20.04.2000

»Jede Ära hatte ihre Comedians oder Komö­di­anten«

Erkan Maria Moosleitner, Alexandra Neidel, Stefan Lust
Alexandra Neidel zwischen Erkan & Stefan

Regisseur Michael „Bully“ Herbig und Schauspielerin Alexandra Neidel über den Dreh des Erkan & Stefan-Films

Unser uner­müd­li­cher Thomas Willmann hat nicht nur mit Erkan und Stefan sondern auch mit Regisseur Michael „Bully“ Herbig und Co-Star Alexandra Neldel gespro­chen.

artechock: Wie waren die Dreh­ar­beiten? Und gab’s Erkan und Stefan da auch out of character?

Alexandra Neidel: Natürlich sind sie die ganze Zeit Erkan & Stefan, natürlich. Die Dreh­ar­beiten waren ein Traum. Das Team war so super, es hat soviel Spaß gemacht, dass wir jeden Abend noch zusammen Bier getrunken haben. Es war total klasse. Ich hatte am Anfang wirklich meine Schwie­rig­keiten, weil ich aus Berlin komme und´die beiden überhaupt nicht kannte. Und wie ich das Buch gelesen habe, habe ich mir so gedacht... ä-hm – ich versteh nichts, und ich muss es wirklich dreimal lesen. Aber der ganze Dreh hat einfach superviel Spaß gemacht.

artechock: Dir waren also Erkan & Stefan vorher überhaupt kein Begriff?

Neidel: Nein. Leider. Muss ich jetzt wirklich sagen.

artechock: Hast Du Dir dann von ihnen Tapes angehört?

Neidel: Ja. Das war auch sehr lieb – beim Casting haben sie mir eine CD mitge­geben – mit Widmung, „mörder­scharfes Bunny“. (Lacht) Und die hab' ich mir dann angehört – und dachte: »uh-oh... Ooohkay...« (Lacht)

artechock: Kanntest Du wenigs­tens Bully schon? War Dir der ein Begriff?

Neidel: Lacht Er war mir ein Begriff, und ich muss ehrlich sagen: Ich hab immer abge­schaltet.
(Lachen)
Weil ich mal irgendwas mit diesen Lämmern gesehen habe, und das fand ich ein bisschen zu blöd... (lacht) Dann hab ich immer nie wieder rein­ge­schaut. Ich bin immer nach Stefan Raab einge­schlafen, ha. (lacht)

Bully: Also wir haben einen sehr gesunden Start gehabt, weil ich kannte die Alex vorher überhaupt nicht...
Deswegen darf ich das auch sagen... Deswegen darf sie das auch sagen. – Heute bereue ich es sehr, dass ich nie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ geguckt habe...
Wieder­ho­lung gibt’s auf VOX. – Gucks Dir nicht an!! (lacht)
Echt? Aber die Zeit ist ja bei der Alex auch vorbei...
Ja!
Und ist auch gut so. Man muss sich ja auch weiter­ent­wi­ckeln...
Und jetzt schaust Du Flashback...
Und jetzt schau ich Flashback an. Und Erkan & Stefan. Und Du hast ja noch einen dritten Film gemacht...
Heimliche Küsse – Verliebt in ein Sexsymbol.
Ich glaub da kommt noch ganz viel, von der Alex.

artechock: Bully, was sind Deine filmi­schen und film­komö­di­an­ti­schen Vorbilder oder prägenden Kino­er­leb­nisse?

Bully: Also comedy-mäßig bin ich natürlich absolut auf dem Zucker und Abrahams-Level. Unglau­biche Reise in einem verrückten Flugzeug hab ich glaub ich 15 Mal gesehen.
(Lachen)
Das ist halt Welt­klasse. Oder Nackte Kanone oder solche Geschichten. Ansonsten... – natürlich, und da steh ich auch dazu – war ich schon Steven Spielberg-Fan als er eben noch nicht diesen aner­kannten Ruf als Regisseur hatte. Ob das nun Der weiße Hai oder Indiana Jones war... Ich bin Verfechter des Popcorn-Kinos, und deswegen liebe ich auch Steven Spielberg. Ich liebe auch Oliver Stone-Filme – allein wegen der visuellen Kraft, die oft dahin­ter­steckt. Ich steh auf Filme, die mich visuell umhauen. Das ist auch eine Form der Unter­hal­tung. Und wenn dann der Inhalt noch stimmt, dann ist das einfach ein groß­ar­tiger Film.

artechock: Siehst Du Erkan & Stefan auch in der guten deutschen Tradi­ti­ons­linie von Heinz Erhard- über Schla­ger­sänger- bis Die Super­nasen-Filme?

Bully: Im Prinzip ist es konse­quent. Jede Ära hatte ihre „Comedians“ oder Komö­di­anten. In Deutsch­land gibt es ja leider Gottes nicht eine so lange Kultur, wie es sie in Amerika seit 30 Jahren gibt. Die Komiker gehen dir ganz schnell aus... wenn du an Heinz Erhard denkst, dann fällt dir der Didi noch irgend­wann ein, der Otto fällt dir noch ein, aber dann wird’s schon dünn, ja?

artechock: Loriot...

Bully: Loriot, natürlich, um Gottes Willen, den großen Loriot vergessen! Aber dann wird die Luft sehr dünn. Der Comedy-Boom, von dem alle reden und sich fragen, wann der wieder zu Ende ist, hat in meinen Augen erst richtig ange­fangen. Ich denke mal, dass viele Leute, die Filme machen, sich auch mal darüber Gedanken machen sollten – egal, welches Genre sie bedienen, ob das nun Drama, Romantic ist, oder Thriller ist – dass jeder Stoff ein bisschen Comedy verträgt. Und das beherr­schen einfach die Ameri­kaner. Dass du immer Momente hast, in denen du lachen kannst. Weil es einfach auch real ist. Ich meine, du erlebst doch tagtäg­lich in Alltags­si­tua­tionen komische Situa­tionen. Warum darf das nicht im Film passieren? Ich glaube, viele Leute haben einfach Angst davor, jetzt ihren Film zu diffa­mieren, indem sie mal einen kleinen Gag da einbauen. Das ist übrigens bei Anatomie auch ansatz­weise sehr gut gelungen. Da gibt’s auch mal was zu lachen.

artechock: Ich hab mir von Leuten, die meinen Geschmack und die Liebe zu dem Genre teilen, sagen lassen, dass ich ihn mir besser nicht antun soll.

Bully: Guck ihn Dir mal an, weil er insofern ganz inter­es­sant ist, dass dieses Genre mal bedient wird. Und deswegen bin ich mal sehr gespannt auf Flashback.

Neidel: Ich auch!
(Lachen)

artechock: Ich hab ihn ja schon gesehen...

Neidel: Und??

artechock: ... und müsste jetzt lügen, wenn ich sagen würde, dass er mir gefallen hätte.

Bully: Moih...
(mit gespieltem Schmollen) Ich geh jetzt!
(Lachen)
Nein, ich glaube, wenn man Horror­filme, die typischen Horror­filme liebt, dann ist Flashback auch nichts. Ich mag Ehrlich­keit sehr gerne – auch wenn sie sehr weh tut... (lacht)

artechock: Du hast ja auch nicht das Buch geschrieben oder diese Regie geführt, Du hast den Schnitt nicht gemacht und die Kamera nicht...

Neidel: Danke, dass Du die Regie erwähnst und nicht gleich mich... (lacht)

artechock: Bully, wie war Deine Zusam­men­ar­beit mit Kame­ra­mann und Cutter? Hattest Du sehr genaue Vorstel­lungen davon, wie alles aussehen sollte, oder hast Du die auch einfach mal machen lassen?

Bully: Nein, also da gab’s ganz genaue Vorstel­lungen... (lacht) Der Kame­ra­mann war wunderbar. Ich kannte ihn vorher schon von einem anderen Dreh, und bei der Auflösung hat er sich die größte Mühe gegeben, alle Wünsche, die ich so hatte, dementspre­chend ins Bild zu setzen. Das hat wirklich teilweise etwas mit Bild­aus­schnitten zu tun, oder mit Timing-Geschichten, und er ist voll und ganz auf das einge­gangen, was ich da gerne wollte. Der Cutter, den ich da hatte, hat vorher noch nie einen Film gemacht, aber ich habe mit ihm drei Jahre lang Bully-Sketche geschnitten – und für mich war er einfach die ideale Wahl, weil er meinen Humor kennt, mein Timing kennt. Wir hatten beide einen sehr großen Respekt davor, diesen Film zu schneiden, aber er hat auch sehr schnell begriffen, dass wir jetzt hier nur einen schönen, langen Sketch machen und einfach Spaß bei der Sache haben. Insofern hat das sehr gut funk­tio­niert, und alle sind eigent­lich sehr auf meine Wünsche und Vorstel­lungen einge­gangen. Ich hatte niemanden, der mich irgendwie ausge­bremst hat oder gesagt hat »Das geht nicht«. Also bin ich da der glück­lichste Mensch der Welt.

artechock: Gab es auch Momente, wo der tech­ni­sche Aufwand – der teilweise doch erstaun­lich ist – gedroht hat, das Eigent­liche zu erdrücken?

Bully: Hat er es denn erdrückt?

artechock: Nein, für mich nicht. Aber war das eine Gefahr, der ihr bewußt gegen­steuern musstet? Dass da die Schau­spieler mal um ihren Freiraum kämpfen mussten vor lauter Hubschrauber-Kamera...?

Bully: Ich finde, das ist ja in dem ganzen Film gar nicht so extrem. Da ist gerade mal diese Hubschrauber-Szene, die so dominant ist. Und das find ich einfach den Hammer, diese Szene. Ich hab' mich immer gefreut auf den Tag, an dem wir das drehen. Es war einfach eine bombas­ti­sche Szene, es sieht so toll aus. Da hat man eigent­lich keine Angst, dass man jetzt nicht mehr an die Schau­spieler sondern nur noch an den Hubschrauber. Glaub ich eigent­lich nicht. Man denkt wahr­schein­lich auch daran zurück, aber auch, wie Erkan und Stefan gespielt haben.Ich finde einfach die Kombi­na­tion sehr gelungen. Meine Befürch­tung am Anfang war: 90 Minuten Erkan & Stefan ist zuviel, das würde nicht tragen. Es ist alles sehr gesund dosiert – finde ich. Du hast Zeit für Entspan­nung, du hast Zeit für Emotion, du hast Zeit für ein bisschen Action, und du hast dann auch wieder diese beiden sympa­thi­schen Idioten, die ihre Sprüche loslassen. Ich bin nur froh, dass wir im Budget geblieben sind... (lacht) und dass das alles reali­siert werden konnte mit dem relativ geringen Budget für einen Kinofilm.

artechock: Wie hoch war das Budget?

Bully: 5,3 Millionen.

artechock: Das ist im Vergleich zu den 18 von Otto noch gemäßigt.

Bully: Da brauchst du natürlich auch ein sehr starkes Team im Rücken, einen guten Produk­ti­ons­leiter, einen guten Produ­zenten, die dann auf die Wünssche, die Du hast, eingehen. Damit Du das reali­sieren kannst, was Du gerne sehen möchtest, und trotzdem noch im Budget bleibst. Wir haben uns da glaub ich sehr gut ergänzt. Das hat glaub ich ganz gut funk­tio­niert.

artechock: Der Film schafft es auch, aus diesen vorge­ge­benen Figuren wirklich etwas zu entwi­ckeln. Man hat da ja sonst oft diese reinen Nummern­re­vues, wo nur Sketche anein­an­der­ge­klatscht werden. Dein Film bringt da wirklich nochmal eine andere Eben mit rein. Wieviel warst Du da auch am Buch beteiligt?

Bully: Ich habe das Buch bei der dritten Fassung gelesen. Da gab’s bereits den Plot – und der war es, was mich letzt­end­lich auch überzeugt hat, das tun zu müssen. Weil ich diese Idee der Konfron­ta­tion dieser beiden extremen Welten sehr reizvoll fand. Die Dialoge kamen natürlich größ­ten­teils von den Jungs, ganz klar. Denen muss man auch nicht sagen, wie ihre Comedy funk­tio­niert. Und aus diesen Elementen... Die fünfte Fassung haben wir dann gedreht, das heißt bei zwei Fassungen hab ich mich dann noch ein bisschen mit einge­mischt und das ein oder andere noch mit den Autoren zusammen einfließen lassen. Das heißt es ist eine gesunde Mischung aus Erkan & Stefan, einer guten Geschichte und ein bisschen Bully-Gewürz.
(Lachen)

artechock: Könnt Ihr noch etwas zu Euren nächsten Projekten sagen?

Neidel: Ich kann da nicht viel dazu sagen. Ich darf nicht.
Da ist noch so viel in der Schwebe, nicht?
Ja, das ist alles im Gespräch und noch nichts Festes. Danke.

artechock: Und bei Dir, Bully, habe ich gelesen – Der Schuh des Manitu?

Bully: Ja, Schuh des Manitu. Dreh­be­ginn ist Ende April, Anfang Mai. Ich freue mich schon tierisch drauf. Wird ein Western – wie der Titel schon erahnen läßt (lacht). Aber im guten alten Stil der Glor­rei­chen Sieben. Wir drehen auf heiligem Boden in Spanien, da wo Sergio Leone schon gedreht hat... Es wird im Prinzip ein ernst­hafter Western mit zwei bis vier Prot­ago­nisten, die eigent­lich in diesem Genre nicht rein­passen, und das wird dann hoffent­lich auch lustig. (Lacht)

artechock: Auch in der Tradition des deutschen Westerns, Winnetou und so...?

Bully: Nein. Eher so in die Richtung Spiel mir das Lied vom Tod. Ich würde gerne den großen Hollywood-Western wieder zurück­holen und die Leute damit über­ra­schen, dass das tatsäch­lich eine deutsche Produk­tion ist... Wenn mir DAS gelingt, dann... aaahhh.