»Alles, was wir tun, ist irgendwie autobiographisch bedingt.« |
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I Heart Huckabees |
Dustin Hoffman, geboren 1937, gehört zu den besten und erfolgreichsten lebenden Hollywooddarstellern. Bekannt wurde er vor allem durch seine Komödien, etwa mit Mike Nicholls Die Reifeprüfung. Zweimal gewann er einen Oscar – typischerweise für die Charakterrollen in Kramer vs. Kramer und Rain Man, fünf weitere Mal war er nominiert – davon viermal für Komödien. Jetzt ist er wieder in einer Komödie zu sehen, in David O. Russells I Heart Huckabees.
Mit Dustin Hoffman sprach Rüdiger Suchsland.
artechock: Nach langer Zeit, in der man Sie nicht auf der Leinwand sah, haben Sie jetzt in kurzer Zeit gleich drei Filme gemacht – sind Sie ein Workaholic? Arbeiten Sie zuviel?
Dustin Hoffman: Im Gegenteil! Ich habe vermutlich weniger Filme gemacht, als die meisten Stars. Warum ich mich jetzt Star nenne, ist keine Eitelkeit. Aber ich definiere sie so, dass diejenigen Stars sind, die mehr Möglichkeiten haben zu arbeiten. Sie bekommen laufend Drehbücher angeboten. Mein Durchschnitt war schwach, etwa ein Film pro Jahr. Vor gut vier Jahren habe ich dann ganz aufgehört, zu drehen. Ich hatte keine Lust mehr. Ich fand die Drehbücher nicht gut genug. Aber ich wollte mich fordern, meine Möglichkeiten ausreizen. Darum fing ich an, eigene Drehbücher zu schreiben. Das mache ich nach wie vor. Aber man merkt gar nicht, wie dabei die Zeit vergeht. Plötzlich sagt einem die eigene Frau: »Weißt Du eigentlich, dass Du seit drei Jahren keinen Film mehr gemacht hast? Du fängst an, Dich merkwürdig aufzuführen.« Da wird es Zeit, wieder hinaus auf die Straße zu gehen und zu arbeiten. Das habe ich dann gemacht. Im Übrigen sind es ja zum Teil auch Nebenrollen gewesen – davon kann man mehr drehen.
artechock: Wie kommt es, dass die Drehbücher jetzt besser sind?
Hoffman: Ich war früher perfektionistisch in der Rollenauswahl. Meine Frau hat mir geraten, etwas lockerer in der Auswahl meiner Rollen zu sein – denn vorher legte ich sehr strenge, vielleicht überstrenge Kriterien an, und das hat mich unglücklich gemacht. Meine Frau kennt mich immerhin seit 30 Jahren. Sie hat mich daran erinnert, dass ich ihr immer erzählt habe, das Interessanteste an der Arbeit sei für mich weder das Drehbuch, noch das Ergebnis auf der Leinwand, sondern das Drehen selbst. Das Resultat kann man nicht kontrollieren. Aber ich weiß, dass es eine kreative Erfahrung sein würde, bei Marc Forster und David O. Russell zu spielen. Und das hab ich jetzt getan.
artechock: Was war für Sie an I Heart Huckabees so faszinierend?
Hoffman: Ich respektiere Regisseur David O. Russell. Er ist ein sehr spiritueller Typ, einer mit dem man sich interessant unterhalten kann. Die Rolle, die er eigens für mich geschrieben hat, die Rolle des „existentiellen Detektivs“ Bernard Jaffe, hat er nach einem seiner besten Freunde geschrieben: Robert Thurman, der übrigens der Vater von Uma Thurman ist – der ist Dekan für tibetanische Studien an der New Yorker Columbia University, und eine Art Mentor für David. David selbst ist ja Buddhist. Und natürlich war es für mich verlockend, hier mit so viel anderen Kollegen zusammenzuarbeiten. Beim Film Meet the Fockers konnte ich wieder mit Barbra Streisand zusammenarbeiten. Wir kennen uns seit langem, wir sind befreundet, und haben uns schon in sehr unterschiedlichen Situationen getroffen. Es ist schön, sich immer wiederzutreffen. Das sind sehr intime Gespräche, nichts Berufliches, sondern über unser Privatleben – und ich werde Ihnen nicht erzählen, was wir besprochen haben [Lacht].
artechock: Wie haben Sie sich kennengelernt?
Hoffman: Wir waren an der gleichen Schauspielschule – dem Theatre-Studio in New York. Ich war der Freund ihrer Mitbewohnerin. So lernte ich sie kennen. Meine Freundin sagte immer: Die singt auch toll, und ich dachte, das sei das übliche Bla-Bla. Damals sang sie nicht – sie hielt es nicht für Kunst. Wir trafen uns immer mal wieder – und hatten immer ein emotionales Band zwischen uns. Wir haben das Gleiche erlebt im Leben: Diese tollen, erderschütternden Ereignisse, Schmerz und glückliche Ehen und schlechte. Und – wir haben überlebt. Und in gewissem Sinn fühlen wir uns verheiratet.
artechock: Ist das eine gute Nachricht – überlebt zu haben?
Hoffman: Ja. Mir geht’s so gut, wie nie, und ich habe Angst, es zuzugeben, weil ich Angst habe, wenn ich das sage, nimmt mir jemand alles weg.
artechock: Sehen wir in Ihren Filmen etwas Persönliches von Ihnen? Sind Sie ein alter Hippie wie in I Heart Huckabees und Meet the Fockers
Hoffman: Ich hoffe, ich bin ein neuer Hippie [Lacht]. Jeder arbeitet anders. Aber ich jedenfalls weiß gar nicht, wie ich etwas spielen soll, was ich nicht in mir selber finde. Ich kann nicht so tun, als ob. Wenn ich einen Killer spielen soll, muss ich den Killer in mir finden – das habe ich in The Osterman-Weekend ja gemacht. Einen Teil von mir – und zwar einen großen Teil von mir – habe ich vorher noch nie spielen können.
artechock: Welche Rollen und Drehbücher reizen Sie besonders?
Hoffman: Eines der interessantesten, aufregenden Dinge im Leben ist es, Tabus zu brechen. Ich denke das. Tabus gibt es oft aus den falschen Gründen. Filme die davon handeln, reizen mich. Das sollte auch das heutige Kino behandeln. Jede Komödie, in jedem Fall die Art Komödien, die ich mag, behandelt ernste Themen. Ein guter Witz hat soviel Macht und Tiefe wie ein philosophischer Essay oder ein Gedicht. Wenn wir spontan lachen, gibt es einen Erkenntnisschock – darum lachen wir.
artechock: Tabubruch scheint in den USA auch außerhalb des Kinos derzeit nicht gerade „in“… Dort ereignet sich eine konservative Restauration, eine Rückkehr in die spießige unfreie Vergangenheit…
Hoffman: Ja, leider. Ich bin Amerikaner, ich bin dort geboren und jetzt 67 Jahre alt. Ich kann mich an keine Zeit erinnern, in der Amerika polarisierter und uneiniger war, als heute. Vielleicht vor dem Krieg, aber das hab ich nicht erlebt. Einer der Mythen, an die Sie in Europa glauben, ist, dass Präsident Bush nicht Amerika repräsentiert, weil er bei seiner ersten Wahl keine Mehrheit hatte. Und der zweite Mythos ist, dass sie heute glauben, dass er Amerika repräsentiert, weil er eine Mehrheit hatte. Aber wir haben ein anderes Wahlsystem. Es war ein Staat, Idaho, der alles entschieden hat. Der Punkt ist: Bush repräsentiert ein Segment von Amerika. Er wurde wiedergewählt, weil die Republikaner die Wähler besser manipulieren können. Das läuft ungefähr so perfekt, wie die Marketingkampagne eines Hollywood-Films. Aber das Produkt dieser Maschine hieß nicht Bush. Es hieß Angst!
artechock: Wie kamen Sie überhaupt zur Schauspielerei?
Hoffman: Alles, was wir tun, ist beeinflusst durch die Kindheit, ist irgendwie autobiographisch bedingt. Ich habe nie über meine Eltern gesprochen, als sie noch am Leben waren – jetzt sind sie tot, da bin ich weniger feige. Sie können mich nicht mehr verletzten, außer vom Himmel aus. Da kann ich zugeben: Ich hatte keine schöne Kindheit, und mein Bruder auch nicht. Ich will da nicht ausführlich werden, aber ich denke, sie hätten keine Eltern sein sollen. Ich fühlte keine Identität, als ich aufwuchs. Ich wusste nicht wer ich war. Und dass das überhaupt ein Problem ist, begriff ich auch erst Jahre später. Ich begann mit Schauspielunterricht an der Schule – und zwar nur, weil ich so schlecht war. Ich wäre beinahe rausgeflogen, und nahm Schauspielunterricht, weil mir einer sagte: Da bekommst Du gute Noten. Es war ein Schulfach. Ein kathartischer Moment für mich war, dass ich beim Schauspielen plötzlich etwas fühlte. Ich hatte das Gefühl, meine Haut zu spüren, Boden unter den Füßen zu spüren, jemand zu sein. Welche Ironie: Ich spürte mich selber, als ich einen anderen spielte.