Frankreich 2004 · 91 min. · FSK: ab 16 Regie: François Ozon Drehbuch: François Ozon, Emmanuèle Bernheim Kamera: Yorick Le Saux Darsteller: Valeria Bruni Tedeschi, Stéphane Freiss, Géraldine Pailhas, Françoise Fabian u.a. |
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Ein Paar im Rückblick |
Am Anfang ist Überraschung – und Geheimnis. Eben gerade noch hat man Marion und Gilles, das nicht wirklich alte Paar im Zentrum dieses Films vor dem Scheidungsrichter gesehen. Nun gehen sie Hand in Hand auf ein Hotelzimmer – und ins Bett. Nachscheidungssex, davon hat man schon gehört, doch dieses Zusammensein ist so intim und gleichzeitig (darum?) so brutal, dass schon diese wenigen Momente alles über die Beziehung zu verraten scheinen, die da gerade zuende ging. Am Ende der Szene fällt die Tür ins Schloss: Aus, vorbei. Und doch war das erst der Anfang.
Die Konstruktion von 5x2 klingt komplizierter, als sie sich im Kino ansieht: Francois Ozon, ebenso ein Meister solch ausgeklügelter Vexierspiele wie Swimming Pool, wie solch subtiler Dramen wie Unter dem Sand, erzählt seine Geschichte von hinten. Die Liebe zwischen zwei Menschen, in fünf Szenen, die fünf Stationen dieser Liebe illustrieren. Ihre Überleitung bilden italienische Schlager, etwa Paolo Contes »Ho capito che ti amo« nach der ersten Szene – in diesem Zusammenhang der nackte Hohn. Jede Szene funktioniert für sich, jede hat ihren eigenen Wert. Im Krebsgang wird der Zuschauer vorrücken bis zu jenem Moment, an dem die beiden flüchtigen Bekannten, die sich gerade in einem Urlaubsort wiedergetroffen haben, zum ersten Mal gemeinsam baden gehen. Ein typisches Film-Happy-End steht also auch hier am Ende – nur mit dem Unterschied, dass wir Zuschauer wissen, was danach kommt.
Vieles wirkt im Rückblick, der unseren Zuschauerblick von Anfang an prägt, wie eine bittere Komödie, bitter, weil wir das Ende nicht vergessen können, und weil nicht immer schön ist, was da passiert. Komödie, weil jede Szene atmosphärisch leichter ist, als die vorherige – bis man in der vorletzten die Hochzeit sieht, in der letzten das Kennenlernen. Ozon, das ist der überaus große Reiz und die fesselnde Wirkung dieses Films, verrät uns hier alles über unseren eigenen Blick, darüber wie die Perspektive die Wahrnehmung bestimmt. Vielleicht wussten wir das schon seit langem – theoretisch. Es aber zu erleben, ist eine andere Sache.
Weil die Perspektive hier eine andere ist, verstehen wir auch alles ganz anders, suchen noch im glücklichsten Augenblick den Keim des zukünftigen Scheiterns. Und finden ihn. Denn in jeder der fünf Szenen passiert etwas Unerwartetes, Überraschendes, Geheimnisvolles. Und jede hinterlässt Irritation, Unsicherheit: Einmal ist klar, dass der Ehemann lügt, aber man weiß nicht, welcher Teil seiner Erzählung nun unwahr ist. Und mehr als einmal rätselt man über die Motive der Figuren: warum geht Marion schon in der Hochzeitsnacht fremd? Warum kneift Gilles bei der Geburt seines Sohnes? Jeder Zuschauer hat hier seine eigene Erklärung, die mehr über ihn, als über den Film verrät – gerade das macht diesen Film so faszinierend.
Ozon ist, wie sein großes Vorbild Fassbinder, vor allem ein Frauenregisseur. Das merkt man auch hier an der liebevollen Inszenierung seiner Hauptdarstellerin. Valeria Bruni-Tedeschi ist mit ihrer Präsenz, ihrer Kraft für sich Grund genug, diesen Film zu lieben. Bei ihr ist die Sympathie des Zuschauers, obwohl sie in der Geschichte nicht ein Opfer, sondern immer die letztlich Stärkere ist. Auch Stéphane Freiss könnte in der immer spürbaren Labilität hinter seiner Kraft, in der Kombination aus gutem Aussehen und Gewalt, aus einem Fassbinder-Film entstiegen sein – er erinnert darin an Karl Heinz Böhm in Martha, auch fast ein Zweipersonenfilm.
Die emotionale, psychische Intensität, die Aufmerksamkeit für kleinste Schwingungen zwischen den Figuren, und die Präzision der Inszenierung erinnert allerdings eher an Ingmar Bergman – nicht nur wegen der offenkundigen Nähe zu Szenen einer Ehe. Wie dort geht es auch hier, indem es um die Liebe geht, zugleich um Bürgerlichkeit, Konstruktionen und Lebensentwürfe, um Gesellschaft. Die Krise hinter dem schönen Schein, hinter der Fassade aus Anstand und Manieren, die Brüchigkeit alles Seins ist nicht minder sein Thema, wie die Emotionen. Beides ist, das zeigen Ozons Filme, gar nicht zu trennen, so wenig wie Liebe und Gesellschaft.
Gespiegelt wird das Paar auch durch gelegentliche Beobachtungen der Ehe von Marions Eltern. Auch hier gibt es Enttäuschung, Unzufriedenheit, eingefahrene Beziehungsrituale. Doch sie halten hier nicht hilflos etwas zusammen, hinter ihnen steht eine tiefere Vertrautheit, das Wissen um ein geglücktes Leben. im Gegensatz zu Marion und Gilles sieht man ihnen gern zu.
Der Einfall retrospektiven Erzählens stammt übrigens nicht von Ozon. Harold Pinter machte das Gleiche schon in Betrayal, Christopher Nolan mit Memento, und vor allem Gaspar Noe in Irréversible. Sonderbarerweise verliert diese Konstruktion nie ihre Spannung. Die Verwirrung wird eher noch größer. Und der Zuschauer wird zum Detektiv der Liebe: Wo ist sie gescheitert? War alles von Anfang an ein Irrtum? sind seine Fragen. Denn das Glück, das am Ende steht, war nur der Anfang.