»Ähnliche Machart, ernstere Note« |
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Emmerich lehrt die Amerikaner das Frieren |
Seit Anfang der 90er Jahre lebt und arbeitet der 1955 in Stuttgart geborene Roland Emmerich in den USA. Mit Independence Day (1996) drehte er einen der erfolgreichsten Filme der Filmgeschichte. Es folgten The Patriot und Godzilla.
Mit dem Katastrophenthriller The Day After Tomorrow kehrt Emmerich nun ins Kino zurück – mit einer ökologischen, zumindest oberflächlich betrachtet regierungskritischen Botschaft
Mit Emmerich sprach Rüdiger Suchsland.
artechock: Wenn Sie Ihre Entwicklung betrachten, seit Sie in Hollywood sind – was haben Sie für eine Entwicklung hinter sich? Was haben Sie gelernt und für Erfahrungen gemacht?
Roland Emmerich: Ich weiß nicht, ob ich irgendetwas gelernt habe. Jeder Film ist eine Reise. Auf diesen Film bin ich sehr stolz. Denn als ich die Arbeit mit diesem Stoff begonnen habe, sagten mir Freunde: Das bekommst Du nie durch. Und ich dachte: Man muss es eben schlau machen. Und ich habe es offenbar ziemlich schlau gemacht. Jetzt unterstützt selbst das Studio, das mehr auf der politisch rechten Seite steht – Murdoch ist der Besitzer – den Film. Ein Happy End.
artechock: Täuscht der Eindruck, oder ist bei Ihnen nicht doch ein politischer Sinneswandel erkennbar?
Emmerich: Ich habe eigentlich nicht verstanden, wieso man mich nach Independence Day und Der Patriot als so patriotisch und vor allem so politisch rechts stehend wahrgenommen hat. Da finde ich mich nicht wieder, ich empfinde mich eigentlich immer schon eher im linken Spektrum stehend. Das war für mich auch ein Stück Protest gegen mein reiches Elternhaus.
artechock: Vielleicht liegt das daran, dass der Actionfilm per se ein „rechtes“ Genre ist: Starke Männer, die mal richtig aufräumen...
Emmerich: The Day After Tomorrow war nun die willkommene Chance, diesen Eindruck zu korrigieren. Denn ein Filmemacher sollte seine Möglichkeiten schon für bestimmte Ziele einsetzen, für das, an das man glaubt. Und man muss das geschickt machen. Die erste Frage ist immer: Wie kann ich Leute gut unterhalten. Und wenn die Zuschauer am Schluss auch noch nachdenken, und das Problem „Global Warming“ ernst nehmen – um so besser. Ich habe den Film vor allem gemacht, weil ich zeigen wollte, wie eine Umweltkatastrophe sich politisch auswirkt. Besonders in Amerika. Die sind so arrogant, glauben sicher, dass immer alles so weitergeht. Ich als Deutscher wollte es denen einfach mal zeigen, dass das von einem Moment zum anderen anders sein kann.
artechock: Gab es für Sie ein Schlüsselerlebnis? Wie kamen Sie auf diesen Stoff?
Emmerich: Ich hatte zuerst ein Science-Fiction-Buch über „Globale Erwärmung“ gelesen. Und dann lernte ich, dass sich die wichtigsten Vorgänge mit wissenschaftlichen Fakten decken. Ich wollte keinen zweiten Independence Day drehen. Aber weil man von mir so etwas Ähnliches erwartete, fand ich eine Katastrophenthriller ein recht gutes Mittel, um andere Inhalte unterzubringen. Ähnliche Machart, ernstere Note. Ich glaube, dass die Studios anfangs gar nicht so genau hingeguckt haben, worum die Geschichte geht. Erst später wurden manche wach. Einige Studios fragten ernsthaft, ob man nicht ein paar Helden ins Drehbuch hineinschreiben könnte, die den Supersturm und die Eiszeit aufhalten – vielleicht mit einer Laserwaffe. Das ist natürlich lachhaft, aber so denken manche in Hollywood. Die Fox-Studios haben mich machen lassen, mir alle Freiheiten gegeben. Darum habe ich mit ihnen zusammengearbeitet.
artechock: Sie hatten die volle Freiheit?
Emmerich: Ja! Mitten im Dreh habe ich noch sehr viel an der Geschichte verändert, zusätzliche Szenen erfunden. Denn ich spürte, dass im Mittelteil etwas nicht stimmte, zu wenig Druck auf den Figuren lag. Auch haben wir die Figur des Präsidenten gegenüber der ursprünglichen Version arg verknappt. Dass er umkommt, war nicht vorgesehen. In solchen Momenten muss man den Mut haben, alles zu ändern. Wenn man das Sagen hat, geht das. Und wir waren am Schluss immer noch unter unserem Budget.
artechock: Kaum zu glauben, dass das Studio sich gar nicht eingemischt hat...
Emmerich: Natürlich hat man versucht, Einfluss zu nehmen. Es war ein Eiertanz. Zum Beispiel auf die Vermarktung des Films. Auf der Website wurde zum Beispiel das Thema globale Erwärmung zunächst gar nicht erwähnt. Und es gab keinen Link zu einer Umweltorganisation. Aber das haben wir ändern lassen. Wäre das nicht möglich gewesen, hätten wir den Film nicht gemacht. Man hat auch Macht als Regisseur.
Mir war es wichtig, auch die
politischen Aspekte einer Umweltkatastrophe darzustellen. Gerade in den USA ist man ja in der Hinsicht sehr borniert, und glaubt, man könne mit seinem hohen Ausstoß an Treibhausgasen ewig so weitermachen. Es muss ja nicht immer Oliver Stone sein, der die Menschen aufwühlt.
artechock: Als immer noch Fremder: Wie empfinden Sie die derzeitige gesellschaftliche Atmosphäre in den USA?
Emmerich: Ja, es ist gerade eine ganz komische Stimmung im Land. Man merkt das auch an den Drehbüchern. Vor sechs Jahren habe ich ein Drehbuch geschrieben namens „One Nation“. Darin geht es um einen Präsidenten, der sich im Weißen Haus verbarrikadiert und es kommt zu einer Weltkrise. Es hieß, das sei unverfilmbar. Zu gewagt. Plötzlich vor zwei Monaten rief man mich an, und meinte: Wollen wir nicht noch mal an dem Buch arbeiten? Es ist Bush! Wir werden den Film machen, wenn die Wahl schlecht ausgeht. In Hollywood gehört es ja zum guten Ton, die Demokraten zu unterstützen.
artechock: Und warum macht man dann immer wieder New York kaputt? Warum nicht mal Chicago? Zumal man doch nach dem 11. September manche Bilder nicht mehr unschuldig verwenden kann...
Emmerich: Die Stadt ist ein Symbol. Wenn man das nicht macht, sondern Chicago nimmt, läuft man ihr davon. Wir wollten das nicht. Und die New Yorker können damit gut leben.
artechock: Es gibt offensichtliche Ähnlichkeiten – sowohl im Aussehen, als auch in den politischen Inhalten – zwischen Ihrer Figur des Vizepräsidenten und Dick Cheney. War das Absicht?
Emmerich: Wirklich nicht. Wir haben die Schauspieler gecastet, und er war der Beste. Aber es hat natürlich gut gepasst.
artechock: Sie arbeiten nie mit ganz großen Stars. Warum?
Emmerich: Die Filme brauchen das nicht. In meinen Filmen ist der Film selbst der Star. Mir macht es Spaß Leute zu besetzen, die später mal Stars werden. Oder mit Schauspielern wie Ian Holm. Den habe ich immer bewundert.
artechock: Schon bei Ihren letzten Filmen gab es bei Ihnen und Wolfgang Petersen einen fast identischen Starttermin. Warum immer wieder dieses Kassenduell der beiden Deutschen in Hollywood?
Emmerich: Wir haben tatsächlich beide versucht, das diesmal zu verhindern. Aber über Starttermine entscheiden die Studios. Wir sind befreundet und führen keinen Konkurrenzkampf. Und wir beide sehen Amerika so, wie es ist. Auch mit seinen Nachteilen. Wolfgang und ich sind Deutsche. Ich will keinen amerikanischen Pass haben.