04.05.2000

Ordinary Decent Criminal

Thaddeus O»Sullivan und seine Schauspieler posieren auf dem Set
Ordinary Decent CriminalDer Regisseur und seine Schauspieler

Regisseur Thaddeus O’Sullivan im Gespräch

Der in Dublin geborene, in England lebende Thaddeus O’Sullivan arbeitete zunächst sehr erfolg­reich als Kame­ra­mann. Seit Anfang der 90er dreht er eigene Filme, mit Nothing Personal war er vor vier Jahren auf dem Münchner Filmfest zu Gast. Jetzt kommt sein neuer Film, Ein ganz gewöhn­li­cher Dieb (Ordinary Decent Criminal) ins Kino, in dem der dies­jäh­rige Oscar­ge­winner Kevin Spacey die Haupt­rolle spielt.
Rüdiger Suchsland sprach mit dem Regisseur.

artechock: Ein ganz gewöhn­li­cher Dieb erzählt die Geschichte einer realen Figur: Die des irischen Gangsters Martin Cahill, der in den 80er Jahren zum Volksheld wurde. Erst letztes Jahr hat John Boorman in The General Cahills Leben erzählt. Wärmen Sie da nicht eine längst bekannte Geschichte zum zweiten Mal wieder auf?

Thaddeus O’Sullivan: Nein, überhaupt nicht. Ich war mir von Anfang an sicher, dass ich etwas Eigenes erzählen wollte, und dass der Film meine Geschichte sein würde. Dass die Fakten um Martin Cahill allgemein bekannt waren, war mir bewußt. Es ging aber darum, aus diesen Fakten etwas zu schaffen, sie auch zu verwan­deln. Mein Film dehnt die Geschichte aus, erweitert sie, spielt mit der histo­ri­schen Wahrheit. Außerdem möchte ich betonen, dass mein Film gleich­zeitig mit dem Boormans entstand. Wir wollten nur nicht zur selben Zeit ins Kino kommen.

artechock: Fürchten sie die Konkur­renz mit Boorman? Erzählen Sie doch einmal die Vorge­schichte des Drehs.

O’Sullivan: Ich habe ziemlich lange am Drehbuch gear­beitet. Ich wollte daraus von Anfang an einen fiktive Geschichte machen, während Boorman an einem doku­men­ta­risch-authen­ti­schen Portrait inter­es­siert war. Daher fürchte ich auch die Konkur­renz gar nicht. Dafür sind beide Filme zu verschieden. Schließ­lich handelt es sich um grund­ver­schie­dene Inter­pre­ta­tionen des gleichen Stoffes. Und jeder merkt sofort, dass ich – bei allen Ähnlich­keiten – die reale Geschichte stark verändert habe. Aber das merkt man erst, wenn man beide Filme kennt. Dem Publikum ist so etwas schwer zu vermit­teln. Da geht es mit Filmen ganz anders als auf dem Theater. Dort würde niemand darüber mäkeln, dass zwei verschie­dene Insze­nie­rungen von »Richard III« oder »Hamlet« mitein­ander wett­ei­fern. Und leider wurde mein Film von der briti­schen Presse nicht gut behandelt.

artechock: Was waren die Vorwürfe?

O’Sullivan: Sie fanden das alles zu holly­wood­mäßig, und haben dauernd Boorman und mich mitein­ander vergli­chen. Vor allem nahm man mir die Tatsache übel, dass ich die Haupt­rolle mit einem Ameri­kaner besetzt habe.

artechock: Dabei ist doch die Verpflich­tung von Kevin Spacey ein Glück für diesen Film...

O’Sullivan: Natürlich! Aller­dings dürfen Sie nicht vergessen: Vor seinem Erfolg mit American Beauty war Spacey gar nicht so bekannt, und jeden­falls kein Darsteller der allein mit seinem Namen die Leute ins Kino zieht, wie Al Pacino oder Robert de Niro. Es war eine Freude mit Spacey zu arbeiten. Er hat großen Mut bewiesen, denn zum einen gefällt es natürlich nicht allen, wenn ein Ameri­kaner einen Iren in einem irischen Film spielt. Und zum zweiten ist die Rolle politisch bis zu einem gewissen Grad belastet: Der histo­ri­sche Cahill forderte nicht nur Polizei und Obrigkeit heraus, er legte sich auch mit der IRA an. Und da mein Film sich ganz auf die Seite seiner Figur schlägt, hört hier für viele der Spaß auf. Aber Kevin Spacey hat sich von diesen Dingen gar nicht beein­dru­cken lassen.