns einfach, wie die Kinder unserer Wohlstandsgesellschaft ihre Tage verbringen. Der Blick auf sie ist so neidisch wie fassungslos.
Die meisten der Jugendlichen werden von völlig Unbekannten gespielt, Katie Chang und Israel Broussard hatten vor ihren Hauptrollen nur eine Filmrolle. Taissa Farmiga und Claire Julien kaum mehr. Coppola wollte auch auf diese Weise Unschuld und Unbedarftheit ausdrücken. Einzige große Ausnahme: Emma Watson in ihrer ersten wirklichen richtig amerikanischen Filmrolle nach Harry Potter – ein Auftritt, den man fast schon als kleine Stichelei gegen den allgemeinen Promi-Hype verstehen muss. Wenige Sekunden zu sehen ist auch Paris Hilton, die im Übrigen ihre Wohnung zur Verfügung stellte. Blödheit, Berechnung oder Genie?
Die Promis sind genauso dumm, und gierig und obszön, wie die Kids, die sie bestehlen. Und natürlich tragen sie Mitschuld daran, dass sie beraubt werden. Die Kids sind die Geister, die sie gerufen haben, sie sind auch Vorboten jener Revolution, die die Konsumkultur, für die sie symbolisch stehen, eines nicht so fernen Tages hinwegfegen wird. Coppolas Standpunkt ist insofern glasklar: Er liegt neben der erwähnten Medien- und Konsumkritik, dem Spott über den Promiwahn und öffentliche Dummheit, sehr einfach darin, dass sie in diesem konkreten Fall Opfer und Täter gleichsetzt.
Was man dem Film vorwerfen könnte, ist nicht dies, sondern dass er in alldem nicht konsequent genug ist. Dass er sich mit der Mehrheitsgesellschaft darin gemein macht, dass er ihr am Ende den Triumph gönnt, die Kids im Gefängnis zu sehen. Sie haben zwar tausende von Facebookfreunden, Fanpages und ähnliches, und werden, wenn es gut läuft, bald Memoiren schreiben, die dann vielleicht auch noch verfilmt werden. Aber wir sehen sie am Ende doch in sehr unmodischen orangenen Klamotten
hinter Gittern. Das hätte nicht sein müssen.
Zu den vielen Fetischen der sympathischen Fetischistin Sofia Coppola gehört leider auch der unsympathische Fetisch namens Faktenwirklichkeit. Aber wer interessiert sich im Kino schon für »real events«? Wie eine deutsche Historikerin fuchtelt Coppola daher ab und an mit den Quellen herum, um damit doch eigentlich gar nichts zu beweisen. Wer den erwähnten »Vanity-Fair«-Artikel liest, wird feststellen, wie genau sich Coppola an die
Fakten hält, wie sie sogar ganze Szenen und Dialoge, zugegeben sehr gute, von der Realität schreiben ließ.
Aber wozu?
Coppola zeigt eine Handvoll Menschen, die sich nehmen, was sie wollen. Und sie zeigt sie positiv. Damit feiert sie Menschen, die im Prinzip nichts anderes sind, als ruchlose Kapitalisten. Also Figuren, die man, wenn es um Moral und Politik geht, nicht feiern sollte. So kann man argumentieren. Das Gegenargument lautet: Coppola zeigt nicht Kapitalisten, sondern Hedonisten. Sie zeigt Gesten und Posen, zu denen die der Coolness ebenso gehören, wie die des Genusses, der Lust, der Gegenwärtigkeit, des Ästhetizismus, der Moralkritik. Die Kids, die im Zentrum des Films stehen, sind Outsider und von Anfang an Verlorene. Das was sie ihrer Gegenwart, ihren Eltern, Moral und Recht ihrer Gesellschaft entgegenhalten, ist die schon von vornherein »ohnmächtige Utopie des Schönen«, von der Adorno schreibt: »So gerät das Schöne ins Unrecht gegen das Recht und hat doch Recht dagegen. Im Schönen bringt die hinfällige Zukunft dem Moloch des Gegenwärtigen ihr Opfer dar.« Man muss in diesem Sinn nicht nur den »Bling Ring« retten – auch Coppola selbst ist vor allem eine Romantikerin.