alaska.de

Deutschland 2000 · 89 min. · FSK: ab 12
Regie: Esther Gronenborn
Drehbuch:
Kamera: Jan Fehse
Darsteller: Jana Pallaske, Frank Droese, Toni Blume, Wilhelm Brenner u.a.
Kids in der Trabantenstadt

In der Einsamkeit der Hochhausfelder

Am Anfang ein gelber Koffer, schwer­be­laden. Mühsam ist es, das hier fremd wirkende Ding über den groben Asphalt zu ziehen. So mühsam, wie es Sabine (Jana Pallaske) fällt, sich in dieser, ihr völlig fremden Umgebung heimisch zu fühlen, die nun ihre Heimat werden soll. Störrisch und ruppig ist das junge, viel­leicht 15jährige Mädchen, doch der Zuschauer spürt schon in diesen ersten Minuten das Verletz­liche und Unsichere unter der spröden Schale. »Andy Warhol-Straße« heißt ihre neue Adresse, und dieser Name, der an künst­le­ri­sche Eigen­wil­lig­keit und Moder­nität erinnert, der damit auch längst verges­sene Ideale der 60er-Jahre einfor­dert, wirkt so lächer­lich unan­ge­messen, dass er für einen guten Witz taugte, wäre er an diesem Ort nicht nur noch blanker Hohn.

Esther Gronen­borns Erst­lings­film alaska.de schildert eine Ost-West-Begegnung unter Jugend­li­chen der Traban­ten­s­tädte im Osten Berlins. Von der Mutter abge­schoben zieht Sabine zu ihrem Vater in eine öde Hoch­haus­sied­lung. In der Klasse trifft sie auf Eddi (Frank Droese), und der hat die falschen Freunde. Überall lauert latent Bedrohung, eines Tages wird ein Jugend­li­cher getötet, Sabine ist wider Willen verwi­ckelt. Schnell eskaliert die Gewalt, die Lage ist aussichtslos.

So schildert die 34jährige Regis­seurin, die bisher vor allem mit erfolg­rei­chen Musik­vi­deos Erfah­rungen sammelte, Einsam­keit, Verzweif­lung, Hilf­lo­sig­keit – Gefühle, die sich ande­ren­orts oft nur behauptet finden, die man zuletzt im deutschen Film gar nicht zu sehen bekam. Man fühlt sich an Kinowerke wie Kids und Der Hass erinnert: Härte der Darstel­lung und ein kühler Wille zum Nicht­weg­schauen, das Bemühen um Authen­ti­zität und atmo­s­phä­ri­sche Ange­mes­sen­heit mischen sich mit Stil­willen: Die in mattes Gelb getauchten, oft clipartig geschnit­tenen Bilder domi­nieren noch mehr als die Story. Dicht, suggestiv und ohne Weiner­lich­keit wird erzählt – und wo der Film Fehler macht, sind es wenigs­tens die richtigen. Kein Suhlen in Tristesse, dafür viel Emotion und genaue Beob­ach­tung – plötzlich findet sich jene deutsche Wirk­lich­keit auf der Leinwand, die man so lange vermisste: Mit viel Boden­haf­tung wird hier beschrieben, und wer da zuguckt, begreift mehr über Gewalt und Militanz, als einen noch so viele TV-Diskus­sionen über Poli­ti­ker­ver­gan­gen­heiten oder die Ursachen des Rechts­ra­di­ka­lismus lehren können. Und so ist es in diesem gelun­genen Portrait einer Orien­tie­rungs­lo­sig­keit vor allem die Perspek­tive der Regis­seurin, die den Unter­titel des Films einlöst: »Eine Liebes­ge­schichte.«