»Man muss aufpassen, nicht abzuheben« |
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Bernadette Heerwagen in Der Schandfleck |
Am kommenden Freitag wird der diesjährige Bayerische Fernsehpreis verliehen. Eine der Preisträgerinnen: Die 23jährige Münchner Schauspielerin Bernadette Heerwagen, die den Preis für ihre Hauptrolle in Der Schandfleck erhält. Beim Münchner Filmfest wird Heerwagen gleich in drei Filmen zu sehen sein. Darum stellt Artechock diese junge Nachwuchshoffnung des darbenden deutschen Films aus Anlass der Preisverleihung vor.
Rüdiger Suchsland führte das Interview.
artechock: Du bekommst jetzt den Bayerischen Fernsehpreis für Der Schandfleck für Deine ausgezeichnete Schauspielkunst. Kannst du dich selber in Film und Fernsehen überhaupt noch beurteilen?
Bernadette Heerwagen: Nein, ich bin da viel zu nahe dran. Ich kann meine Filme gar nicht beurteilen, ich gucke dafür viel zu sehr auf mich, schaue, was ich richtig und was falsch gemacht habe.
artechock: Wenn einige Zeit vergangen ist, merkst Du ja, ob etwas so geworden ist, wie Du’s Dir vorgestellt hast. Spürst Du denn auch während dem Drehen schon?
Heerwagen: Nein, ich bin beim Drehen dann so in der Rolle drin, dass ich keinen Bezug dazu habe, wie den das Gesamtding wirkt. Ich denke auch nicht, daß das meine Aufgabe ist. Da sind andere für zuständig.
artechock: Wie bist Du überhaupt zum Film gekommen, eine richtige Ausbildung hast Du ja nicht?
Heerwagen: Nein, ich habe gar keine Ausbildung. Ich bin durch reinen Zufall dazu gekommen, 1994 durch den Regisseur Miguel Alexandre, der damals seinen Abschlußfilm für die HFF gemacht hat. Den hatte ich zwei Jahre zuvor in den Bavaria-Filmstudios kennengelernt, beim filmenden Klassenzimmer. Da kann man mit seiner Klasse hingehen.
Und dann rief er mich zwei Jahre später an – wir hatten keinen Kontakt und gar nichts, nur dieses eine Wochenende – und meinte, ich solle zum Casting kommen nach Baden-Baden, er möchte nämlich, dass ich die Hauptrolle in seinem Abschlussfilm spiele. Zuerst habe ich gesagt: Verarschen kann ich mich auch alleine. Was willst Du wirklich? Aber er hat mich von seinen ehrlichen Absichten überzeugt. Im Moment des Drehens habe ich zwar gedacht, ich kann das gar nicht. Ich habe erst am Dreh geschnallt: Da stehen ja 30 Leute rum, und ich soll dann etwas sagen.
Das dauerte dann sechs Wochen. Damals war ich in der 12.Klasse, ich habe vier Wochen freibekommen, zwei Wochen Pfingstferien – das war’s.
Dann habe ich mein Abi gemacht, und bald darauf meine erste Agentin kennengelernt.
artechock: Theater hast Du nie gespielt?
Heerwagen: Nein, das würde ich aber gerne 'mal probieren. Es ist nur sehr unvorstellbar.
artechock: Was ich beim Film so schwierig – viel schwerer, als im Theater – finde: Wie man sich überhaupt in Rollen hineinfühlt, mit diesen sehr kurzen Takes, mit den Drehs von Szenen, die viel später in der Geschichte kommen.
Heerwagen: Warst Du schon mal am Drehort? Das ist doch urlangweilig.
artechock: Unglaublich langweilig!
Heerwagen: Wenn Freunde mich am Drehort besuchen, dann sagen sie: du sitzt ja nur den ganzen Tag herum. Man ist nur am Warten. Geduld zu lernen fällt mir schwer, inzwischen habe ich mich da aber besser unter Kontrolle.
Ja, aber das fällt mir dann schwer, wenn ich Gefühlsextreme spielen soll. Wie ich das mache? Keine Ahnung. Ich versuche mich einfach, zu konzentrieren. Manchmal hat man auch das Glück, wie beim Schandfleck, Szenen lange durchzuspielen, einmal vier Minuten. Das war schon ein bisschen wie Theater. Das war der Wahnsinn. Eine hochemotionale Szene. Aber ich konnte in de Szene gut entwickeln. Mein Partner Hans-Michael Rehberg war auch Klasse, ein Super-Schauspieler. Mit ihm konnte ich mich »im Spiel unterhalten«. Wir haben nicht Dialoge aufgesagt, sondern miteinander geredet.
artechock: Jetzt hast Du einen Preis gewonnen. Wie gehst Du mit Berühmtheit um?
Heerwagen: Man muss aufpassen, nicht abzuheben, sollte nicht zu gestanzt antworten. Aber das liegt auch an den Journalisten. Ich erlebe dann Pressetermine, da kommen dann Journalisten, und alle stellen einem die gleiche Frage. Wirklich immer. Da denke ich mir dann: Haben die eigentlich die Fragen vorher miteinander abgestimmt? Dass dann immer wirklich dasselbe kommt, auch so uninteressantes Zeug.
artechock: Was zum Beispiel?
Heerwagen: Ich denke gerade nach, ein bestimmter Satz fällt mir nicht ein. Aber jedenfalls antwortet man dann ganz genauso wie beim Vorherigen.
Es sind nur manche dabei, die sich dann wirklich Gedanken gemacht haben, und dann auch andere Fragen stellen. Wie jetzt zum Beispiel. Du sitzt ja auch nicht da und hast Deinen Fragenkatalog: Frage 1 – abgehakt.
Man kann dann ja auch mal abschweifen. Mit einem habe ich mal zwei Stunden geredet, weil ich mir gedacht habe, die anderen haben mir nur Fragen gestellt, die ich alle kenne, mit dem habe ich dann zwei Stunden über Gott und die Welt unterhalten, am Schluß haben wir dann über Homöopathie geredet. Der kann dann auch viel mehr daraus machen, und kennt mich dann auch besser.
artechock: Hast Du den Eindruck, dass es in Deutschland genug Angebote gibt, und genug Regisseure, die Dich weiter bringen, dahin bringen, dass Du mal z.B. in American Beauty mitspielen kannst ?
Heerwagen: Da muss ich mich natürlich selber hinbringen, da kann ich mich auf keinen Regisseur verlassen, sondern nur auf mich selber. Ich habe einige Regisseure kennengelernt, mit denen ich gerne zusammenarbeite und auch gut arbeiten kann.
Jetzt gerade habe ich in Hamburg Rolf Schübel kennengelernt, der zuletzt Gloomy Sunday gemacht hat, und sehr gut zusammengearbeitet. Es hat mich natürlich interessiert, mit Schübel einmal etwas zu machen.
Ein Fernsehspiel für NDR, Christian Quadflieg wird erpresst, die Familie droht auseinanderzufallen, alle lassen ihn wie eine heiße Kartoffel fallen. Das Projekt hat
mich deshalb angesprochen, weil ich es wichtig finde, Rückgrat zu haben. Darum geht es: wenn man einmal Mist baut, dann lassen einen alle fallen, sogar die Freunde. Das ist auch die Leni im »Schandfleck«: eine gradlinige junge Frau, die irgendwie Rückgrat hat.
artechock: Was bedeutet es für Dich, Rückgrat zu haben?
Heerwagen: Nicht nur blöd zu reden, sondern dass, was man sagt, auch wirklich zu tun. Zu dem zu stehen, was man sagt, und was man macht. So wie auch mein Eindruck von Schübel ist, Schübel war einfach cool. So wie auch Julian Polsler, der Regisseur von Der Schandfleck und dann Zärtliche Sterne, der auf dem Filmfest München laufen wird.
Mit dem kann ich gut zusammenarbeiten, wir schwimmen auf
einer Welle, und wissen voneinander ganz genau: ok, das war jetzt falsch, das war jetzt richtig. Ich möchte spüren und wissen, was einer von mir will.
Oder auch Miguel Alexandre, mit dem ich meinen ersten Film gemacht habe. Dem bin ich sehr verbunden, weil er mich gewissermaßen entdeckt hat, und auf den Weg gebracht hat.
Da hat alles gut geklappt, und dann hatte ich Blut geleckt. Ich habe dann aber relativ schnell gemerkt, dass es nicht immer so ist, dass man so gut miteinander arbeiten kann, und so intensiv miteinander arbeiten kann. Leider. Ich würde es mir natürlich anders wünschen.
artechock: Darum gibt es ja Zusammenarbeiten mit Regisseuren und Schauspielern, die dann über einen längeren Zeitraum funktionieren.
Heerwagen: Eben, man muss nicht mehr viel reden, weiß einfach wo das Ganze hinführt, und wie man’s macht. Es war nur witzig: Julian war der erste Regisseur, mit dem ich dann ein zweites Mal zusammen gedreht habe. Und vor einem Jahr dieser Zweiteiler, Kostümfilm um die Jahrhundertwende, dann ich als moderne junge Kirmes-Boxer-Verliebte. Das war spannend.
artechock: Was wünscht Du Dir für Rollen?
Heerwagen: Das habe ich überhaupt nicht, ein Baum vielleicht oder so.
Ich hab' mir eigentlich noch nie darüber Gedanken gemacht. Ich mache mir nur Gedanken darüber, was gerade so los ist. Ich will mir auch keine Gedanken über die Zukunft machen, meine zukünftige Schauspielerei. Es kommt eh so wie es kommt. Und das, was ich spielen durfte, fand ich eh schon sehr unterschiedlich. Das war noch lange nicht alles. Aber ich bin nicht die Frau
fürs Melancholische geblieben, und die zarte Fee. Sondern ich durfte in verschiedene Richtungen gehen, sogar eine Stumme habe ich schon gespielt.
Man versucht mich nicht nur in eine Richtung zu drängen. Denn das Typ- und Klischeedenken ist natürlich schwierig.
artechock: Was erzählst Du denn am Freitag bei der Preisverleihung?
Heerwagen: Weiß ich noch nicht. Vielleicht etwas Spontanes. Aber man muss aufpassen. Man kann sich auch um Kopf und Kragen reden. Hat Du Effenberg gesehen am Samstag, als der FC Bayern Meister wurde, und er im Fernsehen ausgerastet ist? So kann’s gehen.