25.01.2001

»Keiner will töten, aber es geschieht«

Szenenbild alaska.de
alaska.de
(Foto: Filmverlag der Autoren)

Esther Gronenborn über ihren Erstling alaska.de

Die briti­schen Sozi­al­rea­listen Ken Loach oder Mike Leigh nennt Esther Gronen­born als ihre Vorbilder. Am vergan­genen Freitag erhielt die 34jährige, die an der Münchner Film­hoch­schule studierte und sich unter anderem mit Video­clips einen Namen machte den Baye­ri­schen Filmpreis für Nach­wuchs­re­gis­seure für ihren ersten Spielfilm. Alaska.de zeigt Jugend­liche aus den Berliner Traban­ten­städten: Roh und hart, dabei „eine Liebes­ge­schichte“, ist ihr eine sehr authen­ti­sche, gefühl­volle Schil­de­rung junger Lebens­welten geglückt, ein unge­wöhn­li­ches Stück Film, das in Deutsch­land ohne Vorbilder ist und in manchem tatsäch­lich an briti­sches Kino erinnert.
In Berlin sprach Rüdiger Suchsland mit der Regis­seurin und einstigen Artechock-Kollegin – so schrieb sie für uns 1996 unter anderem zu ...und jeder sucht sein Kätzchen (Chacun cherche son chat).

artechock: Was ist für Dich selbst das Wich­tigste an diesem Film, was ist aus Deiner Sicht die Haupt­sache?

Esther Gronen­born: Zum einen ist er aus meiner Sicht eine Diskus­si­ons­grund­lage für den ganzen Komplex der Jugend­kri­mi­na­lität. Gerade in letzter Zeit wird wieder nach »härteren Strafen« gerufen. Nach meinen Fest­stel­lungen – ich habe im Vorfeld des Films viele Recher­chen unter­nommen – geht das völlig an der Realität vorbei. Strafen sind keine Antwort auf diese Probleme. Neben diesem von mir sehr ernst genom­menen sozi­al­po­li­ti­schen Aspekt inter­es­siert mich auch die Hand­lungs­ver­ket­tung, die ich schildere: aus kleinen Zufällen und neben­säch­li­chen Entschei­dungen entsteht etwas Schlimmes. Ich will aber zeigen, dass man sein Leben auch in der Hand hat, und selbst Entschei­dungen treffen kann, egal, woher man kommt. Das finde ich wichtig.

Auch die Rolle von Waffen ist inter­es­sant. Ich hatte ein Erlebnis mit einem Sozi­al­ar­beiter, der in Kreuzberg Anti-Gewalt-Training macht. Da müssen die Jugend­li­chen laut Gerichts­be­schluss hin. Und da ging es um das Thema „Messer“, und ein Jugend­li­cher berief sich auf Selbst­ver­tei­di­gung, meinte »wir brauchen die Messer, wir müssen uns selbst vertei­digen.« Worauf ihn der Sozi­al­ar­beiter fragte: »Was machst Du, wenn Dein Gegenüber auch ein Messer hat? Dann drehst Du Dich ja nicht um, und gehst wieder... Wie kommst Du da wieder raus.«
Exakt dies ist die Situation, die ich in meinem Film schildere, als es zum Tod des einen Jugend­li­chen kommt: Keiner will töten, aber es geschieht. In meinem Film richten sich die Waffen immer gegen den, der sie einbringt.
Mir ist auch wichtig zu zeigen, dass solche Waffen nichts Selbst­ver­s­tänd­li­ches haben, dass es so nicht stimmt, wie es in vielen deutschen Filmen gezeigt wird: Alle laufen mit Waffen herum, ballern wild durch die Gegend...

artechock: Die drei K des deutschen Films: Knarre, Koffer, Koks... oder Kohle, also Geld ist im Koffer...

Gronen­born: Ja genau... [Lacht]

artechock: Sie kommen in 50 Prozent aller deutschen Filme vor...

Gronen­born: Bei mir gibt’s auch 'nen Koffer [lacht], aber der ist gelb, und da sind Klamotten drin.

artechock: Stimmt. Also doch ein Klischee...

Gronen­born: Ja... aber mir ging es darum, dass ein bisschen anders zu bear­beiten. Vor allem ist es ganz wichtig, eine deutsche Situation zu zeigen, die Geschichte auf etwas zu beziehen, das hier statt­findet.

artechock: Wo wurde alaska.de eigent­lich genau gedreht? In Berlin, oder? Aber wo? Die Häuser, die man von oben sieht, wo ist das?

Gronen­born: Das ist in Hohen­schön­hausen; dem Berliner Stadtteil. Andere Teile wurden in Lich­ten­berg und in Marzahn gedreht – diese drei Schau­plätze sind zu einem verwoben. Aber viele waren in Hohen­schön­hausen. Das hat etwas ganz Indus­tri­elles. In Marzahn waren die Wohn­ge­biete.

artechock: Du thema­ti­sierst es zwar nicht explizit, aber die Frage stellt sich trotzdem: Würdest Du sagen, dass es in irgend­einer Form etwas spezi­fisch ostdeut­sches ist, was da gezeigt wird?

Gronen­born: Nee.

artechock: Das war auch nicht Deine Absicht? Von der Sprache her nimmt man das ja als Wessi ein bisschen so wahr...

Gronen­born: Das ist halt ein klas­si­scher Berliner Slang, den man heute nur noch im Osten findet, der mir ganz phan­tas­tisch gefällt. Aber im Grunde entstand der Schau­platz zufällig. Durch meine Arbeit für einen Videoclip kam ich in Kontakt mit der dortigen Szene. Weil die zwei Typen, die ich zuerst kennen­ge­lernt hatte, nun einmal aus dem Osten kamen. Und weil ich das Gefühl hatte, dass dieser Drehort die Situation der Geschichte am stärksten auf den Punkt bringt: Diese Verlo­ren­heit, diese großen Flächen und Häuser. Das findet man im Westen Berlins überhaupt nicht. Im Märki­schen Viertel [im Westen – d. Red.] wurde viel enger gebaut. Aber diese Verlo­ren­heit und Orien­tie­rungs­lo­sig­keit, die Tatsache, dass die Kids keine Perspek­tive haben, auch räumlich auszu­drü­cken, das war mir am Wich­tigsten.

artechock: Das ist ja etwas, das man im deutschen Film selten zu sehen bekommt. Nicht nur nicht in den soge­nannten Bezie­hungs­komö­dien, die immer in tollen Appar­te­ments spielen, sondern auch in Filmen, die sich bemühen, etwas anderes zu zeigen... Aber so ist es nie. Nicht so verloren, nicht so hässlich...

Gronen­born: Also ich muss sagen: Ich habe in meinem Film die Dinge eher noch verharm­lost. Ich wollte gerade nicht in diese Klischees verfallen... Das ist ja immer die Grat­wan­de­rung. Ich habe die ganze Story komplett gesäubert von solchen Dingen. Denn natürlich kiffen die alle...

artechock: Also die Wirk­lich­keit hat viele Klischees? Das heißt das ja.

Gronen­born: Jein. Man kann schnell über sie stolpern, erst recht, wenn man nur schnell, nur ober­fläch­lich hinschaut. Mir ging es darum, diese inneren Prozesse zu zeigen. Deswegen habe ich das nicht betont. Es ist zwar da, aber es wird nicht zum Thema des Films gemacht. Thema des Films ist die innere Befind­lich­keit dieser Jugend­li­chen, nicht ob sie jetzt noch mit Waffen dealen, und sich gegen­seitig Koks verche­cken, und dies oder jenes machen. Deswegen findet das eher nebenher statt, weil es eben auch da ist. Aber es ist nicht vorder­gründig da.

artechock: Das, was Du auf die erste Frage geant­wortet hast, klang für mich über­ra­schend politisch.

Gronen­born: Das ist mir schon wichtig. Das ist für mich ein Statement, ganz klar. Es fehlt auch, dass sich Filme­ma­cher entschieden ausdrü­cken. Das wird immer hinter Zynismen versteckt, oder man ist doch ganz witzig; man ist jeden­falls viel zu cool, um sich für Sachen einzu­setzen. Das versuche ich schon.

artechock: Das ist viel­leicht auch eine Gene­ra­tio­nen­frage, oder? Da gehörst Du dann schon einer anderen Gene­ra­tion an, als die Leute, die heute gerade den Ton angeben, die 40jährigen...

Gronen­born: Das kann schon sein. Viel­leicht gibt es unter Jüngeren schon eher die Tendenz, die zu hinter­fragen, auch politisch zu hinter­fragen. Globa­li­sie­rung, Bildung von Europa – das sind aktuelle wichtige Themen. Und dazu passt mein Film, weil er die Frage stellt, was solche Prozesse mit diesen Kids zu tun haben. Was macht man mit ihnen? Ist das jetzt Müll? Wohin gehen die? Muss man die wegsperren, weil kein Platz für sie da ist? Insofern ist es natürlich schon ein poli­ti­sches Thema.

artechock: Der Film ist kein Pamphlet, aber das muss ja Politik auch nicht sein, das wäre eher ein redu­ziertes Vers­tändnis von Politik. Das hatten ja auch die viel­ge­schol­tenen Autoren­filme nicht.

Gronen­born: Nein, das sind sowieso Filme, die sich nach­haltig im Gedächtnis fest­setzen. Im Ausland noch mehr. hier ist das so ein rotes Tuch.
Wenn man Filme wie Die bleierne Zeit anschaut – das sind phan­tas­ti­sche, tolle Filme. Einfühl­same Portraits einer Gene­ra­tion.

artechock: Hast Du Vorbilder? Regis­seure, an denen Du Dich orien­tiert hast?

Gronen­born: Speziell bei diesem Projekt gab es Ken Loach oder Mike Leigh. Deren Arbeits­weise mit Laien ist meiner ähnlich. Wobei ich eben versucht habe, das auf hiesige Verhält­nisse zu beziehen. Es gibt hier ja auch solche Geschichten, es war mein Anliegen, das auch zu zeigen.

artechock: Wie kam es überhaupt dazu, dass Du einen Spielfilm gemacht hast? Wolltest Du das immer machen? Waren Deine Video­clips vor allem eine Vorstufe, um mit bestimmten Formen zu expe­ri­men­tieren?

Gronen­born: Nein. Es hat sich durch die Arbeit ergeben. Ich komme zwar von der Film­hoch­schule, aber es war nicht von vorn­herein klar, dass ich in jedem Fall Spiel­filme machen würde. Dazu musste mir ein Stoff wirklich unter den Nägeln brennen. Und dieser Stoff hat mich einfach magisch angezogen. Dazu hatte ich wirklich etwas zu sagen. Zuvor hatte ich zwar hier und da etwas geschrieben, aber das war immer nur eine Vorstufe.

artechock: Würdest Du Dich gerne auf ein Genre – Spielfilm, Musik­video – konzen­trieren, oder lieber alles neben­ein­ander betreiben?

Gronen­born: Naja, ganz so kann man es ja nicht betreiben. Auch Videos sind eine Karriere, um die man sich kümmern muss. Und seit ich an alaska.de arbeite, habe ich eigent­lich jetzt kein Video mehr gemacht. Da fehlte die Zeit.
Aber ich versuche für mich, schon in verschie­dene Rich­tungen zu arbeiten. Auch um nicht ganz so verbissen an Themen heran­zu­gehen.

artechock: Helfen beide Genres – Clips und Film – einander gegen­seitig?

Gronen­born: Ja, auf alle Fälle. Was Clips leisten können, ist, für eine unbe­fan­ge­nere Heran­ge­hens­weise zu sorgen. Man sammelt Mut durch eine Video­ar­beit. Man kann schnell etwas produ­zieren, es ist nicht für die Ewigkeit, sondern ein Gebrauchs­ge­gen­stand. Nach zwei Monaten ist es vorbei. Aber das gibt einem stilis­ti­sche Sicher­heit. Und man stößt auf sehr unter­schied­liche Themen.
Man kann meine ganze Arbeit wahr­schein­lich so zusam­men­fassen, dass sie immer sehr inhalt­lich gewesen ist, auch die Musik­vi­deos. Es gab immer Geschichten, immer eine gewisse Emotio­na­lität.

artechock: Was hast Du eigent­lich in Hongkong gemacht, wo Du Dich einige Zeit aufge­halten hast?

Gronen­born: Ich habe neben dem Studium für die Columbia als Dubbing­ma­na­gerin gear­beitet, musste da die deutsche Synchro­ni­sa­tion ameri­ka­ni­scher Werke über­wa­chen. Irgend­wann hatte ich gefragt, ob ich in deren Büro in Hongkong arbeiten könnte, und das ging dann. Mich hatte es auch inter­es­siert, wie die dort Filme drehen, auch wie sie bestimmte Effekte produ­zieren.

artechock: Hast Du dort etwas lernen können? Dein Film hat zwei Jahre gedauert, in der Zeit drehen manche dort sechs Filme...

Gronen­born: Ich habe mir das auch anders vorge­stellt. Aber das klappt ja hier nicht.

artechock: Warum geht das hier nicht?

Gronen­born: Hier mahlen die Mühlen einfach langsamer. Hier würde man es niemals zulassen, dass ein Drehbuch noch nicht richtig steht, und man schon parallel am Set-Design arbeitet.

artechock: Das wäre aber doch wünschens­wert, oder?

Gronen­born: Es würde jeden­falls eine Spon­ta­n­eität hinein­bringen, die hier manchmal fehlt. Wobei sich die ganze Arbeit am Drehbuch und die Recher­chen sehr gelohnt haben. Aber diese versteifte, unspon­tane Art, mit Themen umzugehen, ist glaube ich manchmal eher schädlich. Das merkt man den Filmen auch an. Es gibt viel Angst, Fehler zu machen. Auch bei den Produ­zenten und Redak­teuren.

artechock: Hat man in Deutsch­land als Regisseur überhaupt die Möglich­keit, unab­hängig zu arbeiten?

Gronen­born: Ja, so etwas wie „Dogma“ findet hier eben nicht statt. Die guten haben natürlich auch eine starke Geschichte. Diese, und die Menschen in ihr sind wichtiger als alles andere, auch als der Stil. Das zeigt auch ein Film wie Die innere Sicher­heit. Andere deutsche Filme sind oft zu plot­ori­en­tiert, auf eine mecha­ni­sche Art und Weise. Es gibt wenig Filme, die sich auf eine Situation konzen­trieren.

artechock: Hast Du denn unab­hängig arbeiten können, oder wurde Dir viel rein­ge­quatscht?

Gronen­born: Ich hatte das Glück, dass mein Film extrem gut vorbe­reitet war. Team und Schau­spieler standen auch. Da konnte man gar nicht mehr viel von außen reinreden.
Es ist zu einem sehr hohen Prozent­satz mein eigener Film geblieben. Natürlich gibt es immer ein paar Dinge, die muss man ganz anders machen, als man es sich vorher dachte, das hat dann aber konkrete Gründe, die ich beim Dreh ergeben.

artechock: Du sagst, Du wolltest die Wirk­lich­keit zeigen. Was heißt das für Dich?

Gronen­born: Dass ich extrem nah an den Figuren erzähle. Und das auch emotional mit den Schau­spie­lern verbinde. Realismus heißt also: Nähe zu den Lebens­si­tua­tionen und zu den Personen, die das verkör­pern.
Wobei es natürlich auch ein stili­sierter Film geworden ist. Ich arbeite ja mit vielen tech­ni­schen Verfrem­dungen, wie Zeitlupe. Ich will keine Abbild­rea­lität, sondern die innere Befind­lich­keit im Bild spüren lassen. Für mich muss ein solcher Film dabei auch sexy sein.

artechock: Was bedeutet das? Kommt der Sex-Appeal über Stil­ele­mente oder wie sonst? Du meinst ja nicht „schöne Menschen“...

Gronen­born: Nein, sondern dass sie etwas Wahres in sich haben, eine Kraft, und die ist sexy.

artechock: Braucht man dafür Laien? Wenn das „Wahrheit“ ist, heißt dies, dass Schau­spieler Dir zu verlogen sind?

Gronen­born: Wenn ich mit Schau­spie­lern gear­beitet hätte, wäre es ganz anders geworden. Ich hatte natürlich sehr talen­tierte Laien gefunden, die jetzt zum Teil Schau­spieler werden. Aber dadurch, dass sie noch uner­fahren waren, konnten sie sehr eigene Erfah­rungen einbringen, an denen sie nahe dran waren.
Es gibt nicht so viele Schau­spieler, die das auch können, quasi den umge­kehrten Weg gehen können...

artechock: Weil es auch um die Wirk­lich­keit eines Milieus und einer Zeit­si­tua­tion geht?

Gronen­born: Genau. Wie soll einer, der damit überhaupt nichts zu tun hat, das rüber­bringen? Wir haben auch einen Versuch mit einem Schau­spieler gemacht, aber das ging nicht. Man spürt diesen Culture-Clash, man sieht es in der Spiel­weise, wenn einer versucht, auf Street zu machen und auf cool, da kommt irgend­etwas heraus, dass einfach unecht ist. Die Kids in meinem Film sind das einfach, was sie im Film sind. Das ist ein anderer Weg.

artechock: Für deutsche Verhält­nisse würde ich Dir zustimmen, in ameri­ka­ni­schen oder briti­schen Filmen funk­tio­niert das mit Schau­spie­lern besser...

Gronen­born: Das ist eine andere Tradition des Schau­spiels, die weniger über Sprache funk­tio­niert, als hier. Mehr über Methode und Bewegung, körper­li­cher. Man darf das natürlich nicht verall­ge­mei­nern. Hier gibt es tolle Schau­spieler. Aber es ist eine andere Heran­ge­hens­weise, die eben Vor- und Nachteile hat. Und dieses Anima­li­sche, das meine Darsteller haben, ihre Rohheit, die kann ich mir nicht bei Schau­spie­lern vorstellen. Weil es hier eben um ein bestimmtes Milieu geht und die sich selber spielen können.

artechock: Sollte man hier insgesamt mehr mit Laien arbeiten?

Gronen­born: Man könnte schon mutiger sein. In anderen Ländern ist diese Tradition viel stärker. Hier gibt es auch viel zu wenig Dialekt. Diese sprach­li­chen Eigen­heiten, die so reich­haltig und spannend sind, erlebt man im Film kaum. Das einzige ist so ein ange­schicktes Münch­ne­risch oder Wiene­risch – so nett. Aber nicht einge­setzt, um eine Figur richtig zu beschreiben – wie das in Amerika geschieht.

artechock: Du hast ja eigent­lich auch einen »Berlin«-Film gedreht... Das haben viele versucht: Die Idee mehr Straße zu zeigen, prole­ta­ri­schere Leute, Nacht, Härte... Oft halt auch sehr aufge­setzte Krimi-Geschichten.

Gronen­born: Gut gelungen ist das in Plus-minus null. Ein unglaub­lich toller Film.

artechock: Von einem Iren. In einem gewissen Sinn, hast Du auch ein Milieu beschrieben, dass gar nicht Deines ist. Wie hast Du sicher­ge­stellt, dass das hinhaut, dass es authen­tisch ist?

Gronen­born: Durch viel Arbeit. Ich glaube, man muss Fragen stellen, nicht nur Antworten hören wollen, schon vorher wissen, was Sache ist. Ich glaube, ich bin ganz offen an das Projekt heran­ge­gangen. Das ist natürlich ein Unsi­cher­heits­faktor, auf den sich nicht jeder einlässt. Ich hatte die Sicher­heit nur, weil ich es einfach uner­träg­lich fand, dass man bestimmte Geschichten nie sieht. Es geht hier eben auch um Wahrheit, meine Wahrheit jeden­falls.
Viele Menschen, die im Fernsehen für Produk­tionen verant­wort­lich sind, sagen dann: »Ich finde es ja gut, aber die Leute wollen so etwas nicht sehen.« Das stört mich. Es fehlt hier an Menschen, die einfach das machen, was sie selber gut finden. Durch diese Nähe entsteht ja auch eine gewisse Authen­ti­zität.
Wir brauchen auch mehr Konse­quenz. Hier werden die Sachen zu unent­schlossen gemacht.

artechock: Wenn sprichst Du jetzt an: Regis­seure, Autoren, Produ­zenten?

Gronen­born: Das gilt für die ganze Atmo­sphäre. Was mich am aller­meisten stört: Bei Musik­vi­deos werden Entschei­dungen ganz schnell getroffen, es wird ja oder nein zu einem Konzept gesagt, und dann wird es einfach gemacht. Im Film müsste man auch so arbeiten, aber jeder will auf Nummer sicher gehen.
Dazu kommt, dass hier das Fernsehen die Ästhetik bestimmt, dass es hier keine richtige Kino­land­schaft gibt.

artechock: Jetzt scheint ja der Film einen gewissen Erfolg zu haben. Hast Du eine Idee, wie das für Dich weiter­geht? Gibt es ein Projekt?

Gronen­born: Ja, aber da kann ich noch nicht drüber reden. Jeden­falls werde ich erst mal weiter Filme machen und dies in der Art, die ich vorhin beschrieben habe: realis­tisch und sexy. Mich inter­es­sieren Geschichten, und mich inter­es­siert, das in eine Form zu tun, die man sich gerne anguckt, und die ich mir auch gerne angucke. Das kann man in Zukunft sicher noch besser machen, als bei alaska.de. Ich hoffe doch.