»Veränderung und Wandel sind unvermeidlich!« |
||
Robert Redford in The Company You Keep |
Robert Redford (geb. 1936) stammt aus Kalifornien und wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Über das Baseball-Spiel bekam er ein Stipendium. Der Tod der Mutter warf ihn jedoch aus der Bahn, er schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch. Nach einer Europa-Reise, während der er eine Weile in München lebte und dann in Paris in einer Kommune, kam Redford zurück, spielte Theater und bekam kleinere Filmrollen. Zum Star wurde er 1969 mit Zwei Banditen. Jetzt kommt sein neuer Film The Company You Keep (deutsch Die Akte Grant) ins Kino.
Das Gespräch führte Rüdiger Suchsland.
artechock: Die eine Hauptfigur Ihres Films ist ein junger Journalist. Er ähnelt dem, den Sie selbst damals in Die Unbestechlichen gespielt haben...
Robert Redford: Die Chance auf der Leinwand eine Figur zu zeigen, wie sie Shia LaBoeuf verkörpert, war für mich sehr reizvoll. Denn wenn wir genau hinschauen, gibt es unter der Oberfläche heute eine ähnliche Situation wie zur Zeit des Watergate-Skandals. Unter dem guten Willen zur Wahrheit liegt der Wunsch nach Ruhm. Shias Figur sucht nach der Wahrheit. Aber er weiß auch, dass das für ihn persönlich Ruhm bedeutet.
Vieles in Bezug auf
Journalismus ist heute anders. Als wir Die Unbestechlichen drehten, 1974/75, gab es kein Internet, keine Computer. Keine von diesen neuen Technologien, die den Informationsfluss derart ansteigen ließen. Es ist einfach schwieriger, zu wissen, was die Wahrheit ist, wenn es so viele Fernsehkanäle gibt, die alle behaupten, zu wissen, was die Wahrheit ist.
artechock: Wie lösen wir das Dilemma?
Redford: Es muss Kriterien geben. Aber auch wenn die Umstände anders sind, ist die Kernfrage gleich geblieben: Es wird immer das Bedürfnis nach irgendeiner Form von politischer Veränderung geben. Wenn Menschen sehen, dass eine kleine Gruppe sich selbst ungerechte Vorteile verschafft, wenn sie erleben, wie ihre Freiheiten eingeschränkt werden, oder weggenommen, oder wenn man sie zwingt, in einen Krieg zu ziehen, den sie für falsch halten, dann werden sie sich das auf Dauer nicht bieten lassen. Das wird immer passieren. Und das ist auch sehr gesund. Es hat etwas mit Veränderung und Wandel zu tun. Veränderung und Wandel sind unvermeidlich, ob wir es mögen oder nicht.
artechock: Wie kamen Sie zu dem Thema alt gewordener Untergrundkämpfer?
Redford: Ich habe mich immer für Geschichte interessiert. Als die „Weathermen“ in den Untergrund gingen, war es zu früh. Ich wollte die Geschichte des amerikanischen Untergrunds schon vor über 30 Jahren erzählen. Damals ging das nicht. Das Thema war zu frisch! Als es passierte, war es noch keine Geschichte. Jetzt können wir es im Licht von Vietnam, und von McCarthy sehen. Das ist jetzt alles ein Teil dieser amerikanischen Geschichte. Und ein bisschen hat es mich auch an Les Misérables erinnert.
artechock: Sie gehörten auch politisch immer zu den Liberalen Amerikas...
Redford: Ich hatte große Sympathie für die Bürgerrechtsbewegung, für Widerstand und Protest gegen die US-Regierung. Ich glaube bis heute, dass die einen guten Grund hatten, zu rebellieren. Zugleich konnte man schon ahnen, dass sie sich selbst zerstören würden. Das hat mich traurig gemacht, denn ich fand, dass sie gute, gerechte Gründe für ihren Kampf hatten. Denn der Krieg in Vietnam, den sie bekämpften, war ein ungerechter Krieg. Aber das
ist nur meine Ansicht. Ich war seinerzeit nicht politisch engagiert.
Jede Generation hat ihren Moment der Unzufriedenheit und Rebellion. Die Zeiten und die Umstände mögen sich ändern. Aber das kommt immer wieder, und wird auch weiterhin immer wiederkommen. Wir müssen nachfolgenden Generationen etwas hinterlassen, was nicht verrottet ist.
artechock: Sympathisieren Sie mit den Ideen des „Weather Underground“? Sie wollten den Krieg beenden, durch Gewalt gegen Sachen...
Redford: Ich denke, sie hatten die richtigen Ideen. Ihre Intentionen waren vollkommen richtig. Denn im Prinzip haben sie nichts anderes getan, als uns an unsere eigenen, an die uramerikanischen Ideen zu erinnern: An die Meinungsfreiheit, aber auch an die Freiheit zu gleichen Ausgangsbedingungen, an die Freiheit, die gleiche Chancen geben. Aber die Chancen der Menschen sind nicht gleich. Man sollte nicht so tun, als wäre das so.
Das
war ihr Antrieb. Sie standen auf gegen Doppelmoral. Sie standen auf dagegen, dass die Prinzipien, auf denen Amerika gegründet worden war, unterdrückt wurden. Ihr Kampf war ein guter Kampf. Sie hatten recht.
Aber in dem Film interessierte mich etwas anderes: In dem Film geht es um Heute. Darum spielt er heute, außer einem ganz kurzen Rückblick zu Beginn. Ich wollte wissen: Wie fühlen sie sich jetzt? Wie gehen sie mit ihrer Vergangenheit um?
artechock: Wenn Sie auf Amerika blicken: Wie erscheint ihnen ihr Land?
Redford: Als Gefangener seiner eigenen Propaganda und Mythen. Was wir gerade beobachten können: Die politische Landschaft ist in zwei Seiten gespalten. Die eine Seite – ich spreche von Obama und den Demokraten – glaubt, dass Wandel unvermeidlich ist- Und darum soll er in die richtige Richtung gehen. Die andere Seite hat Angst vor Veränderung an sich. Denn sie fürchtet, dass der Wandel ihnen Nachteile verschafft. Das hat
eine Situation geschaffen, die mich sehr traurig macht.
Man kann nicht darum herumreden, es ist ein Faktum, dass die Super-Reichen immer durchkommen. Egal, was man tut, wie man Wall-Street eingrenzt – sie kommen immer durch. Offenkundig gibt es da große Macht. Und offenkundig gibt es eine Grund für diese Macht. Und möglicherweise wird sich das nie ändern. Offenkundig gibt es also immer gute Gründe für die, die keine Macht haben, wenigstens ein bisschen davon
abzubekommen.
Es ist für alle offensichtlich, die auch nur ein halbe Hirn haben, dass es den Superreichen ziemlich gut geht, und dem Rest Amerikas ziemlich schlecht. Wenn wir uns den Wahlkampf 2012 ansehen, ist glasklar: Es geht am Ende nur um die reichsten 1 Prozent.
artechock: Die Akte Grant ist ein Polit-Thriller. Sind politische Filme Kassengift?
Redford: Politische Filme sind kein Kassengift. Manche Studios haben zwar Angst. Aber das liegt daran, dass ihre Filme zu teuer sind. Mein Film war relativ billig, er verzichtet auf Spezialeffekte, dann ist das Risiko auch nicht so groß. Ich kann zwar nur für mich sprechen, aber ich bin nach wie vor fest davon überzeugt, dass politisches Kino unverzichtbar für unsere Gesellschaft ist. Das Publikum erkennt das auch an.