»Man kann erwachsen werden« |
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Benjamin Quabeck |
In seinem Debüt Nichts bereuen erzählt Regisseur Benjamin Quabeck vom jugendlichen Helden, der lernen muss, erwachsen zu werden.
Rüdiger Suchsland sprach mit Quabeck.
artechock: Mit Nichts bereuen hast Du den Hypo-Preis beim Filmfest München 2001 gewonnen. Verbindest Du irgendwelche Erwartungen mit dem Preis? Der Hypo-Preis ist sicherlich ein Preis, der die Preisträger bekannt macht. Steht man da unter einem gewissen Druck?
Benjamin Quabeck: Ich würde mich schon freuen, wenn ich als Nächstes wieder einen Kinofilm machen könnte, wenn der Preis bei anderen Leuten für ein gewisses Vorvertrauen sorgt. Es sieht auch nach allen Gesprächen der letzten Zeit ganz gut aus. Es kam schon in der letzten Zeit, seit den „Ludwigsburger Highlights“, wo der Film das erste Mal lief, zu guten Kontakten und Gesprächen. Daher denke ich, dass ich auch ohne diesen Preis meinen Weg gefunden hätte, aber es macht einem gewiss einiges leichter. Und natürlich ist er auch für Gagenverhandlungen praktisch. Unter einem unmittelbaren Erfolgszwang fühle ich mich allerdings nicht. In Deutschland sind die Verhältnisse so schwer einzuschätzen – ich weiß nicht, was Erfolg hat. Darum muss man auf seine eigenen Stoffe setzen. Wenn es nicht klappt, dann klappt’s halt nicht.
artechock: Nicht alle denken so. Andere schauen gerade auf das vermeintlich Erfolgreiche – bis zur Selbstverleugnung...
Quabeck: Bei Nichts bereuen war es das oberste Ziel, niemals über so etwas nachzudenken. Das möchte ich auch in Zukunft so halten. Filmemachen ist mir schon sehr wichtig, aber ich möchte mich nicht verdrehen lassen. Bevor ich zwei Jahre meines Lebens opfere für etwas, das ich eigentlich nicht machen will, mache ich lieber gar nichts. Ich glaube auch daran, dass etwas wirklich Gutes letztlich Erfolg hat.
artechock: Wie schätzt Du die Reaktion des Publikums auf Deinen Film ein?
Quabeck: Ich glaube daran, dass man bei einem Film immer erkennt, ob er ehrlich ist, oder nicht. Ich denke, bei unserem Film spürt man, dass er ehrlich ist. Er kommt gerade bei Zuschauen in meiner Altersgruppe sehr gut an, aber auch bei Älteren, die sich zurückerinnern. Ich bin sehr gespannt auf den Kinostart, aber ich habe letztlich zu wenig Erfahrung, um das wirklich beurteilen zu können. Daniel Brühl und Jessica Schwarz haben das Potential
zu Zugnummern. Es ist sehr eigenartig: Jetzt kommen alle möglichen Leute auf mich zu, und geben mir tolle Ratschläge, zum Beispiel: »Daniel Brühl und Jessica Schwarz kennt keiner« – da frage ich mich, in welcher Welt die leben. Sicher nicht in der der jungen Kinozuschauer.
Andere wollen einen neuen Song für den Abspann haben, weil angeblich keine Hitsingle dabei ist. Da wollen wir natürlich hart bleiben.
artechock: Kann man da hart bleiben? Hat man als Regisseur überhaupt die Möglichkeit?
Quabeck: Ich habe das Glück, mit Christoph Ott einen Produzenten zu haben, der sehr viel Vertrauen in uns setzt, und immer sagt: Das ist Euer Film.
artechock: Wie kam es überhaupt zu Nichts bereuen? Das ganze geht auf einen Roman zurück, den Du geschrieben hast...
Quabeck: Ja, ich hoffe, dass er jetzt bald veröffentlicht wird. Den haben Hendrik Hölzemann und ich in ein Drehbuch verwandelt. Das eigentliche Buch ist von ihm, wir haben die Struktur gemeinsam entwickelt.
artechock: Bei Daniel Brühl denkt man an Schule. Wie kam es zur Wahl des Hauptdarstellers?
Quabeck: Ich kenne ihn seit drei Jahren. Daniel Brühl hat in meinem letzten Kurzfilm mitgespielt. Es hat sehr viel Spaß gemacht mit ihm. Insofern ist das Buch auch für ihn geschrieben. Die anderen Darsteller kamen dann dazu. Marie-Lou Sellem habe ich bei einem Seminar in Ludwigsburg kennengelernt. Jessica Schwarz sah ich zuerst im Fernsehen.
artechock: Was war Dir am wichtigsten an Nichts bereuen?
Quabeck: Ich habe viele Jugendfilme gesehen, die für mich nicht glaubwürdig waren. Mein Ansatz war, einen Film zu machen, der nicht leugnet, das er ein deutscher Film ist, der aber auch nicht versucht, wahnsinnig komödiantisch zu sein, sondern der auf eine lustige und zugleich traurige und dramatische Art erzählt, wie das ist, erwachsen zu werden. Eine kleine Geschichte, aber so detailliert und authentisch, wie möglich.
artechock: Was meinst Du, wenn Du sagst, ein »Film, der nicht leugnet, das er ein deutscher Film ist«?
Quabeck: Ich denke, dass man oft nicht ganz dazu steht, dass man einen Film in Deutschland macht. Gerade bei TV-Filmen der Privatsender werden oft amerikanische Muster übernommen. Darunter leidet die Glaubwürdigkeit, weil da wenig zusammenpasst.
artechock: Du hast angefangen, indem Du mit der väterlichen Video-8-Kamera Horrorfilme gedreht hast...
Quabeck: So ging das los.
artechock: Wie ist das, wenn man in Wuppertal aufwächst?
Quabeck: Ganz korrekt gesagt bin ich in Ennepetal aufgewachsen. Ich war aber viel im benachbarten Wuppertal. Da ist nicht so viel los, und man hat Zeit, sich seine Gedanken zu machen. Viele Filmemacher kommen aus solchen Provinzstädten.
artechock: Wenn man Wuppertal hört, denkt man nach Der Krieger und die Kaiserin an Tom Tykwer. Aber dessen Wuppertal ist ein Märchenland, Deines scheint authentisch.
Quabeck: Das war die Absicht. Ich wollte schon sehr lange einen Wuppertal-Film machen, und war zuerst etwas traurig, dass mir Tykwer da zuvorkam. Aber als ich den Film gesehen hatte, war ich sehr erleichtert. Da kommt vom Flair dieser Stadt nicht soviel rüber. Ich hatte bisher den Eindruck, dass es den ultimativen Wuppertal-Film noch nicht gibt.
artechock: Wie ist der Film überhaupt finanziert worden?
Quabeck: Der Film hat 330.000 Mark gekostet, er war also sehr günstig. Kein Mensch hat eine Gage bekommen, das waren alles Rückstellungen, und das ganze Team hat auf Kosten der Stadt Wuppertal in einer riesigen Villa gewohnt – das war wie Jugendherberge. Veltins hat 1,5 Tonnen Bier gesponsert – das hat genau bis zum letzten Tag gereicht. Viele andere Firmen haben uns unterstützt, die Hauptkosten sind finanziert durch den WDR,
das Filmbüro Nordrhein-Westfalen und durch die Filmakademie. Als Co-Produzent hat die Firma Arri großzügig beteiligt.
Zuvor hatten einige Sender das Projekt abgelehnt.
artechock: Was stellst Du Dir vor, was Du in Zukunft machen wirst?
Quabeck: Ein Spielfilm fürs Fernsehen, speziell das öffentlich-rechtliche, würde mich schon interessieren. Trotzdem möchte ich probieren, als Nächstes einen Kinofilm zu machen. Ich kann mir aber auch vorstellen, kurzfristig Werbung zu machen.
artechock: Es kann in Zukunft natürlich schwerer werden. Die Geschichte von Nichts bereuen hat viel mit Dir persönlich zu tun. Das wird aber nicht endlos möglich sein.
Quabeck: Ich bin mir da nicht sicher. Auch Nichts bereuen hat sich in vielem von persönlichen Erfahrungen gelöst. Und oft ist das besser, was ausgedacht war. Ich glaube, diese Mischung aus Erlebtem und Ausgedachtem ist in jedem Film möglich. Ich möchte jedenfalls so Filme machen. Allerdings glaube ich, dass man sich in jeder Geschichte, in jedem Charakter wiederfinden kann.
artechock: Trotzdem gibt es bei vielen Regisseuren derzeit die Tendenz, sich mit jugendlichen Themen – um diesen Raum: Schule, Universität, erste Liebe – zu beschäftigen. Auch Hans-Christian Schmidt macht das, obwohl er 10-15 Jahre älter ist, als seine Figuren. Woran liegt das?
Quabeck: Erstens ist das eine super-spannende Zeit, über die man viel nachdenkt. Und dann gibt es sicher auch den Anspruch, den Jugendlichen, die sich noch mitten drin befinden, etwas zu erklären. Deswegen heißt unser Film ja auch Nichts bereuen, weil wir zeigen wollen: Man kann erwachsen werden, es geht anderen auch mal schlecht, man kommt aber irgendwie durch. Der Anspruch, mit Kino nicht nur eine Geschichte zu erzählen, sondern auch etwas zu bewirken, spielt da schon eine Rolle.
artechock: Also Du meinst, dass man gerade in diesen jugendlichen Lebenswelten das besonders gut kann. Man könnte ja umgekehrt auch sagen, dass es – hart auch gedrückt – pubertär und infantil ist. Dass es auch eine bestimmte Flucht vor Formen der Wirklichkeit, in denen es halt härter, erwachsener zugeht, ist. Das sind private Geschichten. Du zeigst immerhin ein Milieu, einen Ort, an dem man einiges festmachen kann. Aber auch in Deinem Film kommen jetzt Dinge wie Arbeit, Politik relativ wenig vor...
Quabeck: Eigentlich geht es doch gerade darum: Wie der Daniel aus dem rein Privaten, das sich nur um sich selbst dreht, herausgerissen und in das Leben geschmissen wird. Dass es irgendwann nicht mehr nur darum geht, zuhause zu sitzen, und sich zu überlegen: ruft sie jetzt an, oder ruft sie nicht an. Sondern dass er sich dem Leben stellen muss.
artechock: Wo liegt für Dich das Glück, oder der Spaß am Filmemachen? Während des Arbeitsprozesses, oder danach?
Quabeck: Eigentlich ist der größte Spaß das Ausdenken und das Vorbereiten, das Schreiben. Am Set ist es dann sehr anstrengend. Aber unter den Umständen, in denen wir bisher gedreht haben, war es auch so, dass man abends nach Hause kam, und hatte nur die Hälfte von dem gedreht, was man eigentlich drehen wollte. Deswegen ist man eigentlich nie so richtig glücklich. Zudem haben wir zweimal nachgedreht. Ein richtig gutes Gefühl hat man erst, wenn man die ersten Publikumsreaktionen erhält.
artechock: Glaubst Du, dass der Film Chancen im Ausland hat? Kann man ihn sich vor französischem Publikum vorstellen?
Quabeck: Also ich halte den Film ja schon für ein bisschen vom französischen 80er-Jahre-Kino angehaucht. Ich glaube, man wird merken, dass der Film glaubwürdig ist, und dass er darum auch Erfolg haben kann, als Spiegel deutscher Wirklichkeit.